Читать книгу Kyros und das große Land - Thomas Höferth - Страница 7
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ОглавлениеHarpagos kam mit zwei seiner leitenden Beamten pünktlich zur vereinbarten Zeit. Es war eine Stunde vor Mittag und Astyages erwartete sie bereits in seinem Empfangssaal. Seit einigen Monaten ließ sich der König ein Mal wöchentlich über die finanzielle Situation des Staates informieren. Früher geschah dies nur ein Mal im Monat – wenn überhaupt – oder wenn es außergewöhnliche Ereignisse gab wie Kriege, die viel Geld verschlangen oder Eroberungen von neuen Staaten oder Satrapien, die größere Einnahmen versprachen. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Seit der Eroberung der assyrischen und persischen Gebiete war das Reich der Meder nicht mehr wesentlich gewachsen. Misswirtschaft und das Aufflammen der uralten Streitigkeiten der einzelnen Stämme des Reiches trugen nicht gerade dazu bei, die finanzielle Situation zu verbessern. Es zeigte sich immer deutlicher, dass es sich bei seinem Reich in Wahrheit um eine Konföderation, gewissermaßen um ein Zweckbündnis handelte. Eine innere Einheit und eine Identifikation der Bevölkerung und der einzelnen Stämme mit dem Gesamten war nicht wirklich vorhanden. Und so nahm auch die Bereitschaft der Bevölkerung, Steuern und Tribute zu entrichten, immer mehr ab. Hinzu kam ein König, der sich in Wahrheit mehr für seinen eigenen Luxus interessierte als für das Wohl seiner Bevölkerung und des Landes.
So war er froh, dass er mit Harpagos einen Verwalter gefunden hatte, der aus seiner Sicht den Laden zusammenhalten konnte. Trotz seiner jungen Jahre war Harpagos sehr versiert im Umgang mit Geld und den Verwaltungsstrukturen. Er konnte Menschen begeistern und überzeugen. Seine natürliche Autorität und seine hohe Intelligenz verhalfen ihm schon jetzt zu dieser verantwortungsvollen Position am Hof des Königs. Astyages vertraute ihm.
„Ahura Mazda möge dich immer beschützen, mein König.“ Harpagos und seine Begleiter knieten vor dem König nieder. „Möge sein Feuer nie erlöschen und dir auf alle Zeiten Glück, Frieden und vollkommene Reinheit schenken.“ Astyages senkte fast unmerklich sein Haupt und bedeutete den Gästen, sich zu erheben.
„Nehmt Platz und berichtet.“ Sie setzten sich auf weiche Sitzkissen, die auf dem mit kunstvollen Mosaiken verzierten Fußboden ausgelegt waren, während Astyages auf seinem Thron sitzen blieb.
Harpagos begann seinen Bericht über die finanzielle Situation des Landes vorzutragen. Er berichtete vom Stand der Steuereinnahmen, der Grundsteuer, Gewerbesteuer, dem Zehnten, den Zöllen, den Tributen aus Edelmetallen, der Einkommensteuer, der Vermögenssteuer. Die Rückläufigkeit der Einnahmen vor allem beim Zehnten erklärte er mit Überschwemmungen, die in diesem Frühjahr große Teile der Ernte der Bauern vernichtet hätten. Ausführlich und detailliert waren seine Ausführungen, man spürte die Gewissenhaftigkeit, mit der er sich der Aufgabe annahm.
Astyages hörte anfangs aufmerksam zu, jedoch bei den Überschwemmungen angekommen schweiften seine Gedanken ab. Wieder dachte er an den Traum der vergangenen Nacht. Sollte es da womöglich einen Zusammenhang geben? Doch was hatte Mandane damit zu tun?
„Mein König…“, hörte er aus der Ferne rufen. „Mein König, was meinst du dazu?“ Astyages schreckte auf und blickte in fragenden Augen. „Mein König, sollen wir noch mehr Steuereintreiber ins Land hinaus schicken? Was meinst du?“ - „Äh, ja … oder – nein – oder doch, noch mehr Steuereintreiber, aber auch Berater, die den Bauern beim Hochwasserschutz helfen können. Sie sollen Vorschläge machen, wie sich die Bauern in Zukunft vor Überschwemmungen schützen können. Das scheint mir ganz wichtig! Sie sollen nicht noch einmal ihre Ernte verlieren – und wir die Einnahmen. Hörst du, das ist wichtig!! In der nächsten Woche möchte ich einen Bericht über den Fortschritt! Und nun geht!“
Harpagos und seine Begleiter waren überrascht von der plötzlichen Heftigkeit und Aufgeregtheit des Königs. Eigentlich hatte man solche Maßnahmen bereits angedacht und war dabei, diese umzusetzen. Was hat ihn plötzlich so energisch, ja fast panisch werden lassen? Sie verneigten sich mehrfach und verließen rückwärts gehend den Audienzsaal.