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Eine Frage der Energie

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Die Sonne liefert rund 105 Terawatt Energie auf der Tagesseite der Erde - das ist 10.000mal mehr, als unsere Zivilisation benötigt. Etwa 103 Terawatt gehen in die globale Windzirkulation und 6 Terawatt in den weltweiten Wasserkreislauf. Von den 1,56 Trillionen kWh, die von der Sonne auf die Erde kommen, strahlt diese etwa 64 % als Wärme wieder ab; erzeugen wir zusätzlich Energie, steigt die Erdtemperatur. Erlauben wir uns einen Anstieg um 1º C, dürfen wir maximal 13 Billiarden kWh zusätzliche Wärme erzeugen. Sollte sich die Weltbevölkerung im Jahr 2100 bei 8,5 Milliarden stabilisieren, ergäbe sich ein Primärbedarf von 745 Billionen kWh (thermisch). Würde man den Weltenergiebedarf elektrisch decken, würde sich dieser Bedarf auf 510 Billionen kWh (elektrisch) verringern, weil sich elektrische Energie fast verlustfrei verwenden lässt. Würde man 15% der Sonneneinstrahlung in elektrische Energie umwandeln, könnte eine Fläche von 530 x 530 km für diese Leistung ausreichen. Mit schnellen Brutreaktoren ließe sich die verfügbare Nuklearenergie von 900 Billionen kWh auf 450000 Billionen kWh verfünfhundertfachen. Die Deuterium-Tritium-Fusion könnte wegen der begrenzten Lithium-Vorräte nur 150.000 Billionen kWh liefern, d.h. nur 200 Jahre lang den Bedarf decken. Erst durch die schwierigere Deuterium-Deuterium-Fusion ließe sich eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle anzapfen. Die irdische Energieproduktion muss stark ansteigen, um den Entwicklungsländern einen mit den Industrieländern vergleichbar hohen Lebensstandard zu ermöglichen. Lokalen thermischen Belastungen muss durch sorgfältige Verteilung der Kraftwerke vorgebeugt werden. Energie muss noch mehr und besser ausgenutzt und eingespart werden, etwa durch erhöhte Wirkungsgrade. Ob die Kernkraft trotz Tschernobyl und Fukushima weiterhin noch als Brückentechnologie verwendet werden wird, kann nur die Zukunft zeigen. Andererseits empfiehlt es sich, sie so lange wie möglich weiterzuverwenden, auch wegen der Umweltverschmutzung durch fossile Brennstoffe und weil Erdölprodukte für den Verkehr und die chemische Industrie als Rohstoff unverzichtbar sind. Trotzdem viele Menschen zum Beispiel durch Tschernobyl nuklear geschädigt wurde, sterben sehr viel mehr Menschen durch Luftverschmutzungen. Weiterhin wäre es unverantwortlich gegenüber der Zukunft, die Fusionsforschung nicht voranzutreiben, auch wenn der kommerzielle Einsatz noch mehrere Jahrzehnte dauern sollte. Im Jahr 2000 betrug die überschüssige Wärme, die von Kraftwerken, Gebäuden usw. abgegeben wurde, nur den tausendstel Teil der Wärme, die die Erde von der Sonne erreicht; doch in weiteren 100 Jahren könnte sich die Temperatur der Erde zusätzlich zum Treibhauseffekt noch durch diese Abwärme merklich erhöhen. Somit ist auf der Erde im Gegensatz zum Weltraum als unendliche Wärmesenke keine unbegrenzte Energiezunahme mehr möglich. Infolgedessen müssen Industrie und Kraftwerke in den Weltraum verlagert werden; weiterhin muss der irdische Energieverbrauch wegen Abwärme und Treibhauseffekt "gedeckelt" werden - und damit ist auch der Bevölkerungszahl der Erde - außer aus Platzmangel - eine weitere Obergrenze gesetzt. Selbst wenn sich eine unerschöpfliche Energiequelle finden ließe, wäre ein unbegrenzter Energieverbrauch wegen der Abwärme nicht zu realisieren - jedenfalls nicht auf der Erde, allenfalls im Weltraum (verdammte Thermodynamik, verdammte Entropie). Das hypsithermale Limit, also die planetarische Hitzetoleranz, beträgt für die Erde zwischen 100 und 1000 kW pro Person, abhängig vom Treibhauseffekt und der Sonneneinstrahlung. Seit Anfang der 1980er verdoppelt sich der Energieverbrauch etwa alle 10 Jahre - doch selbst mit einer unerschöpflichen Energiequelle wäre sehr schnell ein Stadium erreicht, in dem mehr Abwärme in die Atmosphäre gelangt als in den Weltraum abgestrahlt werden könnte. Sollte sich der Energieverbrauch auch in Zukunft alle 10 Jahre verdoppeln, würde man um 2080 herum 1024mal so viel Energie verbraucht haben wie im Jahr 2000. Um 2100 wäre die Erde dann ein heißer, eisfreier Planet wie die Venus. Doch damit die Erdtemperatur im Gleichgewicht bleibt, muss genau so viel Wärme in den Weltraum abgestrahlt werden wie wir umsetzen. Eine Zeitlang ließe sich die Albedo erhöhen; weiße Polarkappen sind zur Zeit die wirksamsten Abstrahlflächen. Denkbar wären zwar große weiße Flächen auf den Ozeanen, doch früher oder später wird eine Grenze erreicht. Aus Platzmangel, Treibhauseffekt, Abwärme usw. ergeben sich also Wachstumsgrenzen für planetare Zivilisationen, die nur durch eine Auswanderung in das Weltall überwunden werden kann. Lässt das Bevölkerungswachstum etwa durch Aussiedlung nach, stabilisiert sich der Energieverbrauch. Ein zweiter Ausweg wären Energiequellen, die den Treibhauseffekt nicht verstärken und auch keine Abwärme abgeben: fossile Brennstoffe machen beides und Atomkraftwerke geben immer noch Abwärme frei. Auf und außerhalb der Erde gibt es viele, auf Sonnenwärme basierende Energiesysteme: das Sonnenlicht, die Fotosynthese, Wind und Wellen. Gezeiten und geothermische Energie sind weitere, bei deren Nutzung keine Zusatzwärme frei wird. Diese drei Hauptquellen der "freien Energie" sind Energiequellen, die sich immer wieder selbst erneuern und werden deshalb auch als "invariante Energiesysteme" bezeichnet. Die Gezeiten in den Ozeanen entstehen aus der kinetischen und potenziellen Energie des Erde-Mond-Systems, also aus der Schwerkraft und machen 0,002% des gesamten Erdenergiepotenzials aus. Die geothermische Energie aus dem heißen Erdinneren, die bei heißen Quellen und Vulkanen frei wird, trägt zu 0,02% zur irdischen Gesamtenergie bei. Über die Sonneneinstrahlung werden 1,73 x 1,73 x 1017W von der Erde aufgefangen; das sind über 99,98% des gesamten Erdenergiepotenzials. Von diesen werden 30% als Kurzwellen in den Weltraum reflektiert, 47% von den Ozeanen, den Landmassen und der Atmosphäre absorbiert und in Wärme umgewandelt, die die Erde auf ziemlich konstante Temperatur hält. Die restliche Energie wird bei der Wasserverdunstung verbraucht sowie für Winde, Wellen, Strömungen und die pflanzliche Fotosynthese. Sterben Pflanzen ab, wird die für die Fotosynthese aufgenommene Energie wieder frei; ein Bruchteil davon als fossile Brennstoffe. Gezeiten und geothermische Energie sind nur lokal relevant; sie reichen nicht aus, um den menschlichen Energiebedarf zu decken. Die Summe der Gezeitenenergie würde den Energiemangel nur mildern, während die ökologischen Schäden wie zum Beispiel Lebensraumvernichtung etwa durch entsprechende Umbauten ungleich höher wären. Die geothermische Energie ist nur vereinzelt nutzbar und Vulkanausbrüche würden entsprechende Kraftwerke zerstören. Außerdem verursacht der hohe Mineralgehalt von Wasser aus unterirdischen Quellen Korrosionsprobleme. Alkohol als Ersatz für fossile Brennstoffe hat den Nachteil, dass diese Pflanzen zwar Treibstoff produzieren, aber nicht mehr als Nahrung bereitstehen. Es wäre besser, Sonnenenergie aus unfruchtbaren Gebieten wie Wüsten, Ozeanen oder den Polkappen zu beziehen, idealerweise aus Gebieten bis zu 30º oberhalb und unterhalb des Äquators, weil die Sonneneinstrahlung dort nahezu senkrecht ist. Weiterhin ließe sich der Wirkungsgrad durch technologische Fortschritte von 14% auf 25% und mehr hochschrauben. Die Sonnenenergie heizt oberflächennahes Meereswasser auf; die Wärmedifferenz zwischen hohen und tiefen Schichten ließe sich zur Energiegewinnung nutzen. Meeresströmungen wie zum Beispiel der Golfstrom, die ebenfalls von der Sonne angetrieben werden, könnte man durch Unterwasserturbinen anzapfen. Selbst der Wasserkreislauf wird in Form von Stauseen zur hydroelektrischen Energiequelle. Allgemein ist das Problem regenerativer Energiequellen jedoch ihre Großflächigkeit oder anders ausgedrückt, ihre mangelnde Konzentration. Für ein 1-Gigawatt-Sonnen-Kraftwerk wären zum Beispiel 20 bis 70 km² Fläche nötig. Sonnenenergie wird hauptsächlich aus politischen Gründen noch nicht in großem Maßstab genutzt. (Das Projekt "Desertec" ist leider "im Sand verlaufen".) Schwankungen bei invarianten Energiesystemen müssen außerdem durch Energiespeichersysteme ausgeglichen werden. Um nun die Biosphäre zu erhalten, müssen regenerative Energiequellen beziehungsweise "invariante Energiesysteme" sparsam genutzt und/oder die Schwerindustrie in den Weltraum verlagert werden. Der Weltenergiebedarf an Primärleistung für elektrischen Strom, Wärme, Verkehr usw. beträgt gegenwärtig rund 12 Terawatt; dieser wird mit der zunehmenden Industrialisierung der "3.Welt" und Zunahme der Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten noch steigen. 85% des Energiebedarfs werden durch fossile Brennstoffe gedeckt, die dabei freigesetzten Treibhausgasemissionen schädigen das Klima. Außerdem sind in den nächsten 100 bis 200 Jahren die Vorräte an Kohle, Gas und Öl mit hoher Wahrscheinlichkeit erschöpft. Die Nutzung langfristiger irdischer Alternativen wie zum Beispiel regenerative Energien, also Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie ist von wirtschaftlich-politischen Faktoren abhängig und bis zur kontrollierten und wirtschaftlichen Kernfusion wird es noch einige Jahrzehnte dauern. Prinzipiell könnte die ganze Erde durch einen geeigneten Energiemix nachhaltig und zeitlich unbegrenzt versorgt werden. Die technischen Herausforderungen bestehen in der effektiven Energieumwandlung - hauptsächlich in Strom und in ihrer Speicherung, etwa in kühlfreien supraleitenden Spulen und auch in Wasserstoff über die Elektrolyse von Wasser. Ein hochtechnologisches Projekt zur Energiegewinnung wäre folgendes: das Abschmelzen der 2 km bis 3 km hohen Grönlandeiskappen könnte hydroelektrische Anlagen mit rund 200 Gigawatt möglich machen, was 200 großen Atomkraftwerken entspräche. Außerdem ließe sich das Gletschereis als Material für Dämme und Kanäle benutzen. Nach einem anderen ehrgeizigen Vorschlag würde der Niger durch die Sahara unter dem Mittelmeer hindurch über die Alpen nach Deutschland umgelenkt, wo das warme Wasser nutzbringend verwendet wird. Probleme der Energieerzeugung hängen eng mit Problemen der Energieübertragung zusammen, denn wird diese ineffizient verteilt, etwa durch hohe Übertragungsverluste, nützt auch die beste Energiequelle nicht viel. Werden große Mengen elektrischer Energie in der australischen Wüste oder im Golfstrom erzeugt, braucht man effiziente Methoden einer internationalen Energieverteilung, zum Beispiel eine kabellose Übertragung mittels Laser oder Höchstfrequenz. Oder die Energie müsste gespeichert werden und in chemischer Form - etwa als Wasserstoff - transportiert werden. Der Bau globaler und orbitaler Energienetze ist sowohl von Konzernen und Banken, aber auch von Ingenieuren abhängig, jedenfalls bis es ausgereifte Nanotechnologie gibt.

Raumfahrt - wohin und wozu

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