Читать книгу Das große Geheimnis - Thomas Pfanner - Страница 5
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Skeptisch blickte Katja Preuß von den wenigen beschriebenen Blättern hoch zu dem Mann, der vor ihr auf dem klapprigen Stuhl saß. Seine Visitenkarte gab ihn als Psychiater aus, doch nach ihrer Einschätzung handelte es sich eher um einen kalten und arroganten Playboy. Ein schmaler, feingliedriger Mensch mit sonnengebräuntem, jugendlich wirkendem Gesicht und manikürten Händen, die in diesem Moment mit der kleinen Designerbrille spielten. Seine wasserblauen Augen betrachteten sie ausdruckslos, während er gleichzeitig seinem Gesicht durch ein geringfügiges Verziehen der Mundwinkel einen nachdenklichen Ausdruck verlieh. Genau die Sorte Mann, um die sie für gewöhnlich einen gewaltigen Bogen machte. Wie der schon ihr kleines Büro gemustert hatte, halb spöttisch und mit genau dem Quäntchen Verachtung, das sie rasend machte. Unter normalen Umständen jedenfalls. Zurzeit konnte sie sich Allüren jedweder Art nicht leisten. Das Geschäft lief nicht allzu gut, ab und an gab es eine Ehefrau, die ihren Mann des Fremdgehens verdächtigte, ab und an war da ein Kerl, der seine weggelaufene Frau finden wollte. Sie drehte sich im Kreis, die geringen Einnahmen spiegelten sich in der Büroausstattung wieder. Allein darum machte sie ihr mutmaßlicher Kunde misstrauisch. Warum ausgerechnet hatte er sie aufgesucht? In ihrer direkten Art fragte sie ihn das auch. Er verzog die Mundwinkel noch weiter und antwortete mit seiner leisen, jedes Wort einzeln betonenden Art: »Wegen der Diskretion. Ich bin ein anerkanntes und wichtiges Mitglied der Gesellschaft. Wenn ich in dieser delikaten Frage eine bekannte Detektei beauftrage, dann würde unter Umständen die Aussicht auf den Skandal unerwartete Komplikationen provozieren. Ich denke, Sie sind professionell genug, diesen Fall kompetent zu lösen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.«
Dieser Arsch, dachte sie, er denkt, dass ich zwar als Ex-Polizistin die Sache hinkriege, aber andererseits so mittellos bin, dass ich nichts erzähle. Wenn das so ist, streiche ich jetzt gleich das Schweigegeld ein. Sie sah den Mann kalt an: »Also, ich fasse noch einmal zusammen: Sie wollen, dass ich ein Kind finde. Sie wissen nicht, wo es ist; Sie wissen auch nicht, wie es heißt; Sie wissen nur, wie der Name der Großmutter lautete. Sie wollen das Kind finden, weil es eine außereheliche Verwandte von Ihnen ist, wobei Sie sich sehr im Ungefähren bewegen. Mein Gott, selbst wenn es Ihre uneheliche Tochter ist: Was soll’s? Sie sehen doch auch jeden Tag, in welcher Welt wir leben. Das interessiert doch keinen Menschen. Wo lauert denn da ein Skandal?«
Der Mann räusperte sich umständlich und sah ihr weiter unbewegt in die Augen. Ärgerlich stellte sie fest, dass er bislang noch nicht einmal auf ihre Brüste geschaut hatte, was sonst ausnahmslos jeder Mann tat. Zumal bei diesem Sweatshirt. Doch er sprach unbewegt weiter: »Mich interessiert es aber, Frau Preuß, allein dies ist relevant. Abgesehen davon möchte ich darauf hinweisen, dass ich mit keinem Wort andeutete, sie sei meine Tochter. Überdies ist die Bezeichnung Kind nicht zutreffend. Sie müsste heute fünfzehn Jahre alt sein. Mithin, und an dieser Stelle komme ich auf Ihre Sicht auf diese Welt zurück, dürfte sie sich gerade Gedanken machen, in welches Bett sie demnächst steigen wird, um ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Es ist also eilig. Aber das nur am Rande. Ich möchte nun verbindlich wissen, ob Sie den Fall übernehmen.«
Verkniffen erwiderte sie seinen erwartungsvollen Blick und beschloss, aufs Ganze zu gehen: »Tja, mein Herr, so richtig viele Hinweise wollen Sie mir offenbar nicht geben. Das sieht ganz nach einer Schnitzeljagd aus, einer langen, teuren Schnitzeljagd. Ich hoffe sehr, dass Sie sich der damit verbundenen Kosten bewusst sind. Diskretion ist nicht billig heutzutage.«
Ungerührt zückte der Mann seine Brieftasche, zählte umständlich einige Scheine heraus und warf sie vor ihr auf den Tisch.
»Fünftausend Euro. Ich erwarte, dass Sie mir jeden Montag gegen siebzehn Uhr einen Bericht erstatten. Sollten Sie Fortschritte gemacht haben, erhalten Sie die gleiche Summe. Sollten Sie keine Fortschritte gemacht haben, sind Sie gefeuert. Nun, mehr gibt es nicht zu sagen. Ich wünsche viel Erfolg.«
Mit diesen Worten erhob er sich und verließ grußlos ihr Büro. Sie betrachtete die zehn großen Geldscheine, freute sich über die damit verbundene Möglichkeit, ein paar Schulden bezahlen zu können und ärgerte sich gleichzeitig. Nicht über den Mann, sondern über ihren Bauch. Immer, wenn ihr Bauch ein dumpfes, bohrendes Gefühl von angstvollem Misstrauen entwickelte, war bislang ein ungutes Ende nicht fern gewesen. Nach langer Zeit hatte sich dieses Gefühl wieder ein, in dem Moment, in dem der Mann die Scheine auf den Tisch gelegt hatte. Sie wusste mit absoluter Sicherheit, dass ihr Bauch immer recht hatte mit seinen Warnungen, und doch: Sie brauchte das Geld. Sie grinste die Geldscheine schief an. »Außerdem bin ich geil darauf, mal wieder eine richtig schreckliche Sache aufzudecken.«