Читать книгу Einführung in die linguistische Diskursanalyse - Thomas Niehr - Страница 8
1.3 Aufbau und Ziel dieser Arbeit
ОглавлениеMethoden der Diskursanalyse
Dass der Diskursanalyse vor wenigen Jahrzehnten noch mit großer Reserviertheit begegnet wurde, lässt sich erklären. Dies ist eine der Aufgaben, der die vorliegende Einführung in die Diskursanalyse nachgehen will. Dabei wird es auch darum gehen, die allmähliche Erarbeitung einer diskursanalytischen Methodik nachzuzeichnen. Hierzu muss allerdings schon jetzt vorausgeschickt werden, dass es „die eine“ diskursanalytische Methodik bislang nicht gibt. Betrachtet man die kurze Geschichte der Diskursanalyse, so gehört auch nicht allzu viel Phantasie dazu vorauszusagen, dass eine solche allgemein anerkannte Theorie und Methodik der Diskursanalyse kaum jemals zu erwarten sein wird. Mit gutem Recht lässt sich allerdings fragen, ob sie überhaupt wünschenswert wäre. Die hier vorliegende Einführung gibt dem Theorie- und Methodenpluralismus stattdessen den Vorrang.
Nachschlagewerk
Sie versteht sich als Handreichung für Studierende, die sich vor die Aufgabe gestellt sehen, eine eigene Diskursanalyse durchzuführen. Dabei soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass es recht schwierig ist, konkrete Handlungsanweisungen zu geben, da Diskursanalysen durch das Spezifikum charakterisiert sind, dass durch die Zusammenstellung des zu analysierenden Textkorpus die zu erzielenden Ergebnisse nachhaltig beeinflusst werden. Immerhin kann eine Einführung in die Diskursanalyse einige Hinweise dazu geben, wie die Zusammenstellung eines Textkorpus sinnvollerweise erfolgen könnte. Weiterhin kann sie dafür sensibilisieren, welche sprachlichen Phänomene, die sich im Textkorpus finden lassen, einer diskursanalytischen Herangehensweise zugänglich sind und welche Fragen ein Textkorpus überhaupt beantworten kann. Zu diesem Zweck werden in dieser Einführung bereits vorliegende Diskursanalysen immer wieder exemplarisch herangezogen, um den Lesern instruktive und anschauliche Beispiele für die Leistungsfähigkeit diskursanalytischer Vorgehensweisen aufzeigen zu können. In erster Linie soll die Einführung als praktischer Ratgeber verstanden werden und Anleitung zu eigenen Diskursanalysen geben. Demgegenüber wird die Beschäftigung mit theoretischen Konzepten zur Diskursanalyse auf das notwendige Mindestmaß beschränkt.
Foucault-Rezeption
Betrachtet man die vorliegende Literatur zur linguistischen Diskursanalyse – sie füllt bereits jetzt viele Bücherregale –, so taucht dort regelmäßig der Name Michel Foucault auf. Viele Diskurstheoretiker berufen sich auf die Arbeiten des 1984 verstorbenen Forschers, der wegweisende Diskursanalysen veröffentlicht (etwa Foucault 1971, 1973b, 1977) und das theoretische Konzept „Diskurs“ immer wieder ausführlich reflektiert hat (v.a. Foucault 1971, 1973a). Wenn sich in dieser Einführung keine Foucault-Interpretation findet, dann hat dies im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens finden sich in den Werken Foucaults kaum konkrete Anhaltspunkte, die Studierenden als Hinweise dienen könnten, wie ihre eigenen Diskursanalysen sinnvoll geplant und durchgeführt werden könnten. Aus den Arbeiten Foucaults lässt sich nämlich kein linguistisches Forschungsdesign ableiten. Zweitens ist die Foucault-Rezeption teilweise zu einem erbitterten Streit darüber degeneriert, wer sich überhaupt mit welchem Recht auf welche Werke oder Passagen Foucaults berufen darf. Dass die Äußerungen und die Terminologie Foucaults ihrerseits nicht immer besonders präzise sind, kommt erschwerend hinzu. Die Auseinandersetzungen um die „richtige“ Interpretation Foucaults haben jedenfalls in Teilen pseudo-religiöse Züge angenommen. Man kann diese Auseinandersetzungen mit einem gewissen Amüsement zur Kenntnis nehmen – Studierenden, die Anregungen für eigene Diskursanalysen suchen, werden sie indes kaum weiterhelfen. Weiterführende Literatur zur Diskursanalyse nach Foucault ist recht gut zugänglich, und eine kommentierte Literaturauswahl kann beispielsweise der Einführung von Spitzmüller/Warnke (2011: 118ff.) oder dem informativen Sammelband von Busse/Teubert (2013) entnommen werden.
Software
An geeigneter Stelle wird auf die Möglichkeiten computergestützter Verfahren hingewiesen. Dabei kann allerdings nicht auf die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Programme eingegangen werden, die man sich für Diskursanalysen zunutze machen kann. In dieser Einführung soll lediglich anhand kleinerer Beispielanalysen gezeigt werden, dass insbesondere für quantitative Analysen ausgereifte und nützliche Software zur Verfügung steht.
Diskursanalyse in anderen Disziplinen
Bevor dies alles geschehen kann, soll im 2. Kapitel jedoch ein Blick auf andere Disziplinen geworfen werden, in denen ebenfalls mit diskursanalytischen Mitteln gearbeitet wird. Dies ist für eine Einführung in die linguistische Diskursanalyse schon deshalb unerlässlich, weil der Diskursbegriff Hochkonjunktur hat. Es ist weiterhin unverzichtbar, um herauszuarbeiten, welches spezielle Diskurs-Verständnis in der Linguistik vorherrschend ist und in welchem Zusammenhanges mit den Diskursbegriffen anderer Disziplinen steht. Es ist allerdings auch vermessen, die umfangreichen methodologischen Überlegungen und empirischen Analysen anderer Disziplinen in einem Kapitel dieses Buches abhandeln zu wollen. Deshalb kann es sich hier nur um eine strenge Auswahl handeln, in der exemplarisch solche Ansätze aus Nachbardisziplinen skizziert werden, die einen Anschluss oder zumindest Berührungspunkte zur linguistischen Diskursanalyse aufweisen. Allen LeserInnen, die sich mit diesen Ansätzen näher beschäftigen möchten, werden entsprechende Literaturhinweise an die Hand gegeben, die eine weiterführende Lektüre ermöglichen.
Diskursbegriff der Linguistik
Schließlich muss es darum gehen – und dem widmet sich das 3. Kapitel –, den Diskursbegriff für die Linguistik fruchtbar zu machen. Dies kann am besten dadurch geschehen, dass eine Annäherung an die – auch in der Linguistik – anzutreffende Begriffs- und Methodenvielfalt und -heterogenität gesucht wird. Diese Vielfalt mag mit dafür verantwortlich sein, dass insbesondere Studierende, die mit diskursanalytischem Arbeiten noch nicht so vertraut sind, abgeschreckt werden, und zwar sowohl von der uneinheitlichen Terminologie als auch von der Bandbreite der Fragen, die man mit diskursanalytischen Mitteln zu beantworten sucht.
Die vorliegende Einführung hat es sich zum Ziel gesetzt, nicht nur verschiedene diskursanalytische Schulen zu präsentieren, sondern auch Orientierung zu geben, indem sie verdeutlicht, welche der diskursanalytischen Ansätze sie aus welchen Gründen für empfehlenswert und praktikabel hält.
Düsseldorfer Schule
Dies geschieht vorwiegend im 4. Kapitel, das in erster Linie dazu dient, anhand zahlreicher Beispiele die Leistungsfähigkeit einer Variante der linguistischen Diskursanalyse zu illustrieren, die in der linguistischen Literatur hin und wieder mit dem Terminus „Düsseldorfer Schule“ bezeichnet wird. Da inzwischen eine ganze Reihe empirischer Analysen vorliegen, die sich diesem Ansatz verpflichtet fühlen, können anhand konkreten Materials die Fragestellungen, Analyseergebnisse, Stärken und Schwächen dieser diskursanalytischen Herangehensweise illustriert werden.
Zweck dieser Einführung
Sollte es auf diese Weise gelingen, den Lesern einen ersten Weg zur linguistischen Diskursanalyse zu ebnen und bestenfalls auch noch das nötige Selbstvertrauen zu vermitteln, um vor den Anforderungen einer empirisch gesättigten linguistischen Diskursanalyse nicht gleich zu kapitulieren, dann hätte diese Einführung ihren Zweck erfüllt.