Читать книгу Methoden alttestamentlicher Exegese - Thomas Hieke - Страница 14
2. Vorbereitung Wie erstellt man eine wissenschaftliche exegetische Arbeit?
ОглавлениеEine wissenschaftliche Exegese muss methodengeleitet sein. Die Methoden sind dabei der Weg auf ein bestimmtes Ziel hin. Wer dieser „Wegbeschreibung“ folgen will, muss sich vorher über das eigene Ziel klarwerden. Denn zum einen gibt es verschiedene Wege, die zu verschiedenen Zielen führen können: Man kann einen Text mit unterschiedlichen Methodensets untersuchen, je nachdem, was man herausfinden will. Und zum anderen gibt es exegetische Wege, die bei bestimmten Texten nicht zum Ziel führen. Das Methodenset, das in diesem Buch vorgestellt wird, möchte die Wirkung des Textes auf den Modell-Leser (→ S. 14; 106) untersuchen. Dementsprechend sind die darin enthaltenen Methoden ausgewählt.
Auch wenn es oft den äußeren Anforderungen und der eigenen Geduld widerspricht, ist es notwendig, den Weg der Auslegung möglichst langsam zu gehen. Wer über Methoden hinwegeilt, verpasst wichtige Erkenntnisse. Daher führt der Weg der Auslegung auch schrittweise voran. Die Reihenfolge der Methoden ist bewusst gewählt, sie bauen inhaltlich aufeinander auf.
Analyse und Auswertung
Um methodisches Arbeiten sinnvoll durchzuführen, sind Analyse und Auswertung zu unterscheiden. Auf dem Weg zur wissenschaftlichen Exegese steht der eigentliche Schreibvorgang am Ende. Ihm gehen zuerst die Sammlung von Ergebnissen (Analyse) und dann die Sortierung dieser Ergebnisse (Auswertung) voraus.
Wenn man die Methoden der Exegese durchführt, dann bringen diese Ergebnisse, die mehr oder weniger hilfreich sind. Trotzdem müssen gerade am Anfang alle Methoden ausprobiert und die Beobachtungen festgehalten und gesammelt werden. Es kann durchaus sein, dass sich deren Bewertung im Laufe der weiteren Arbeit mit dem Text noch verändert – was unwichtig erschien, könnte wichtig werden, was bedeutsam erschien, erweist sich mitunter als banal. Ob eine Methode einen Ertrag für die Auslegung bringt, kann man erst nach ihrer Erprobung feststellen, daher muss man bereit sein, Arbeit für den Papierkorb zu machen. Analyseergebnisse haben immer einen vorläufigen Status, bis alle Analysen abgeschlossen sind, denn das Textverständnis entwickelt sich mit jeder Analyse weiter.
Erst danach folgt die Auswertung. Hier müssen die Ergebnisse der Analyse gewichtet, sortiert und für die Darstellung sinnvoll angeordnet werden. Auf dieser Basis können die Ergebnisse dann schriftlich dargestellt werden.
Zitat
„Über einen Text lesen und schreiben kann also nur derjenige, der ihn unzählige Male hin und her gewandt, jede Einzelheit überlegt und schließlich eine lebendige Gesamtanschauung gefunden hat.“ (Gunkel, Hermann: Reden und Aufsätze, Göttingen 1913, 15)
Ergebnisprotokoll
Daraus ergibt sich, dass die endgültige wissenschaftliche Arbeit ein Ergebnisprotokoll dessen sein soll, was man herausgefunden hat, und kein Verlaufsprotokoll. Daher ist dort nur das aufzunehmen, was am Schluss für die Gesamtaussage über den Text wichtig ist.
Weil Analyse und Auswertung verschiedene Schritte sind, entspricht die Gliederung der wissenschaftlichen Arbeit auch nicht genau der Analysereihenfolge; die Ergebnisse werden ja erst nach der Analyse endgültig ausgewählt und angeordnet. Grundsätzlich kann sich die Gliederung einer exegetischen Arbeit an folgendem Grundraster orientieren; die Abschnitte mit ∗ sind dabei unerlässlich.
Stichwort
Grundraster einer exegetischen Arbeit
1. Einstieg∗
(persönlicher Bezug zum Text; Relevanz des Textes; Hinführung zur Perikope)
2. Textsicherung
2.1 Der Text in deutscher Übersetzung∗
2.2 Textkritik (am hebräischen oder griechischen Text)
2.3 Literarkritik
Abgrenzung∗, Frage der Kohärenz; Identifikation von Teiltexten
3. Strukturanalyse∗
3.1 Strukturübersicht
3.2 Strukturbeschreibung
3.3 Einzelanalysen (Personen, Orte, Zeitverhältnisse, Stilmittel…)
4. Inhaltsanalyse
4.1 Bedeutung wichtiger Begriffe∗ (Leitwörter)
4.2 Sprechhandlungen
4.3 Pragmatik∗
4.4 Auswertung∗
5. Texttypik
5.1 Typik des sprachlichen Ausdrucks
5.2 Gattungskritik
5.3 Typik der geprägten Vorstellungen (Motiv- und Traditionskritik)
5.4 Überlieferungskritik
5.5 Redaktionskritik
6. Kontexteinbettung – der Text im Kontext der Bibel∗
6.1 Kontexteinbettung
6.2 Biblische Auslegung
7. (Besondere Aspekte des Textes, z.B. im Blick auf ein bibeltheologisches Thema)
8. Zusammenfassende Interpretation∗