Читать книгу Im Krebsgang von Günter Grass: Reclam Lektüreschlüssel XL - Theodor Pelster - Страница 16
ОглавлениеHistorisch nachweisbare Personen
Adolf Hitler (1889–1945), seit dem 30. Januar 1933 Reichskanzler, seit 1934 »Führer und Reichskanzler«, ist die in der Zeit von 1933 bis April 1945 alles bestimmende Person, die in der Novelle aber im Hintergrund bleibt.
Rudolf Heß (1894–1987) ist bis 1941 sein Stellvertreter.
Hermann Göring (1893–1946) gehört zu den frühen Mitgliedern der NSDAP, wird 1933 Reichsminister für Luftfahrt und 1940 Reichsmarschall.
Joseph Goebbels (1897–1945) war seit 1930 Reichspropagandaleiter der NSDAP und später Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda.
Heinrich Himmler (1900–1945), Reichsführer SS und Reichsinnenminister, von 1939 an »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums« und als solcher mit der Aufgabe der Umsiedlungs- und Germanisierungspolitik beauftragt und verantwortlich für die Durchführung des Völkermords.
Ernst Röhm (1887–1934) wurde 1934 wegen eines angeblichen Putschversuchs ermordet, nachdem er vorher zu den ersten Anhängern Hitlers gehört hatte und seit 1930 Stabschef der SA war.
Erich Raeder (1876–1960) war von 1935 an Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, seit 1939 Großadmiral. Nach Auseinandersetzungen mit Hitler wurde er von Dönitz abgelöst.
Karl Dönitz (1891–1980) war von 1943 an Oberbefehlshaber der Marine; er wurde in Hitlers Testament zum Reichspräsidenten ernannt und übte das Amt vom 1. bis zum 23. Mai 1945 aus.
Gregor Strasser (1892–1934) trat 1921 der NSDAP bei, gehörte dem linken Flügel der Partei an und galt als Idealist. Nach Auseinandersetzungen mit Hitler wurde er im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches 1934 ermordet.
Robert Ley (1890–1945) war seit 1933 Leiter der DAF (Deutsche Arbeitsfront), die das Vermögen der Gewerkschaften übernahm und alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Massenorganisation zusammenfasste. Die »NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude« war eine Organisation der DAF und hatte die Aufgabe, die Freizeitbeschäftigungen der Arbeiter und Angestellten im Sinne des Nationalsozialismus zu lenken.
Stalin (eigentlich Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili) (1878–1953) war 30 Jahre lang (von 1922 bis 1953) Erster Sekretär der KPdSU und damit faktisch Staatschef der Sowjetunion.
Walter Ulbricht (1893–1973) war seit 1950 Generalsekretär der SED und lenkte 20 Jahre lang die Geschicke der DDR.
Erich Honecker (1912–1994) war der letzte allmächtige Generalsekretär der SED (1971–1989).
Andreas Baader (1943–1977) und Ulrike Meinhoff (1934–1976): zwischen 1968 und 1970 führende Köpfe der terroristischen Rote-Armee-Fraktion (RAF).
Rudi Dutschke (1940–1979) war zwischen 1965 und 1970 der führende Theoretiker der ›außerparlamentarischen Opposition‹ (APO), wurde 1968 auf offener Straße niedergeschossen und starb 1979 an den Spätfolgen des Attentats.
Abb. 1: Figurenkonstellation: historisch nachweisbare Personen
Wilhelm Gustloff
Wilhelm Gustloff wird am 30. Januar 1895 im mecklenburgischen Schwerin geboren, beginnt nach der Mittleren Reife eine Banklehre und geht 1917 in die Schweiz, wo er ein Lungenleiden auskurieren soll. In der Schweiz findet er eine Stelle als Observationssekretär am Meteorologischen Institut. Im Jahr 1921 schließt er sich »dem deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund an«7, Beitritt zur NSDAP1929 tritt er der »Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei« bei und gründet »im September 1930 den ›Stützpunkt Davos der NSDAP‹, ein Jahr später die ›Ortsgruppe Davos‹ und wird vom Führer zum ›Landesgruppenleiter Schweiz der NSDAP‹ ernannt«8. Sein Treuebekenntnis »Ich liebe auf der Welt am meisten meine Frau und meine Mutter. Wenn mein Führer mir befähle, sie zu töten, würde ich ihm gehorchen« (S. 10) ist bezeugt; es »stand im Reichsdeutschen, der Parteizeitung für die Deutschen in der Schweiz«9.
Wilhelm Gustloff wird in seiner Privatwohnung in Davos am 4. Februar 1936 von dem Medizinstudenten David Frankfurter erschossen. Die Nationalsozialisten organisieren seine Überführung nach Deutschland wie auch die Trauerfeier in Schwerin und Stilisierung zum »Blutzeugen«stilisieren ihn zum »Blutzeugen der Bewegung« (S. 14). Sie setzen ihm in Schwerin ein Denkmal, benennen Straßen und Plätze nach ihm und taufen das von der »Deutschen Arbeitsfront« in Auftrag gegebene KdF-Schiff auf »den jüngsten Blutzeugen der Bewegung« (S. 41), Wilhelm Gustloff.
David Frankfurter
David Frankfurter wird »1909 in der serbischen Stadt Daruvar als Sohn eines Rabbiners geboren« (S. 15). Er ist von Geburt an krank, leidet an einem Knochentumor und wird sechsjährig zum ersten Mal operiert: »Die Ärzte geben ihm keine lange Lebenserwartung. Seiner Neigung entsprechend, beginnt er 1929 das Studium der Medizin in Wien, geht dann später nach Leipzig, Berlin und Frankfurt.«10 JudenverfolgungIn Frankfurt sieht er, »wie die Bücher jüdischer Autoren verbrannt« werden, wie man seinen Onkel, einen Rabbiner, mit dem Ruf »Jude, hepp, hepp« verhöhnt und wie sein Arbeitsplatz im Labor mit einem »Davidstern« gekennzeichnet wird (S. 16).
Er flieht in die Schweiz, setzt dort das Studium fort und verfällt in eine Depression, durch die »der Gedanke an Mord statt SelbstmordSelbstmord« (S. 17) in ihm aufkommt. Ein medizinisches Gutachten erklärt später, dass der Selbsterhaltungstrieb ihn vor der Selbsttötung bewahrt habe, dass dieser Trieb »die Kugel […] auf ein anderes Opfer abgelenkt« (S. 17) habe. Dieses Opfer ist Wilhelm Gustloff.
Der Prozess, der »weit über die Schweiz und Deutschland hinaus Beachtung findet«11, beginnt am 9. Dezember 1936 in Chur und endet am 14. Dezember. Frankfurter wird des Mordes schuldig gesprochen und zu 18 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, am 1. Juni 1945, wird einem Gnadengesuch entsprochen. Sofort nach seiner Entlassung beschließt Frankfurter, »nach Palästina auszureisen, hoffend auf ein zukünftiges Israel« (S. 159).
Alexander Marinesko
Alexander Marinesko wird 1913 »in der Hafenstadt Odessa, am Schwarzen Meer gelegen« (S. 13), geboren. »Seine Mutter stammte aus der Ukraine. Der Vater war Rumäne« (S. 13). In Odessa erlebt »der siebenjährige Alexander« (S. 14), wie sich die Bolschewiken, auch die »Roten« genannt, gegenüber den Menschewiken, den »Weißen«, durchsetzen. In einem Bürgerkrieg besiegen die radikalen Roten, die sich unter Lenin zur »Kommunistischen Partei der Sowjetunion« zusammengeschlossen haben, die innenpolitischen Gegner, aber auch den »Rest der britischen und französischen Interventionsarmeen« (S. 14).
Marinesko wird »Mitglied der Jugendorganisation Komsomol« (S. 23), dann Schiffsmaat bei der Handelsmarine, wechselt über zur Kriegsmarine, wird zum U-Boot-KommandantU-Boot-Fahrer ausgebildet und zunächst »als Navigationsoffizier einem U-Boot zugeteilt, dem Sch 306 Pische« (S. 24); später – in der Stalin-Ära – wird er »Kommandant eines U-Bootes« (S. 53), nimmt an Übungen »für den Ernstfall« (S. 72) teil und bekommt endlich als »Kapitän 3. Grades ein neues Boot unterstellt« (S. 87), von dem aus er die Gustloff torpedieren und versenken wird.
Nicht nur durch seinen Ehrgeiz, sondern auch durch seine Vorliebe für Wodka und seine gelegentlichen Bordellbesuche ist Marinesko charakterisiert. Degradierung statt RuhmEr glaubte, große Ehrungen erwarten zu können, als er nach der Zerstörung der Gustloff und eines weiteren Transportschiffs den Heimathafen ansteuerte. Doch »Marinesko wurde weder als ›Held der Sowjetunion‹ ausgezeichnet, noch erhielt er den Lenin-Orden«12. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird er zunächst degradiert, dann »aus der sowjetischen Marine entlassen« (S. 168), schließlich in ein Straflager nach Sibirien eingewiesen. Erst nach Stalins Tod wird er rehabilitiert (S. 169).