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6. Dezember: Die neue Decke (J&E)

Oh, was ist das?

Jenny zieht etwas aus dem Sack, in dem immer die Sachen für mich sind. Ich habe ihn gestern direkt erkannt, als mein Frauchen ihn im Keller aus dem Koffer geholt hat. Der Beutel selbst riecht schon richtig gut. Nach Pansen und Kaustangen und Schweineohren und allen anderen Sachen, die ich im Laufe der Jahre bekommen habe. Aber das, was Jenny da hervorzieht, ist definitiv nichts zum Fressen.

Eher etwas zum Einkuscheln. Oder Draufliegen. Zum Einrollen und gemütlich Schlafen.

Jenny legt es vor mich hin, und ich schnuppere interessiert daran. Es riecht neu, nach Fabrik und Plastikverpackung, die aber schon eine Weile weg sein muss, denn ich rieche auch mehrere Menschenhände. Aber nur schwach.

„Ist das nicht die gleiche Decke, die wir schon haben?“, fragt Jenny ihre Mutter.

Ich wage mich auf mein Geschenk, drehe mich im Kreis, lasse mich fallen und schaue mein Frauchen an. Sie lächelt mir zu. Genauso freundlich hat sie mich auch angeschaut, als ich gewagt habe, meine Augen aufzumachen, und ich sie dann im Scheinwerferlicht das erste Mal gesehen habe. Das ist schon lang her. Ganz lang. Damals war Jenny noch so klein, dass wir zusammen durch das Haus gekrabbelt sind. Inzwischen fährt sie morgens immer mit ihrer Freundin mit dem Fahrrad los und ist dann ganz lange weg. Ihre Tasche, die sie dabei mitnimmt, ist groß und scheint auch schwer zu sein, und Jenny riecht nach ganz vielen Menschen, nach Arbeit und manchmal auch nach Stress. Aber mich begrüßt sie trotzdem immer, sobald sie wiederkommt, und streichelt mir über den Kopf. Zumindest dann, wenn ich ihre Ankunft nicht verschlafe. Das kommt in letzter Zeit leider häufiger vor. Ich brauche nämlich viel Schlaf, viel mehr als früher. Und dann bekomme ich nicht immer mit, wenn mein Frauchen vom Schreibtisch aufsteht, um Jenny hereinzulassen.

„Ja, du hast recht, es ist die Decke“, bestätigt mein Frauchen. „Oder zumindest fast. Genau die gleichen Farben gab es nicht mehr. Bei der alten Decke war, glaube ich, das Grau früher ein bisschen heller.“

Jenny lacht. „Das weißt du noch? Ich erkenn da nichts mehr.“

Stimmt, meine Decke ist wirklich schon ziemlich alt und durchgelegen. Und sie wurde oft gewaschen. Zum Beispiel dann, wenn ich mal wieder Frauchen entwischt war und mein matschiges Fell auf meinem Schlafplatz trockengerieben hatte. Geschimpft hat sie nie. Nur den Kopf geschüttelt und gesagt, dass sie mal wieder nicht aufgepasst hätte. Zugegeben: Meistens habe ich schon brav an der Tür gewartet. Aber wenn sie abgelenkt war, dann konnte es schon mal passieren, dass ich zu meinem Platz gestürmt bin.

Ach, das waren noch Zeiten, als ich in meinen Beinen noch viel Kraft hatte. Manchmal vergesse ich es und mache beim Spaziergang einen großen Satz über eine Pfütze. Puh, da muss ich danach dann ganz schön kämpfen, dass ich vor lauter Schwung nicht umfalle. Aber noch schlimmer ist, dass ich nicht mehr so gut höre. Früher wusste ich immer genau, wo sich mein Frauchen aufhielt. Aber jetzt? Jetzt weiß ich es oft nicht. Manchmal steht sie plötzlich neben mir, und ich habe keine Ahnung, von wo sie gekommen ist. Zum Glück hat sie mein Problem aber inzwischen verstanden und nimmt mich immer mit, wenn sie in ein anderes Stockwerk geht.

Ich glaube, die neue Decke gefällt mir. Sie ist viel weicher als mein bisheriger Schlafplatz. Und dass ich darauf eine leckere Stange bekomme, die Jenny auch noch aus dem Beutel gezogen hat, ist natürlich auch nicht zu verachten. Wie gut, dass Jenny gesagt hat, dass sie noch nicht zu groß dafür ist, ihre Stiefel zu putzen und hinzustellen. Sonst hätte ich heute Morgen wahrscheinlich auch nichts bekommen. Das wäre schade gewesen, denn wenn geputzte Stiefel im Wohnzimmer stehen, gibt es immer etwas besonders Tolles. Das weiß ich noch aus den letzten Jahren. Jenny sieht auch ganz glücklich aus, wie sie da in ihren Stiefeln kramt und es dabei raschelt.

Ich glaube, ich bleibe einfach erst einmal hier liegen. Von hier aus habe ich alles im Blick. Und wenn ich müde bin, kann ich einfach die Augen schließen und von meinem Leben träumen. Das gefällt mir nämlich eigentlich ganz gut. Das hätte ich nicht gedacht, damals, als ich mit eiskalten Pfoten im Freien hockte und wartete und hoffte und wartete.

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