Читать книгу Das große Geheimnis - Thomas Pfanner - Страница 11
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»So, mein Schönster, können wir anfangen?«
Sie sah ihn in einer Mischung aus Misstrauen und Herausforderung an, da er sich offensichtlich nicht allzu wohl fühlte.
»Also gut«, sagte er zögernd und griff in die Tastatur seines bevorzugten Computers, »begeben wir uns an einen Ort, den nie zuvor ein menschliches Auge erblickte.« Sein halbherziger Scherz war zu durchsichtig angelegt.
»So ein Spaß. Bist du etwa nervös wegen so einer Lappalie?«
»Nein, eher wegen dir und der Überdosis Parfüm, mit der du diese Bluse zusammenhältst. Ich kann mich nicht richtig konzentrieren.«
Sie machte ein Gesicht, als müsste sie einem Kind zum wiederholten Male die Benutzung von Messer und Gabel erklären: »Alter Schwede, das hatten wir doch geklärt, oder? Bier ja, Sex nein. Du weißt, ich meine das nicht persönlich, ich bin nur schon vor langer Zeit zu der Überzeugung gelangt, dass Männer nicht gleichzeitig Freunde und Partner sein können. Und du bist mir nun mal als Freund wertvoller.«
»Schönen Dank auch«, erwiderte er verkniffen. Er kannte sie nicht anders, ehrlich bis zur Brutalität. Einerseits froh über die gelungene Ablenkung traf es ihn doch, von ihr dauerhaft verschmäht zu werden. Seufzend widmete er sich der anstehenden Aufgabe.
»Also dann, Katja. Wir suchen also eine Maria Bauer, ziemlich sicher fünfzehn Jahre alt, seit drei Jahren Vollwaise, nunmehr verschwunden. Weitere Anhaltspunkte?«
»Oh sicher, haufenweise.«
Auf seinen erstaunten Blick hin klopfte sie ihm leicht auf den Hinterkopf: »Knollenkopf! Wenn das so wäre, müsste ich dich nicht hier und jetzt belästigen. Es gibt nur noch zwei Informationen. Zum einen die einzige Info, die ich bekam, der Name der Großmutter, und dass die Eltern tot sind, natürlich. Damit konnte ich die letzte Adresse ermitteln, was für sich schon ein Akt gewesen ist. So viele Bauers gibt es, und mein Auftraggeber konnte nur damit dienen, dass es sich um den Großraum Köln-Bonn handelt. Immerhin, anhand der Großmutter kam ich auf die Namen der Eltern, und eine Tour durch alle möglichen Standesämter führte mich dann auf einen engeren Kreis von fünf Eheleuten, die alle eine Maria hatten und nun tot sind. Drei Marias sind zu alt oder zu jung, zwei sind verschwunden. Ich habe Telefon-CDs durchforstet, die Nachbarschaft befragt, Zeitungen aus der fraglichen Zeit besorgt, diese angeblich allwissende Internet-Suchmaschine befragt, nichts. Verbleib der Kinder nicht geklärt.«
Sie machte eine Pause, um einen tiefen Schluck zu nehmen. Schmicki konzentrierte sich vorgeblich auf seinen PC, gleichzeitig arbeitete es in ihm.
»Zwei also. Wie willst du die Richtige herausfinden?«
Sie sah ihn ernst von der Seite an: »Tja, an dieser Stelle wird es schmutzig. Ich habe als Nächstes recherchiert, wann und wie die Eltern ums Leben gekommen sind. Ein Paar ist bei einem Flugzeugabsturz umgekommen. Aber das andere Ehepaar gibt mir schwere Rätsel auf.«
»Aha? Wieso?«
»Weil es da keine Informationen gibt. Gar keine Informationen.«
Er sah von seinem Rechner hoch: »Ist das so ungewöhnlich? Du hast vielleicht an der falschen Stelle gesucht.«
Ganz sachte schlug sie ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. »Schmickler! Dass ausgerechnet du das sagst. Du musst doch am allerbesten wissen, dass wir im Zeitalter der Informationsdiktatur leben. Heutzutage bleibt doch nichts geheim, gar nichts. Der Normalfall ist doch der, dass ich etwas suche und viel zu viele Informationen erhalte. Mithin besteht die Schwierigkeit darin, aus dem Wust der Daten das Richtige herauszufiltern. In diesem Fall aber herrscht das absolute Nichts. Das macht mir zu schaffen und deshalb bin ich hier.«
Er wich ihrem empörten Blick aus. »Schon gut, musst mich nicht gleich fressen. Was soll ich also tun? Irgendeine Information muss es doch geben.«
Sie schnaubte verächtlich: »Klar, sie haben geheiratet. Sogar im Kölner Dom. Vor sechzehn Jahren, womit das Kind ein ehelicher Spross wäre. Nur für den Fall, dass das jemanden interessiert. Danach sind sie verschwunden. Also, Schmicki: Fass!«
Er blies die Backen auf und machte sich an die Arbeit. Eine ganze Zeit beschäftigte er sich damit, behördliche Datenbanken zu knacken, während Katja Preuß ungeduldig herumlungerte. Zwischendurch schreckte sie hoch, wenn er wieder „aha“ oder „so was“ ausrief, auf ihr rasches Hinzutreten jedoch mit abwehrendem Wedeln reagierte. Viel Geduld hatte sie nicht mehr übrig, als er sich endlich dazu bereitfand, seine Ergebnisse zu offenbaren.
»So. Ich habe ein wenig geschnüffelt und folgendes festgestellt: Das Ehepaar Bauer ist gleich nach der Eheschließung ausgewandert.«
»Ausgewandert?« unterbrach sie ihn, »wohin denn?«
»Das hätte ich dir schon gesagt, wenn du mich nicht unterbrochen hättest. Nun, sie sind nach Israel ausgewandert, ziemlich ungewöhnlich für Deutsche. Sie blieben genau sieben Jahre, dann kamen sie zurück.«
»Aha. Dann kannst du mir sicher erzählen, warum es mir nicht gelungen ist, diese Familie zu finden. Beim Einwohnermeldeamt ist immer noch die alte Adresse verzeichnet, unter der sie sich nach der Vermählung angemeldet haben.«
Sie sah ihn auffordernd an. Schmickler wiegte den Kopf bedächtig, kaute auf der Unterlippe und schielte auf seinen Monitor. »Sie haben den Namen geändert.«
»Den Namen geändert? Wie? Wann? Warum? So was gibt es doch im deutschen Namensrecht gar nicht.«
»Gibt es doch. Das Namensrecht wurde modernisiert. Man kann seit einigen Jahren einen anderen Nachnamen annehmen, wenn er in der Familien-Historie schon mal vorgekommen ist.«
Sie schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn: »Schmicki, nun reiß dich mal zusammen. Deine Nervosität macht mich rasend. Das ist doch keine Sache, bei der man den Tatter kriegen muss. Jetzt noch mal ganz langsam: Wie ist das mit dem modernen Namensrecht?«
Er beschloss tatsächlich, sich zu konzentrieren. Katja sollte nicht auf dumme Gedanken kommen. Also musste er sie weiter einnebeln. »Du sitzt auch wirklich sehr dicht bei mir. In meinem Dasein als asketischer Mönch, der nur seine Maschinen kennt, bin ich ziemlich empfindlich gegen stark parfümierte Wuchtbrummen.«
Halb besänftigt knurrte sie gespielt drohend: »Wenn ich es mir überlege: Es stimmt. Du hast seit Jahren keine Freundin mehr gehabt. Bilde dir aber bloß nicht ein, dass ich dir auf dem Gnadenweg aus deiner Not helfe. Also los, noch mal von vorne.«
Erleichtert ging er zu den Erklärungen über.
»Nun, man kann heutzutage auf besonderen Antrag einen anderen Namen annehmen. Da gibt es verschiedene Gründe, die akzeptiert werden, in diesem Fall ist aber folgende Möglichkeit relevant. Man nimmt einen Namen an, der vor langer Zeit bereits einmal von einem Vorfahren in direkter Linie geführt wurde.«
»So?«
»Ja, sicher. Das Witzige daran ist, dass diese Möglichkeit geschaffen wurde, um den Reichen und Schönen in diesem Land entgegen zu kommen. Speziell der deutsche Adel fand es recht blöd, dass die Frauen bei Heirat den bürgerlichen Namen des Mannes annehmen mussten und so ihren klingenden Edelnamen verloren. Also schuf man die Möglichkeit einer Rückübertragung des Namens, mit dem kleinen Effekt, dass der bürgerliche Gatte plötzlich auch ein Von-und-zu wurde. Inflation sozusagen, denn nun bleibt der Name und wird munter weitergegeben.«
»Und was genau ist daran witzig? Diese Maria hat keinen Adelstitel.«
»Schon. Aber der Nachname Bauer wurde geändert in Agricola. Das ist lateinisch und bedeutet: Bauer! Bauer ist auch das ziemliche Gegenteil von Graf, mithin hat sich so der unterste Prolet eine Regelung zu Nutze gemacht, die für feinere Leute bestimmt war. Aber mit dem Namen Agricola sichert man sich ein Odium der besseren Herkunft. Das ist schon witzig.«
Katja lehnte sich zurück und dachte nach. Dann wandte sie sich wieder an Schmickler: »Agricola, ja? Wirkt auf mich wie ein Rätsel für Insider. Ein wirklicher Identitätswechsel wird jedenfalls anders gemacht.«
»Wie man es nimmt. Das Ehepaar hieß jedenfalls weiterhin Bauer. Nur die Tochter wurde umbenannt.«
»Was? Was soll das denn? Wieso waren sie dann nicht polizeilich gemeldet?«
Jetzt wurde es spannend. Schmickler suchte sich seine Worte sorgfältig aus.
»Lass es mich so ausdrücken. Es hat ihnen jemand geholfen.«
»Ja. Und? Immer hilft jemand jemand anderem. So funktioniert die Gesellschaft. Über die Helfer findet man dann am Ende solche Leute.«
»Oh Katja, für eine ehemalige Polizistin, die zu ihrer Glanzzeit jeden Fall lösen konnte, redest du hier aber ein bisschen sehr unbedarft. Ich rede hier von Helfern, an die man nicht so ohne weiteres herankommt.«
»Ah ja? Terroristen? KGB?«, erwiderte sie schnippisch. Sie mochte es gar nicht, an glanzvolle Zeiten erinnert zu werden. Seit der Begebenheit mit dem Bischof galt das nichts mehr. Vor zwei Jahren hatte sie einen durchgedrehten Rächer dazu ermuntert, seinem Opfer, eben jenem Bischof, ins Bein zu schießen. Damit hatte sie ihm das Leben das Leben gerettet, nur leider hatte der Würdenträger keinerlei Dankbarkeit gezeigt. Seitdem schlug sie sich als Detektivin durchs Leben.
»Nahe dran, unser eigener bundesdeutscher Nachrichtendienst. Die haben höchstselbst frische Papiere ausgestellt.«
Nun staunte Katja doch und vergaß sogar, Schmickler wegen seiner offenen Worte eins auszuwischen.
»Alter Schwede! Dann sind die Leute doch bedeutend. Umsonst macht sich unser Staat nicht die Mühe, jemanden zu schützen. Was haben die denn ausgefressen? Handelt es sich bei denen etwas um Spione?«
»Ich glaube nicht. Jedenfalls habe ich nichts dergleichen finden können. Und ganz sicher trifft dieser Verdacht nicht auf das Kind zu. Die Eltern sind schließlich tot, und für Tote interessiert sich niemand.«
Katja lehnte sich grübelnd zurück.
»Da muss ich dir recht geben, leider. Andererseits halte ich es für ein ziemlich sicheres Alarmzeichen, wenn niemand über diese Leute etwas weiß. Gäbe es kein Geheimnis, würde man etwas finden können. Irgendetwas, normale Menschen hinterlassen doch Spuren, sie kaufen und verkaufen, gehen mit Behörden und Banken um, sterben eventuell. Hey, das ist es. Gibt es Gräber?«
Schmickler wiegte unbehaglich den Kopf und starrte auf den Monitor, während er leise antwortete: »Cha sgeul-rùin e 's fios aig triùir air. Altes irisches Sprichwort. Bedeutet so viel wie: Wenn es drei wissen, ist es kein Geheimnis mehr. Nach dieser Maßgabe müssen ein paar Leute in diesem Fall vorgegangen sein. Der zuständige Mann beim Geheimdienst ist nämlich zufällig nicht mehr auffindbar. Aber wenn man tief genug gräbt, findet sich immer ein kleiner Zipfel der Wahrheit. Den glaube ich gefunden zu haben. Da gibt es nämlich einen kleinen Dorffriedhof in einem kleinen Dorf, Roisdorf bei Bonn, hinter einem kleinen Altenheim.«
»Bei den sieben Zwergen hinter den sieben Bergen«, unterbrach Katja unwirsch, »komm mal zum Punkt, Schönster.«
»Nun, dort sind die Eltern begraben. Der Trick ist, dass du das Grab des Ehepaares nicht so leicht finden wirst.«
»Du hast doch gerade gesagt, dass dieser Friedhof zwergenhafte Ausmaße hat. Wo also ist das Problem? Ist da alles überwachsen, oder was?«
»Nein, im Gegenteil. Da ist alles wunderbar gepflegt, wirklich gut. Der Haken besteht in den Namen der Beerdigten.«
Wieder einmal nervte sie seine umständliche Art, vom Hölzchen aufs Stöckchen zu kommen.
»Oh Schmicki, nun mach mal. Das ist ja nicht auszuhalten.«
Sie hasste es, wenn Männer um den Brei herum redeten, vor allem deshalb, weil in diesen Fällen immer ein dickes Ende bevorstand. Sie verspürte keine Lust auf schlechte Neuigkeiten, die mit reichlich Gedruckse nur noch schlechter werden konnten.
»Schon gut, es ist nur so, dass jeder auf diesem Friedhof Bauer heißt. Wirklich jeder, etwa 120 Leute. Das wird richtig schwierig.«
»Na, das nenne ich mal eine Neuigkeit. Mhm.«
Sie dachte eine Weile nach, kritisch von Schmickler beobachtet. Schließlich gab sie sich einen Ruck: »Schön, das muss ich mir persönlich ansehen. Hast du sonst noch was für mich? Ist eigentlich bekannt, wann genau und woran die Eltern gestorben sind?«
»Bedingt. Auf dem Grabstein wird das Datum draufstehen, weitere Informationen habe ich nicht finden können. Nur diese Notiz im Zentralcomputer unserer Vaterlandsbewahrer, in der als letzter Verbleib dieser Friedhof erwähnt wird.«
»Wundervoll. Todesursache also nicht bekannt?«
»Nein, allerdings komme ich nicht an alle Daten heran. Gerade bei den Geheimen wird noch sehr viel in Papier abgelegt und nicht im PC. Da ist dann auch für mich Schluss.«
Unschlüssig betrachtete sie ihre blassrot lackierten Fingernägel und durchdachte die Optionen. »Und das Mädchen? Hast du darüber etwas herausgefunden?«
»Freut mich, dass du noch darauf zu sprechen kommst. Wie ich anfangs erwähnte, bin ich darauf gestoßen, wie das Mädchen heute heißt. Damit konnte ich sie weiterverfolgen. Sie ist nicht adoptiert worden, sondern lebt als Waise in einem Internat.«
Katja reckte sich und massierte sachte ihre Schläfen, während Schmickler die daraus erwachsende Gelegenheit nutzte, um das Relief ihrer Brüste auf dem Pullover zu betrachten. Sie bemerkte es, knurrte kurz und ließ die Arme wieder fallen: »Na schön, dann gibt mir mal die Adressen, die du hast, Friedhof, Internat, etc. Ich werde da mal hingehen.«
»Das trifft sich wirklich gut, weißt du? Die haben nämlich gerade morgen Schulfest. Da kann jeder hingehen, ohne Verdacht zu erregen.« Ein listiges Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Du kannst denen ja erzählen, du hättest eine große Tochter, für die du ein Internat suchtest, weil du mit der Erziehung nicht mehr … aua!«
Mit ungnädiger Miene klapste sie ihn heftig auf den Hinterkopf. »Tolle Idee, typisch für einen Computer-Sklaven. Ich bin gerade dreiunddreißig, aus Überzeugung ledig und habe auch nicht die Hüften einer Mutter.«
Es erleichterte Schmickler ungemein, dass sie wieder zu ihren normalen Neckereien zurückgefunden hatte, daher riskierte er gerne noch einen Klaps: »Na ja, dass mit den Hüften würde ich nicht unterschreiben … au! Ist doch nicht so schlimm, Männer stehen auf Wuchtbrummen … aua! Ich meine, ein riesiger, halbrunder knackiger Hintern … au, au, schon gut, schon gut.«
Verbissenen Gesichts schlug sie ihm bei jedem Satz heftiger mit der flachen Hand auf den Hinterkopf, bis er endlich aufgab. Seine Worte ärgerten sie nicht wirklich, sie mochte ihre an sich schlanke, aber doch gerundete Figur. Nur sagen lassen wollte sie sich nichts. Ein Liebhaber hatte ihre Beine einmal als ionische Säulen bezeichnet, woraufhin sie ihn sofort hinausgeworfen hatte. Erst später war ihr klar geworden, dass er sie gar nicht hatte beleidigen wollen.
»Hast du eventuell noch ein paar Informationen für mich, bevor ich dir den vorlauten Hals umdrehe?«, knurrte sie ihn an. Er grinste verlegen zurück: »Ja, aber nur, wenn du nicht schlägst, ich meine das nämlich nicht persönlich. Also, dieses Internat ist katholisch, und zwar richtig katholisch. Träger oder Besitzer - oder wie man das auch nennen mag -, ist ein Verein Flamme und Schwert des Herrn, kurz FSH. Echte Fundamentalisten, wenn du mich fragst, jeden Tag Messe, nach der Schule noch Extra-Schichten in Ethik und Moral. Die Insassen haben bei denen nicht viel zu lachen. Von daher wäre es in der Tat problematisch, wenn du da als allein erziehende Mutter aufkreuzen würdest. Aber ich kann dich gern begleiten, so als Fast-Ehemann.«
Erstaunlicherweise verzichtete sie auf weitere tätliche Verweise. Sie sah ihn nur ernst an und erledigte ihn mit wenigen Sätzen: »Schmickler, ich habe das schon einige Male gesagt, aber heute muss es wohl noch einmal sein: Ich habe Freunde und ich habe Liebhaber. Ich bin mit einem Liebhaber nicht befreundet und ein Freund kann niemals und unter keinen Umständen mein Liebhaber werden. Und du, mein Schönster, bist mein Freund. Alles klar?«
Er seufzte tief auf: »Sicher. Ich will sowieso nicht wirklich.«
Sie lachte nicht unfreundlich: »Du bist schon komisch. Die meisten Männer sagen so was immer erst hinterher. Aber egal, ich muss los.«
Er zwinkerte verwirrt, dann besann er sich auf seinen Auftrag. »Bei der Gelegenheit: Sollen wir nicht mal checken, wer eigentlich dein Auftraggeber ist?«
Abrupt stoppte sie die Bewegung: »Was? Wozu das?«
»Na, überlege doch mal. Bei Licht betrachtet fragt sich doch jeder geistig gesunde Mensch, wieso jemand plötzlich ein Mädchen finden will, das Jahre zuvor mit viel Mühe und unter staatlicher Hilfe unsichtbar gemacht worden ist. Das wirft doch Fragen auf.«
Sie sah erstaunt auf ihn hinunter. Diesen Gedankengang hatte sie ihm gar nicht zugetraut. Sie kannte ihn als Spezialisten für Informationsbeschaffung. Nun zeigte er, dass er selbständig zu denken vermochte.
»Du bist ja doch den Problemen des täglichen Lebens verhaftet und gar kein Computer-Wurm. Respekt. Nur spielt das gerade keine Rolle. Ich werde für das Mädchen bezahlt, nicht für den Auftraggeber.«
»Katja, so kenne ich dich aber nicht. Du bist doch sonst die Moral in Person. Wenn die Gerechtigkeit auf dem Spiel steht, bist du doch erst richtig gut.«
Sie winkte ab. Alte Kamellen wollte sie jetzt nicht aufwärmen.
»Das ist nicht dein Problem, Schmicki. Ich kümmere mich darum. Später. Also dann.«
Es drängte sich aus ihm heraus, eigentlich wollte er es nicht sagen, die Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Aber er musste weiter kommen, also sagte er es. Eigentlich warf er es hinter ihr her: »Dann zahlen sie dir einen Haufen Geld, damit du deine Skrupel verlierst.«
Die befürchtete Wirkung trat ein, Preuß drehte auf dem Absatz und kam wutentbrannt zurück. »Du kleine Kröte, das hast du nicht umsonst gesagt. Ich mache das, was ich für richtig halte, egal wie viel Geld es dafür gibt. Und du hast nicht das Recht, mir ans Bein zu pinkeln.«
Ein Zurück gab es jetzt nicht mehr, dieser Kampf musste durchgefochten werden, wollte er sie nicht verlieren. »Also stimmt es. Komm schon, sage laut und deutlich, dass du für das Mindestentgelt arbeitest, und ich entschuldige mich. Wenn du aber verboten viel Geld für einen angeblichen Routinefall bekommst, dann ist etwas faul. Du hast den Instinkt, so was zu erkennen. Benutze ihn!«
Ihre Wut wich einer zunehmenden Verwirrtheit. Wieso gebärdete sich dieser Kerl auf einmal so … erwachsen? Wieso vermochte sie diese Gedanken über den Auftrag bislang nicht zu Ende zu denken? Andererseits mochte sie auch nicht zugeben, dass er womöglich Recht hatte. Kurz entschlossen herrschte sie ihn an: »So. Das willst du Samariter also für mich herausfinden? Na schön, hier ist der Name. Und wenn du nichts findest, erwarte ich eine dicke Entschuldigung. Mindestens fünfzig Liter. Ist das klar?« Sie kritzelte den Namen auf ein Stück Papier und rauschte in demonstrativ stolzer Haltung aus der Wohnung.
Draußen lehnte sie sich an die Wand und schlang die Arme um ihren Bauch. Irgendwie hatte die Auseinandersetzung bei ihr ein Licht eingeschaltet, das lange nicht gebrannt hatte. Das Gefühl, aus einem Traum erwacht zu sein, machte sie ängstlich. In was war sie da hinein geraten?