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Auch in Ekbatana war der Frühling eingekehrt. Als der Bote aus Anschan eintraf, saßen Astyages und Aryenis gerade in ihrem Paradaidha-Garten und genossen die erwachende Natur. Sein Bericht traf beide wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

„Nun ist es also so weit“, stellte Astyages nüchtern fest. „Wir müssen eine Entscheidung treffen!“ – „Ja“, entgegnete Aryenis, „du hast Recht. Eine Möglichkeit wäre, dass wir das Kind hier bei uns aufnehmen und es damit unter Kontrolle haben.“ Aryenis wiegte abwägend den Kopf. „Wir könnten sie aber auch regelmäßig in Anschan besuchen. Dann könnte das Kind bei ihr bleiben und wir könnten die Entwicklung dort auch beobachten.“ Sie schien sich eher für die zweite Möglichkeit erwärmen zu können. Wieder ein kleines Kind dauerhaft im Haus zu haben schien ihr wohl zu anstrengend. „Und wenn sich zeigen sollte, dass sich das Kind tatsächlich als Gefahr für das Reich entpuppt, wie du es in deinem Traum vermutet hast, können wir entsprechend einwirken und diese abwenden. Meinst du nicht auch?“ Aryenis schien begeistert von dieser Idee.

Astyages schaute seine Frau entgeistert an. „Meinst du tatsächlich, damit wäre die Gefahr gebannt? Indem wir sie alle paar Wochen besuchen? Ich kann nicht glauben, dass du das ernst meinst.“ – „Wir können sie auch öfter besuchen, wenn du willst. Und vielleicht jeweils ein paar Tage dort bleiben…“ – „… und in der Zeit die Geschäfte hier in Ekbatana vernachlässigen?“ unterbrach Astyages sie aufgebracht. „Wie stellst du dir das nur vor?! Ich bin der König! Wenn manche Stammesfürsten merken, dass ich häufig für längere Zeit weg bin, planen sie womöglich noch einen Aufstand! Nein, das ist völlig unmöglich!“ Aryenis schaute ihren Mann fragend an. „Und was wäre dann dein Vorschlag? Wie sollen wir deiner Meinung nach diese Gefahr bannen?“ Astyages schaute sie mit ernster Miene an. Nach einer langen, gewichtigen Pause sagte er: „Aryenis, es gibt nur eine wahre Möglichkeit, die Gefahr vom Reich abzuwenden.“ Wieder machte er eine lange Pause. „Das Kind muss weg!“ Verunsichert von der Entschiedenheit ihres Mannes fragte Aryenis nach einer Pause vorsichtig: „Was meinst du mit ‚weg‘?“ – „Das Kind muss weg. Für immer. Ich werde es töten lassen!“ Astyages nahm einen Gesichtsausdruck an, den sie in all den Jahren noch nie bei ihm gesehen hatte. Ein Ausdruck von Entschlossenheit, der keinen Widerspruch duldete. Aryenis war fassungslos. „Wie kannst du nur so grausam sein! Es ist dein Enkelkind. Das Kind deiner Tochter! Unserer Tochter!“ – „Glaubst du, mir fällt diese Entscheidung leicht?“, entgegnete Astyages. „Ich sehne mich nicht danach! Aber das Wohl des Reiches steht immer über dem Wohl des Einzelnen. Als König muss ich in solch einem Fall klar entscheiden und Schaden vom Reich abwenden. Auch wenn es meine eigene Familie betrifft. Dies bin ich als König meinem Land schuldig. Was wäre ich für ein erbärmlicher Herrscher, wenn ich anders handeln würde? Die Menschen würden mich mit Recht davonjagen. Nein, im Gegenteil: es wäre sogar die Pflicht des Volkes, mich davonzujagen, wenn ich zu meinem eigenen Wohl Schaden für mein Volk in Kauf nehmen würde! Aryenis, es muss sein. Ich muss das Kind töten lassen!“ Aryenis schwieg. Als Mutter brach ihr diese Entscheidung das Herz. Aber als Königin musste sie ihrem Mann zustimmen. Er hatte Recht. Das Leben konnte so grausam sein.

Astyages musste diese Entscheidung für sich behalten. Keinesfalls durfte seine Absicht vorher bekannt werden. Schließlich war das Kind noch nicht geboren und Mandane und Kambyses konnten Vorkehrungen treffen, um ihr Kind zu schützen. Und so mussten Astyages und Aryenis nach außen den Schein glücklicher Großeltern wahren, die sich maßlos über und auf ihr erstes Enkelkind freuten.

Als die Zeit der Niederkunft näher rückte, konkretisierten sich auch die Pläne für die Umsetzung des tödlichen Vorhabens. Um keinerlei Risiko einzugehen, sollte das Kind unmittelbar nach seiner Geburt unter einem Vorwand den Eltern weggenommen und sofort getötet werden. Für diesen Auftrag kam für Astyages nur eine Person in Frage, der er sein vollstes Vertrauen schenkte: Harpagos.

Kyros und das große Land

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