Читать книгу Ein Plus für die Demokratie - Thomas Pfisterer - Страница 9
2 Überblick über die einzelnen Teile
ОглавлениеTeil 1: Das Bestmögliche für die Demokratie aus den Verträgen zwischen der Schweiz und der EU herauszuholen ist das Ziel. Auszugehen ist vom überwiegenden Willen von Volk und Ständen, den bilateralen Weg weiterzuführen. Die Diskussion über die Demokratie in den bilateralen Beziehungen kam bisher zu kurz. Der Entwurf 2018 für ein Rahmenabkommen ist für die Marktzugangsabkommen der erste einschlägige Fall. Also lohnt es sich, ihn allgemein auf die Demokratieproblematik hin zu untersuchen. Keine Stellung wird dazu bezogen, ob diesem Entwurf zugestimmt oder ob er abgelehnt werden sollte.
Teil 2: Für die Frage nach der Demokratie ist es wesentlich, dass die EU-Zusammenarbeit das Ziel der Binnenmarktbeteiligung mit dem Ziel der Wahrung der Eigenständigkeit des Drittstaates kombinieren will. Die Brücke schlägt vor allem ein Staatsvertrag. Er sieht vor, dass die Rechtsübernahmen durch die EU und den Drittstaat parallel vorbereitet werden. Der jeweilige Vertrag befähigt die Drittstaaten, bei der Ausarbeitung der zu übernehmenden EU-Rechtsakte im EU-Gesetzgebungsverfahren teilzunehmen oder mitzuwirken, wie man in der Schweiz meist sagt, selbstverständlich ohne Stimmrecht, um die Interessen wahrzunehmen. Die EU ist parlamentarisch ausgebaut worden, auf der Ebene des EU‑Parlaments und der nationalen Parlamente der EU‑Mitgliedstaaten. Wichtigstes Beispiel eines solchen Verhältnisses eines Drittstaates zur EU ist der EWR. Aus seinen Erfahrungen kann die Schweiz für die Anwendung des Rahmenabkommens gewinnen, vor allem betreffend die Übernahme von EU-Rechtsakten durch eine vertragliche Ordnung zwischen den EWR/EFTA-Staaten und der EU. Dagegen unterscheiden sich die Rollen von Parlament und Referendum der EWR/EFTA-Staaten wesentlich von denjenigen in der Schweiz.
Teil 3: Gemäss Rahmenabkommen steht die dynamische Rechtsübernahme durch die Schweiz im Vordergrund. Der bilaterale Weg soll weitergeführt werden, gestützt auf einen Vertrag der Schweiz mit der EU, der Demokratie ermöglicht. Grundlage ist das Schweizer Zusammenarbeitsmodell; es soll zu einem Rahmenabkommen führen, allerdings beschränkt auf einen engen Kreis von fünf Marktzugangsabkommen sowie allenfalls künftige Abkommen. Die Weiterentwicklung des EU-Rechts soll diese Abkommen mit der Schweiz einschliessen, und zwar grundsätzlich, systematisch und umgesetzt durch eine Rechtsübernahmepflicht. Die Regeln würden in einem Rechtsübernahmeprozess erarbeitet, der von den EU-Verfahren bis zu den Verfahren in der Schweiz zusammenhängt. Diese Regeln ermöglichen Demokratie: durch Teilnahme der Schweiz am EU-Gesetzgebungsverfahren und als Schranke zugunsten der Schweiz, vorab zugunsten der Rechte des Parlaments und dem Volksrecht des Referendums. Damit sind automatische Rechtsübernahmen ausgeschlossen. Meist werden die EU-Rechtsakte problemlos zu übernehmen sein. Ausnahmsweise wird die Schweiz sie ablehnen dürfen, allerdings mit den im Rahmenabkommen vereinbarten Folgen. Dies würde u.U. zum nach Rahmenabkommen obligatorischen, an sich unpolitischen, rechtlichen Streitbeilegungsverfahren führen. Es würde mit Verhandlungen, «um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden», beginnen sowie u.U. über ein Schiedsgericht, allenfalls ein vertraglich beschränktes Zwischenverfahren vor dem EuGH, (verhältnismässige) Ausgleichsmassnahmen usw. fortgesetzt werden, aber keine (wie bei Schengen) einseitige Vertragsbeendigung durch die EU vorsehen.
Teil 4:Das Parlament kann für Rechtsübernahmen aufgewertet werden, indem es durch Beteiligung an der Gestaltung der Aussenpolitik seinen Einfluss in die Vorbereitung vorverlegt. Das Parlament und der Bundesrat können durch bestmögliches Zusammenwirken für die Schweiz insgesamt gewinnen. Das Parlament kann als Mittler zwischen der Vorbereitung durch den Bundesrat und den Entscheiden des Volks arbeiten. Dazu kann das Parlament gegenüber dem Bundesrat mitwirken. Die interparlamentarische Zusammenarbeit kann ergänzen. Vorbereitend können hauptsächlich die Kommissionen arbeiten, indem sie den Bundesrat in den EU-Gesetzgebungsverfahren begleiten. Sie können dazu beitragen, vertragskonforme und mehrheitsfähige Parlamentsentscheide zu erarbeiten, bei der Vorbereitung der Rechtsübernahmeentscheide durch den Bundesrat betreffend z.B. Landverkehr, Personenfreizügigkeit usw. Wenn das Parlament selbst die Rechtsübernahme ablehnt bzw. einen Staatsvertrag mit der EU nicht genehmigt, ist die Sache insoweit erledigt. Wenn das Parlament der Rechtsübernahme zustimmt, kann ein Referendum ergriffen werden. Im Hinblick darauf sind der Bundesrat und das Parlament mit seinen Kommissionen gefordert, alles zu unternehmen, dass das Volk nicht nur über Ja und Nein entscheiden kann. Die Stimmberechtigten werden an der Urne zwischen Ja oder Nein wählen, wenn sie überzeugt sind oder überzeugt werden können, dass sie über einen dem Rahmenabkommen und ihrem Willen entsprechenden Inhalt zur Rechtsübernahme entscheiden dürfen. Dann ist der Volksentscheid keine inhaltslose Formalität und wird die Demokratie nicht ausgehöhlt.
Anschliessend werden Fragen zur Information des Parlaments, zur Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere zum Verhältnis zwischen Kommissionsvertraulichkeit und EU-Offenheit, ferner zur Organisation der Kommissionen und zu den Ressourcen sowie zur Mitwirkung der Kantone behandelt. Es folgen Überlegungen zur Notwendigkeit von weiteren Abklärungen und einzelnen Gesetzesänderungen.
Teil 5: Zum Schluss werden die Souveränitätsproblematik skizziert und die Rolle von Parlament und Volk zusammengefasst: Das Parlament hätte zur Entscheidvorbereitung stets ein gewichtiges Wort zu sagen und wäre befugt, Rechtsübernahmen abzulehnen. Zur Weiterführung des bilateralen Weges dagegen hätte das Volk das letzte Wort. Es darf die Weiterführung immer ablehnen. Die Schweiz muss dann freilich die Folgen tragen, die sie im Rahmenabkommen mit der EU für solche Fälle vereinbart hat. Der Beitrag des Parlaments hängt stark von seinem politischen Willen und Engagement ab.