Читать книгу Augmented Intelligence. Wie wir mit Daten und KI besser entscheiden - Thomas Ramge - Страница 14
II. Das Vorhersage-Paradoxon
ОглавлениеWarum wir die Zukunft mit Daten zugleich besser als auch schlechter vorhersagen können
Viele von uns neigen dazu, auf die oft ungenaue Wettervorhersage zu schimpfen. Die Verbreitung von Wetter-Apps auf Smartphones hat diese Unzufriedenheit eher verstärkt, denn sie haben unsere Erwartungshaltung gegenüber der Genauigkeit der Wetterprognosen deutlich erhöht. Die App weiß schließlich genau, wo ich bin, also müsste sie mir viel genauer sagen können, ob es bei mir im Viertel morgen regnet, als dies die TV-Wetterfrau oder der Wettermann vor der Deutschlandkarte kann. Nun arbeiten viele der Apps in der Tat mit zu groben geographischen Rastern. Regional gesammelte Datensätze sind teuer, und das lohnt sich für viele Anbieter nicht. Auch stellen sie ihre Vorhersagen oft missverständlich dar. Auf welchen Zeitraum bezieht sich der Wert »30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit« genau? Unklare Angaben sind ärgerlich. Doch ist für unseren Meteorologie-Frust, grundsätzlich gesehen, weniger die manchmal schwache Prognoseleistung der Meteorologen verantwortlich als eine strukturelle Schwäche des menschlichen Gehirns: Wir haben eine Schwäche für selektive Wahrnehmung.
Wenn wir uns aufgrund einer optimistischen Wetterprognose entscheiden, den Schirm zu Hause zu lassen, und nass werden, dann merken wir uns das. Wenn es wie vorhergesagt nicht regnet, fällt uns das nicht auf. De facto stellt Wettervorhersage ein Musterbeispiel dafür dar, wie bessere numerische Modelle, mehr Daten, schnellere Rechner und neue Methoden des maschinellen Lernens die Fähigkeit erheblich verbessert haben, in die Zukunft zu schauen.
Eine Wettervorhersage für die kommende Woche ist heute in etwa so zuverlässig wie eine Vorhersage aus dem Jahr 1990 für den nächsten Tag. Die 24-Stunden-Vorhersage erreicht heute eine Eintreffgenauigkeit von rund 90 Prozent. Die Zuverlässigkeit für die kommenden drei Tage beträgt rund 75 Prozent. Dabei muss man bedenken, dass es sich hierbei um einen Durchschnittswert handelt. In stabilen Wetterlagen wie bei einem sich kaum verschiebenden Hochdruckgebiet im Winter ist Prognostik naturgemäß deutlich zuverlässiger als bei instabilen Gewitterkonstellationen im Sommer. Gute Wetterprognosen können das durch eine Metaprognose abbilden. Sie berechnen und geben an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Prognose ins Schwarze trifft.