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Es ist Krieg!

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Sie war eine kleine Prinzessin und hieß Chantal. Also bei ihr handelte es sich um keine wirkliche Prinzessin, jedoch führte sie sich durchaus so auf. Ihre Eltern waren steinreich und auch nicht mehr die Jüngsten, aber wenigstens noch nicht steinalt. Es handelte sich bei ihnen um Milliardäre und da es von den Superreichen in Deutschland nicht sonderlich viele Exemplare gab, fühlten sie sich als etwas Besonderes und verhielten sich auch so. Ihr Vater liebte sein kleines Mädchen über alles und da es sich bei Chantal um ein Einzelkind handelte, stand auch ihre Mutter der Frucht ihres Leibes durchaus ziemlich aufgeschlossen gegenüber. In den ersten Jahren beherrschte die kleine Chantal ihre Erzeuger dermaßen, daß die erschöpft und entnervt Erziehungsurlaub beantragen, den sie sich auch sofort gewährten. Ja, so ein Milliardär hatte es schwer, insbesondere, wenn da daheim so eine kleine Psychoterroristin herumlief, die alles bekam was sie wollte. Ihre Eltern gönnten sich einen vierwöchigen Urlaub zu zweit und ließen das Schreikind bei einem Mann zurück, der dafür eine Menge Geld einstrich und behauptete, er würde aus dem "verzogenen Fratz" eine wohlerzogene junge Dame machen. Nach vier Wochen mit Chantal war er mit seinen Nerven völlig am Ende und als ihn der Vater des Mädchens fragte, wie es denn so gelaufen wäre, da bat er um ein Vieraugengespräch, das ihm natürlich sogleich gewährt wurde. Hinter verschlossenen Türen, während sich Chantal mit ihrer Mutter auseinandersetzte, begann der Kindesbetreuer zu heulen und berichtete mit Tränen in den Augen: "Es war die Hölle! Sie hat mir nicht nur nicht gehorcht, sie hat mich andauernd angeschrien und herumkommandiert, sie hat mich terrorisiert, sie hat mich geschlagen, beleidigt und verspottet, aber das Schlimmste war, daß sie mir an die Eier gegriffen hat." "Na ja, sie mag halt zum Frühstück gern ein gekochtes Ei", versuchte ihr Vater, seine Chantal zu verteidigen. "Aber doch nicht das, Sie Erzeuger des Teufels in weiblicher Menschengestalt! An meinen Sack hat sie gelangt und dazu auch noch ganz frech gekichert. Ich bin völlig am Ende und am Hoden zerstört. Ich will dieses schreckliche Kind in meinem ganzen Leben nie mehr wiedersehen. Am besten wird es wohl sein, wenn ich gleich mit einer Traumatherapie beginne, um diese fürchterlichen Wochen zu verarbeiten und irgendwie aus meinem Gedächtnis zu löschen", mutmaßte der arme Kerl und zog sich daraufhin zurück, ohne sich von seiner Peinigerin zu verabschieden. Etwas nachdenklich geworden kehrte der Vater zu seiner Kleinfamilie zurück und erkundigte sich bei seiner Tochter nach den letzten Wochen und wie es denn mit dem Betreuer so gewesen wäre. "Ach, auch wieder nur so ein Weichei", bemerkte sie dazu lediglich und damit war im Grunde auch alles gesagt.

Vielleicht sollte man bei der ganzen Angelegenheit erläuternd hinzufügen, daß Chantal den beeindruckenden Nachnamen Krieg trug und wie eine Kriegerin führte sie sich auch von Anfang an auf. Dementsprechend verwunderte es nicht weiter, daß ihre ersten Worte "Krieg ich?" gelautet hatten und irgendwann handelte es sich dabei nicht mehr um eine Frage, sondern um einen Befehl, dem bedingungslos zu gehorchen war, wenn man keinen Ärger oder hochqualifizierten Psychoterror erleben wollte. Eines Abends saßen Chantals Eltern nach einem anstrengenden Tag mit ihrer völlig verzogenen Göre total geschafft im riesigen Wohnzimmer und schauten sich nachdenklich an. "Vielleicht hätten wir vorher doch lieber jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt", gab ihr Vater zu bedenken. "Dafür ist es jetzt allerdings zu spät. Das Kind ist leider immer noch nicht in den Brunnen gefallen, beziehungsweise befindet es sich schon längst darin und dreht dort schimpfend sowie schwimmend seine Runden", konstatierte die Mutter der Terroristin. "Also, ich halte das alles nicht mehr länger aus. Wird höchste Zeit, daß sich Vater Staat um die Erziehung dieses Scheusals kümmert. Vater Krieg ist aus der Nummer raus. Ich habe fettig … e Haare und ich will endlich wieder in Ruhe lesen, falls es hier überhaupt noch Bücher gibt, aus denen Chantal nicht alle Seiten rausgerissen hat", waren seine Worte. Sie nickten sich zu, die Sache war also beschlossen. Ihr freches Mädchen würde fortan anderen Leuten an die Eier, beziehungsweise auf den Sack, gehen.

Der Dresche, die Krieg und der Pest

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