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Countdown in Loyada. Februar 1976

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Nous sommes les hommes des troupes d’assaut.

Soldats de la vieille Légion.

Demain brandissant nos drapeaux.

En vainqueurs nous défilerons.

Nous n'avons pas seulement des armes.

Mais le diable marche avec nous,

ha , ha , ha , ha , ha , ha , ha , car nos aines de la Légion ,

Se battant là-bas, nous emboîtons le pas.

Wir sind Männer der Sturmtruppen.

Soldaten der alten Legion.

Morgen schwingen unsere Fahnen.

Wir werden als Gewinner marschieren.

Wir haben nicht nur unsere Waffen.

Denn auch der Teufel marschiert mit uns.

Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, denn unsere Vorgänger kämpfen dort.

Wir folgen Ihren Spuren.

La Légion marche - Lied des 2. REP

In der gesamten Region am Horn von Afrika war der Teufel los. Es war noch nicht mal zwei Jahre her, dass im benachbarten Äthiopien Mengistu Haile Mariam den wiedergekehrten Messias und Kaiser Haile Selassie gestürzt und seinen Leichnam unter einer Toilette hatte einmauern lassen. In Eritrea und Ogaden tobten grausame Abspaltungskriege. Im heutigen Dschibuti sympathisierte das Afarvolk, auch Danakil genannt, mit Frankreich und mit Äthiopien, während die Issa, ein Clan der Somali, ihre Seelen an Somalia verkauften. Die militanten Somalier hatten es schon immer auf das kleine Land der Hirten, der Milch und der Schafe abgesehen. Das nicht zuletzt auch wegen des strategisch optimal gelegenen Hafens. In Dschibuti Stadt patrouillierten zu dieser Zeit Legionäre der dreizehnten Halbbrigade und der zweiten Kompanie des 2. REP. Letztere waren seit Ende November in dem Land, das Frankreich bisher noch nicht in die Unabhängigkeit entlassen hatte. Man suchte nach Waffenverstecken und nach Militanten einer Rebellen-Organisation. Eben aus diesem Grund wurde auch Balbala, ein Slumviertel zu Füßen des Leuchtturms Farah Had, periodisch von Dschibutis Armee mit Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht. Fremdenlegionäre standen Gewehr bei Fuß bereit, um dieses Stadtviertel auf der Suche nach Terroristen zu durchkämmen. Balbala war ein Ort, an dem selbst der Teufel nicht begraben werden möchte. Hier lebten Zehntausende von Menschen dicht an dicht zusammengepfercht in Hütten aus Wellblech und aus Karton und inmitten von Schmutz, Müll, stinkenden Abwässern und übel riechenden Fäkalien. Von hier aus wehte der unheilvolle Wind der Rebellion der Front de libération de la Côte des Somalis (FLCS). Diese radikale Gruppe hatte ihr Hauptquartier in Mogadischu. Ihr erklärtes Ziel? Die sofortige Unabhängigkeit für Dschibuti oder dessen Integration in einen großen Somalia-Staat. Und die Freilassung aller inhaftierten Partisanen. Am 3. Februar 1976 brachten vier mit Handgranaten, Sterling-MPs und Sturmgewehren-44 bewaffnete Terroristen der FLCS gewaltsam einen Bus unter ihre Kontrolle. Es war ein Schulbus mit insgesamt zweiunddreißig Insassen an Bord. Darunter einunddreißig Kinder von französischen, in Dschibuti stationierten Militärs sowie der Fahrer, Jean-Michel Dupont, ein junger wehrpflichtiger Soldat. Das Ganze geschah kurz nach 7 Uhr unweit der Luftwaffenbasis 188 „Colonel Émile Massart“. Mit den sechs- bis zwölfjährigen Kindern als Geiseln machten sich die Rebellen Richtung somalische Grenze, kaum zwanzig Kilometer weiter entfernt, auf. Unterwegs stießen sie auf einen Checkpoint der Gendarmerie. Die Stadt Dschibuti war zu der Zeit eine einzige Festung. Um diese herum befanden sich an allen aus der Stadt führenden Straßen massive, sperrige Checkpoints. Jeder einzelne bestand aus mehreren Reihen Stacheldraht links und rechts der Passage, sowie aus einer beweglichen Barriere in der Mitte. Unmittelbar daneben, am Straßenrand, waren Wachhäuser, in denen bewaffnete Gendarmen ihren Dienst taten. Genau auf einen solchen Posten, der die Straße Richtung Arta, einem vierzig Kilometer von hier entfernten Bergdorf, kontrollierte, raste der Bus mit voller Geschwindigkeit zu. Einer der Terroristen hielt dem Fahrer die Kanone seiner MP-44 in den Nacken.

»Wir sind uns beide einig, dass du nicht anhältst?«

»Was soll ich tun?«

»Fahr einfach weiter, ramm diese verdammte Barriere.«

»Auch wenn sie auf uns feuern?«, fragte der Fahrer.

Der Druck in seinem Nacken verstärkte sich.

»Du hast die Wahl. Entweder du tust, was ich sage, oder ich puste dir das Hirn aus deinem Schädel.«

Jean-Michel Dupont war ein mutiger junger Mann. Doch auch er wollte nicht sterben. Nicht an diesem Tag, nicht in Dschibuti. Nur einige Sekunden später rammte sein Bus die Barriere mit voller Wucht. Auf Sichtweite daneben standen Legionäre, die sich auf einen Einsatz in Balbala vorbereiteten. Die Rebellen eröffneten sofort das Feuer auf sie. Der Bus jedoch raste im Höchsttempo weiter und bog dann ab, zunächst in Richtung Doraleh. Von dort aus jagte er mit unvermindertem Tempo nach Osten, hin zur Grenze nach Somalia. Der Grenzposten war derweil bereits alarmiert worden. Die Gendarmen, es waren sieben Mann, zwei Franzosen und vier Afrikaner, hatten über Funk den Befehl erhalten, den Bus zu stoppen. Um das zu bewerkstelligen, stellten sie ihren Geländewagen quer über die Straße. Es war ein bulliges Allradfahrzeug. Der Bus musste anhalten, und genauso geschah es.

Die Lage war ernst. General Brasart, Oberbefehlshaber der in Dschibuti stationierten Truppen, alarmierte noch in der gleichen Stunde alle Einheiten, darunter die dreizehnte Halbbrigade und die zweite Kompanie des 2. REP, die sich auf einer sogenannten compagnie tournante am Horn Afrikas befand. Brasart wusste, was er mit den Paras Legion für einen Joker parat hatte. Er war selbst ein alter Fallschirmjäger. Als solcher hatte er 1945 Kommandoaktionen in Laos angeführt und war dabei mehrmals schwer verwundet worden.

Nachdem die Paras Legion von der Situation unterrichtet waren, verlegte eine Gruppe Legionäre unter dem Befehl von Capitaine Soubirou sofort mit einem Puma Hubschrauber nach Loyada, dem Dorf in der Nähe des Grenzpostens. Sie umzingelten den entführten Bus so diskret wie nur möglich. Hier erfuhr der Offizier von den Forderungen der Kidnapper. Frankreich, und das wusste Soubirou, ist bislang nur selten auf Forderungen von Terroristen eingegangen, und das Signal, das aus Paris kam, sprach eine allzu deutliche Sprache: Es stand außer Frage, dass der Bus mit den Kindern an Bord die Grenze nach Somalia überschritt! Dass die Situation ganz im Argen lag, stellte sich in dem Moment heraus, in dem die Soldaten Truppenbewegungen auf der anderen Seite der Grenze ausmachten. Mit einem herkömmlichen „coup de force“, da waren sich alle Verantwortlichen einig, konnte mehr Schaden angerichtet werden, als gut war, doch alle diplomatischen Varianten waren ausgespielt. Verhandlungen mit den Geiselnehmern, die fast den ganzen Morgen andauerten, brachten nicht den gewünschten Erfolg.

Im Élysée-Palast in Paris überlegte man lange Zeit, welche Optionen es gab, den Terroristen zu begegnen. Giscard d'Estaing, Frankreichs Staatspräsident, hörte seelenruhig allen Beratern zu und traf dann spontan eine Entscheidung. Seine Wahl fiel auf eine bis dato fast unbekannte Polizeieinheit: die GIGN! Man konnte die Einheit in etwa mit der deutschen GSG-9 vergleichen. Leutnant Christian Prouteau, der Chef dieser exzellenten Truppe, hatte seine Männer unter den besten Anwärtern ausgesucht, die Frankreich zu bieten hatte. Vor allem ihre Schießtechnik revolutionierte und überzeugte die Welt der Spezialeinheiten restlos. Die „Super-Cops“ trafen mit ihren Repetier-Scharfschützengewehren auch auf größere Distanz ganz frech ins Schwarze. Unterdessen war die Zahl der Terroristen tatsächlich angestiegen. Es waren nun fünf bewaffnete Männer im Bus. Somalische Grenzsoldaten erschienen und legten sich jenseits der Grenze auf die Lauer. Doch auch diesseits rückte Verstärkung an. Ein Aufklärungs- Escadron der dreizehnten Halbbrigade der Legion brachte ihre Panzerwagen, die automitrailleuse légère, kurz AML, in Stellung, doch dabei blieb es nicht. Sollte die Lage total eskalieren und die somalische Armee mit „schwerem Material“ anrücken oder gar eine Grenzverletzung in Betracht ziehen, dann mussten ebensolche Kaliber bereitstehen. Es war also nur ganz normal, dass am Einsatz auch ein Escadron des 5. RIAOM teilnahm. Ihre Kampfpanzer vom Typ AMX-13 besetzten fast lautlos Stellungen in etwa tausend Metern Entfernung zur Grenze. Dort harrten sie der Dinge. Bevor die Nacht fiel, wurde Jehanne Bru, eine Sozialarbeiterin, die alle Kinder im Bus sehr gut kannte, benachrichtigt. Sie sollte den Jungen und Mädchen beistehen. Die Terroristen gaben ihr grünes Licht. Capitaine Soubirou hatte ihr geraten, die Kinder im Bus in Deckung zu bringen, sollte auch nur ein einziger Schuss fallen. »Hinlegen. Am besten Gesicht nach unten, die Hände im Genick verschränkt. Bringen Sie das hin?« Jehanne gefiel dieser hochgewachsenene Offizier. Endlich mal einer, dachte sie, der direkt sagt, um was es geht. »Muss ich wohl!« Obwohl sie vor Angst am liebsten laut geschrien hätte, lächelte sie tapfer und bestieg das Fahrzeug, das sie zum Bus brachte.

»Mut hat sie!« Von seinem Beobachtungsposten aus sah Sergent-chef Jorand, ein alter Hase unter den Paras Legion, wie Jehanne Bru resolut den Bus bestieg. Er kannte nicht viele Frauen, denen er das zugetraut hätte. Jehanne war nun ein Faustpfand mehr für die Banditen. Jorand sollte beim Sturm auf den Grenzposten einen Halbzug anführen. Natürlich war auch ihm nicht ganz wohl bei dem Gedanken an die Kinder und die Frau im Bus, aber eines wusste er sehr genau. Es gab keine Soldaten auf der Welt, mit denen er lieber hier wäre als mit seinen Legionären. In Calvi hatten sie eine sehr harte Ausbildung erfahren. Sicher, sie konnten die Soldaten aller anderen Armeen gnadenlos unter den Tisch saufen. Sicher war aber auch, dass sie mit einem Sack auf dem Rücken alle anderen in Grund und Boden marschieren und es im Gefecht mit jedem Gegner aufnehmen konnten. Er vertraute ihnen blind. Mitten in der Nacht trafen die neun Männer der GIGN in Dschibuti ein. Ein Jeep und ein VLRA, beide fuhren mit Blackout Tarnlicht, brachten sie direkt zu einer Lageeinweisung unweit des Einsatzortes. Im olivgrünen, nach außen gut abgedunkelten OPS-Zelt herrschte eine gespannte Atmosphäre. Dazu war es stickig heiß und es roch nach Tabakqualm und Schweiß. Die Einweisung erfolgte im Beisein aller Offiziere der an der Operation teilnehmenden Einheiten. Als die kleine GIGN-Truppe hinter Leutnant Prouteau das Zelt betrat, bedachte man sie mit missmutigen Blicken. Prouteau und seine Männer hatten etwas längere Haare und sie trugen verdreckte Kampfuniformen. Ihr Fahrzeug war unterwegs im Schlamm stecken geblieben und sie hatten es bei völliger Dunkelheit mit vereinten Kräften herausziehen müssen. Prouteau trug Brille. Das ging gar nicht. Bei den meisten Soldaten war sie verpönt. Wer eine aufhatte, war höchstens eines: untauglich und geeignet für die Ausmusterung! In den Augen der anwesenden Militärs war diese GIGN ein Haufen Hippies. Das zumindest konnte man den Blicken entnehmen, die sie der Gruppe zuwarfen. Als der General seine Einweisung beendet hatte, wandte er sich an Leutnant Prouteau.

»Wie wollen Sie vorgehen?« Seine Stimme klang aggressiv. Er hatte das Détachement einer modernen und schlagkräftigen Eliteeinheit erwartet, doch nicht eine Bande Lustig, wie man im Legions-Militärjargon Menschen nannte, die man nicht ernst nahm. Und genau so eine stand seiner Meinung nach gerade vor ihm.

Prouteau, der etwas Zeit gehabt hatte, sich im Gelände umzusehen, schien sich seiner Sache sicher. »Wenn alles so läuft, wie ich es mir erhoffe, dann kommen meine Männer bis auf etwa 200 Meter ungesehen an den Bus ran, möglicherweise näher. Und zwar genau bis hierher.«

Er wies mit seinem Finger auf eine Karte, die hinter General Brasart an der Pinnwand hing.

»Auf diese Entfernung treffen wir die Köpfe der Banditen. Fünf Terroristen, das macht fünf Schüsse, vielleicht sechs, mal sehen. Das Signal zur Feuereröffnung gebe ich. Niemand anders!«

Einer der Offiziere lachte. Der General glaubte, sich verhört zu haben. Er riss die Augen weit auf. Noch nie hatte ein einfacher Leutnant so unverschämt offen mit ihm gesprochen, aber: Noch nie allerdings hatte er von so einem verwegenen Plan gehört.

»Sie vergessen«, sagte er aufgebracht, »dass das hier kein Alleingang der GIGN ist. Und was den Befehl zur Feuereröffnung angeht, der kommt, wenn schon, dann aus Paris. Ich gebe ihn dann an Sie weiter, und Sie führen meine Befehle aus.«

»Meine Schützen«, erwiderte Prouteau gelassen, »melden mir, wenn sie ihr Ziel im Fadenkreuz haben und es bekämpfen können. Und zwar alle gleichzeitig. Wie oft dies der Fall sein wird, darüber will ich nicht mal nachdenken. Vielleicht nie, vielleicht ein-, zwei oder dreimal an einem Tag, und das dann auch nur für eine, zwei oder drei Sekunden. Sobald sich nämlich einer der Terroristen bückt oder sich in allerletzter Sekunde wegdreht oder gar ganz aus dem Blickfeld verschwindet, beginnt das ganze Spiel von vorne.«

Das leuchtete auch dem General ein. Auch wenn er von Zielverteilung, Countdown und Schuss-Code noch nie etwas gehört hatte: Ihm blieb gar keine andere Wahl. Der Präsident hatte die GIGN geschickt. Und damit musste er nun umgehen können.

Der junge Leutnant der GIGN sah hinüber zu Capitaine Soubirou. Das war der einzige anwesende Offizier, der ihn ernst zu nehmen schien. In der Tat, für Soubirou zählte der äußerliche Aspekt wenig. Das Aussehen der Männer war ihm deshalb völlig egal. Für ihn zählten Taten.

»Von dem Augenblick, an dem der erste Schuss fällt, bis zu dem, in dem Ihre Legionäre den Bus erreichen …?«

»Eine Minute«, unterbrach ihn Soubirou. »Wenn es das ist, was Sie wissen wollten. Das ist viel Zeit, ich weiß. Aber es gilt fast zweihundertfünfzig Meter schwieriges Gelände zu überwinden.«

Prouteau nickte anerkennend. Mit Männern wie diesem Capitaine der Fallschirmjäger der Legion, so dachte er, war die Zusammenarbeit kein Problem. Er wusste das zu schätzen.

»Perfekt. Doch was ist, wenn die Grenzsoldaten der Somalis eingreifen?«

»Dann sprechen die Kanonen der AML«, antwortete der General wie aus der Pistole geschossen. Der Plan, den die Chefs ausheckten, war verwegen. Die Scharfschützen der GIGN sollten die Terroristen mit gezielten Schüssen zur Strecke bringen, während in der gleichen Sekunde die Legionäre vorstürmten, mit einem Team in den Bus eindrangen, die Kinder herausholten und aus der Gefahrenzone brachten. Ein Legionärszug „neutralisierte“ den somalischen Grenzposten, ein weiterer die Soldaten, die in einem Palmenhain unmittelbar daneben in Stellung lagen. Die Kanonen der AML Panzerwagen würden die ganze Aktion mit ihrem Feuer decken. Diese Art Vorgehen erforderte eine sachkundige, sekundengenaue Koordination. Leutnant Prouteau kannte die Legionäre nicht, wusste also kaum, wozu diese fähig waren. Umgekehrt verhielt es sich genauso. Für Capitaine Soubirou stellte die GIGN eine große Unbekannte dar. Er selbst hatte in seinen Reihen einige exzellente Scharfschützen, einlenken musste er dennoch. Das 2. REP, auch die Kompanie Soubirou, verfügte zwar über die neuen Scharfschützengewehre FR-F1, diese aber waren in Calvi zu Händen der vierten Kompanie zurückgeblieben. Es handelte sich um wertvolle, brandneue Gewehre. Bedient von einem guten Schützen repräsentierten sie modernste Technik und Effizienz. Aber sie waren in der Testphase und womöglich anfällig. Das Regiment wollte nicht das Risiko eingehen, sie jetzt schon in Afrika einzusetzen. Vor allem nicht in Dschibuti, wo die extreme Hitze gepaart mit der hohen Feuchtigkeit die Kanonen innerhalb weniger Zeit von innen regelrecht zerfraß. Die Scharfschützen der „Roten“ verfügten also nur über die alte MAS 1949-56. Auch wenn diese Waffe haarscharf mit derselben Optik, dem Zielfernrohr APXL-806, ausgestattet war wie auch die nagelneue FR-F1, so ließ die Präzision über die Dreihundert-Meter-Grenze hinaus doch zu wünschen übrig. Das alles wusste Capitaine Soubirou.

General Brasarts Stimme schreckte ihn aus seinen Gedanken hoch.

»An die Arbeit, meine Herren. Viel Erfolg und Gott mit den Kindern!«

»Wie viele Terroristen sind in dem Bus?«

»Vier. Höchstens fünf!«

Leutnant Doucet hatte sich das grüne Barett tief in den Nacken geschoben und beobachtete mit seinem Feldstecher die somalische Grenze. Was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht.

»Wenn die da drüben ernst machen, wird’s zappenduster.«

Soubirou nickte. Jenseits der Grenze tat sich was. Einheiten der regulären somalischen Armee brachten dort ein gut aussortiertes Waffenarsenal in Stellung.

»Da brat mir doch einen ’nen Storch«, sagte Leutnant Andrieu. »Das sind deutsche MG-42. Und die sind auch noch richtig gut platziert.« Sein Zug lag einsatzbereit dreihundert Meter hinter ihm und genoss die Ruhe vor dem Sturm. Auch Soubirou kannte diese MGs, wusste um deren Feuerkraft.

»Ja, les Boches! Wenn sie was herausbringen, dann ist es tipptopp.« Er sah sich im Gelände um, entdeckte jedoch nur eine Stelle, die ihm als Ausgangsbasis für einen Sturm auf den Bus und den Grenzposten geeignet schien.

»Doucet. Links von uns, einhundert. Am Strand, die leeren Tonnen mit dem Stacheldraht.«

»Gesehen.«

»Bringen Sie dort Ihren Zug in Stellung. Maximale Diskretion bei der Annäherung. Die Banditen sollen noch nicht mitbekommen, dass wir hier sind.«

Der Leutnant nickte humorlos.

»Die anderen Sturmgruppen positionieren sich rechts davon. Jorand Mitte, Raoul äußerst rechts. Den Befehl zum Sturm gebe ich, sobald die GIGN loslegt. Für alle aber gilt: Sollte auch nur ein einziger Schuss auf eine der Geiseln abgegeben werden, egal in welcher Phase, gehen wir sofort zum Angriff über.«


Ein FR-F2 der zweiten Kompanie der Paras Legion im Einsatz in Afrika.

Die Zugführer sahen sich an. Was das hieß, wussten sie. Die Legionäre mussten ihre Sturmausgangsstellung robbend erreichen, und es konnte durchaus sein, dass sie die ganze Nacht und den darauf folgenden Tag dort draußen lagen. Nachts war das kein Problem, tagsüber aber knallte die Sonne mit über 50 Grad gnadenlos vom Himmel und die kleinste Bewegung konnte sie verraten.

»Ihre Männer, Raoul, knöpfen sich den somalischen Grenzposten vor. Egal was Ihnen auf dem Weg dorthin um die Ohren fliegt, Sie halten nicht an, bevor Sie das Ziel erreicht und „gereinigt“ haben. Jorand und Doucet attackieren die Palmenreihe und Sie, Andrieu, beziehen auf dem Dach des Grenzpostens der Nomaden hinter uns Position und geben von dort aus Deckungsfeuer.«

»Ich werde hauptsächlich Leuchtspurmunition verschießen«, nickte der Leutnant. »Wäre gut, wenn mir die Züge ihre MGs hierlassen. Die stören eh nur beim Sturm, und wir können sie hier gut gebrauchen. Sobald die Sturmgruppen auf Höhe des Busses sind, muss ich das Feuer wohl aufheben oder nach rechts verlegen. Es wird sonst zu gefährlich.«

»Seh ich genauso, mon lieutenant«, warf Sergent-chef Raoul ein. »Aber trotzdem. Den Sicherheitsabstand zu meinen Männern können Sie getrost auf ein Minimum beschränken.«

Soubirou konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er fand die Rivalität unter seinen Unteroffiziers- und Offiziers-Zugführern amüsant. Zumindest erwies sie sich im Einsatz als recht förderlich, weil jeder versuchte, das Maximum aus der Situation und aus den Soldaten herauszuholen. Es war wie eine Art Wettkampf.

»Grünes Licht, was die MGs betrifft«, sagte er. Und an Leutnant Andrieu gewandt: »Sagen Sie aber Ihren Legionären, sie sollen die einzelnen Feuerstöße so kurz wie möglich halten. Vier, fünf Schuss, keinen einzigen mehr. Bezüglich des Sicherheitsabstandes haben Ihre Männer sicher ein gutes Gespür.« Es war eine Warnung, die der Leutnant sehr wohl verstand. Doucet meldete sich zu Wort.

»Um den Grenzposten zu säubern, werden wir DF-Splitterhandgranaten brauchen. Wer übernimmt?«

Raoul antwortete sofort.

»Ich! Meine Männer sind wohl am nächsten dran. Zwanzig Meter oder so, wenn ich richtig kalkuliere.«

»Gut«, sagte Capitaine Soubirou. »Dann wäre das geklärt. Bis zum Bus sind’s genau zweihundertfünfzig Meter, eventuell etwas weniger. Das ist viel, aber näher kommen wir nicht ran, ohne zu riskieren, gesehen zu werden.«

»Oui, mon Capitaine, das denke ich auch«, warf Doucet vorsichtig ein. »Aber was ist mit den Terroristen im Bus, mit den Kindern?«

»Na endlich einer, der die Frage stellt. Die Männer der GIGN sollen die Terroristen ausschalten. Unser Job ist es, die Kinder dann aus der Gefahrenzone zu holen. Ich denke da an Lemoine und Larkin. Stellen Sie den beiden einen kleinen Sturmtrupp zur Verfügung. Und nun los!«

Doucet und Andrieu sahen sich an. Von einer GIGN hatten sie noch nie gehört.

»Na wenn das mal gut geht«, zischte Andrieu und robbte nach hinten, um seine Befehle zu geben.


Situation am Morgen des 04. Februar 1976.

Bis zum frühen Morgen ergab sich für die Schützen der GIGN dreimal die Gelegenheit, das Feuer gleichzeitig zu eröffnen, doch die Beamten im Élysée hatten dem Einsatz noch nicht zugestimmt. Eine weitere Erschwernis war, dass Paris angeordnet hatte, dass die GIGN erst dann das Feuer eröffnen durfte, wenn sich nur ein einziger Terrorist im Bus befand. Das war absurd. Gegen Mittag, und auf Drängen Prouteaus, änderte Paris seine Meinung jedoch und drängte plötzlich auf ein schnelles Ende.

»Golf India an alle. Wir legen los!«, tönte es blechern aus den Funkgeräten. Das Signal kam von Leutnant Prouteau. Die Paras Legion erstarrten in ihren Positionen. Die Waffen eng am Mann, machten sie sich fertig zum Sprung. Punkt 15 Uhr 45, nur zehn Sekunden nach dem Funkspruch, kam grünes Licht von allen Schützen. Über ein fein ausgeklügeltes Code-System gaben sie per Funk durch, dass sich ihr „Ziel“ im Fadenkreuz befand. Einer sah zwar nur den Kopf seines Opfers, doch das genügte ihm vollauf. Ein weiterer Schütze konnte die Sache gelassener angehen, denn Leutnant Prouteau hatte sein Ziel gedoppelt: Ein Terrorist, zwei Schützen!

»Fahrt alle zur Hölle«, flüsterte Prouteau, zählte den Countdown und gab das vereinbarte Signal. Die sechs Schüsse fielen auf die Sekunde genau, klangen wie ein einziger. Vier Terroristen fielen im Bus, einer außerhalb davon zu Boden.

»Vorwärts«, brüllte Capitaine Soubirou in sein Funkgerät. Wie ein Mann erhoben sich die Legionäre des Leutnants Doucet sowie der Sergent-chefs Raoul und Jorand und stürmten geduckt nach vorne, während die MGs der AML die Stellungen der Somalier mit brutalem Dauerfeuer belegten.

Einer der GIGN Schützen schüttelte ungläubig den Kopf. Er hatte sein „Ziel“, das sich außerhalb des Busses befand, nur ins Bein getroffen. Sofort ließ sich der Terrorist zu Boden fallen und robbte unter den Bus in Deckung, nur um zwei Sekunden später auf der anderen Seite wieder zu erscheinen. Dort erhob er sich und rannte humpelnd, seine MP-44 schussbereit in den Händen, auf die Grenze und in Sicherheit zu. Während der ganzen Zeit behielt ihn der GIGN Schütze im Fadenkreuz. Er wartete ungeduldig auf seine zweite Chance. Und er betete, dass der Terrorist „den“ Fehler beging. Als hätte Gott sein Gebet erhört, hielt der Bandit eine halbe Sekunde in seinem wilden Lauf inne und drehte sich herum.

„Insch Allah“, stieß der GIGN Schütze hervor, nahm Druckpunkt und zog langsam den Abzug durch. Die Kugel wirbelte den Terroristen herum. Er war schon tot, bevor er hart auf dem Wüstensand aufschlug. Die Männer der GIGN luden systematisch nach und nahmen jeden ins Visier, der von Somalia aus auf die Legionäre schoss, die völlig ungedeckt auf die Grenze zuhuschten. Unweit vom somalischen Grenzposten warfen sich die Legionäre in Stellung. Von dem Moment an gingen sie vor, wie ihre Zugführer es ihnen eingebläut hatten. Unentwegt schossen sie auf das dichte Laubwerk des Palmenhains, hinter dem der Feind kaum sichtbar agierte. Hundert Meter rechts von ihnen: gleiches Spiel. Dort waren Raouls Männer am Werke. Ihre Handgranaten krepierten im Sekundentakt im Grenzposten, und das so lange, bis das Feindfeuer schwieg und die plötzlich eintretende Stille Freund und Feind gleichermaßen verblüffte.

Zwei der Terroristen waren noch am Leben, als die Legionäre, Larkin allen voraus, den Bus stürmten. Einer davon, schwer verletzt, hatte noch Zeit, seine Waffe zu heben und sie auf die Geiseln zu richten, bevor Larkin ihm mit seiner MP Mat-49 den Gnadenstoß versetzte. Sergent-chef Jorand, der den Bus mittlerweile von hinten betreten hatte, fand sich dem letzten überlebenden Terroristen gegenüber. Die Kugel eines Scharfschützen der GIGN hatte ihm das halbe Kinn weggerissen, doch er war bei vollem Bewusstsein und hellwach. Als ihre Blicke sich kreuzten, wurde beiden in derselben Sekunde klar, dass nur einer überleben durfte. Alle zwei rissen ihre Waffe im selben Augenblick hoch, der Legionär aber zog als Erster am Abzug. Seit dem Countdown der GIGN waren drei Minuten und fünfzehn Sekunden vergangen. Es war vorbei! Die Aktion war umso bemerkenswerter, als GIGN, Legionäre verschiedener Waffengattungen sowie die Gendarmerie eng zusammengearbeitet hatten. Die Bilanz jedoch war tragisch. Ein Mädchen, Nadine, starb noch vor Ort. Ein zweites Kind, Valérie, wurde schwer verletzt. Sie erlag ihren Verletzungen kurz darauf im Pariser Militärhospital Val-de-Grâce. Fünf andere Kinder sowie der Fahrer und die Sozialarbeiterin stiegen leicht verletzt aus dem Bus. Eines der Kinder verschleppte man nach Somalia. Es wurde später freigelassen. In den Reihen der Legionäre gab es einen Verwundeten. Noch im Feuer der somalischen Grenzsoldaten liegend, musste Leutnant Doucet vom Legionskrankenpfleger, dem Hauptgefreiten Grimberger, im Wüstenstaub verarztet werden. Man sprach zu Recht nicht von einem Erfolg, dafür war der Tod der beiden Mädchen zu tragisch. Für diejenigen, die an der Aktion teilgenommen hatten, war es eine Tragödie. Als solche ging Loyada auch in die Geschichte ein. Leutnant Christian Prouteau und seine erst zwei Jahre zuvor gegründete GIGN wurden jedoch mit einem Schlag berühmt.

Die Fallschirmjäger der Fremdenlegion

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