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3. Kumulative Anknüpfung
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a) Kumulative Anknüpfung bedeutet Häufung von Anknüpfungskriterien.
aa) Dies kann in der Weise erfolgen, dass jedes Anknüpfungskriterium zu einer Rechtsordnung weist, was zur Anwendung mehrerer Rechtsordnungen zugleich im selben Fall führt (Kumulation von anwendbaren Rechten).
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bb) Zweck der Kumulation von Rechten ist es, für das Zustandekommen eines Rechtsverhältnisses die Voraussetzungen jeder der beteiligten Rechtsordnungen zu wahren. Dieser Anknüpfungstypus verfolgt also einen zur alternativen Anknüpfung gegenläufigen Zweck: Es soll nicht das Zustandekommen möglichst begünstigt werden; das Rechtsverhältnis soll vielmehr aus der Sicht aller beteiligten Rechtsordnungen wirksam sein oder sonst besser nicht zustande kommen. Kumulative Anknüpfung beugt – in der Entstehung angewendet – „hinkenden Rechtsverhältnissen“ (hier wirksam, dort unwirksam) vor, führt dadurch aber auch zur Versagung von Ansprüchen oder zur Unwirksamkeit von Rechtsverhältnissen, wo solche nach einem der betroffenen Rechte durchaus bestehen würden. Teilweise wird eine Kumulation auch eingesetzt, um schutzwürdigen Beteiligten die Berufung auf ein ihnen nahestehendes Recht zu ermöglichen.
Die kumulative Anwendung der beiden Heimatrechte der Nupturienten auf die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung (Art. 13 Abs. 1) verhindert eine Eheschließung in Deutschland, wenn auch nur nach einem Heimatrecht eine Eheschließungsvoraussetzung fehlt. Wurde die Ehe im Ausland geschlossen, so schließt sich eine kumulative Anknüpfung der Heimatrechtsordnung an, welche die Ehe als mangelhaft ansieht; nachträglich kann ein „Hinken“ nicht vermieden werden, es muss aus Sicht des deutschen IPR entschieden werden, welcher Beurteilung man sich anschließt.
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Wenn eine kumulativ berufene Rechtsordnung Voraussetzungen für ein Rechtsverhältnis normiert, bestimmt sie auch über die Folgen des Fehlens von Voraussetzungen. Leidet das Rechtsverhältnis in mehreren beteiligten Rechtsordnungen an demselben Mangel, so können dennoch unterschiedliche Mangelfolgen angeordnet sein. Widersprechen sich diese Mangelfolgen, so können sie nicht zugleich eingreifen. Es ist dann zu entscheiden, ob die dem Rechtsgeschäft am stärksten entgegenstehende Mangelfolge Anwendung findet (Anwendung des ärgeren Rechts) oder die dem Rechtsgeschäft am wenigsten schädliche (Anwendung des milderen Rechts). Da grundsätzlich die Kumulation von Rechten die Wirksamkeit in allen beteiligten Rechtsordnungen anstrebt und die Wirksamkeit versagt, wenn auch nur eine der Rechtsordnungen dies tut, kommt es regelmäßig zur Anwendung des „ärgeren“ Rechts, das die härteste Mangelfolge vorsieht.
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cc) Kumulation von Rechten findet sich im deutschen IPR:
– | in Art. 13 Abs. 1: Eine Ehe kann nur geschlossen werden bzw eine geschlossene Ehe ist nur wirksam, wenn die materiellen Voraussetzungen nach dem Heimatrecht des Mannes und der Frau erfüllt sind. Art. 13 Abs. 1 ist auch ein klassisches Beispiel für die Anwendung des ärgeren Rechts: Leidet die Ehe aus Sicht der beiden kumulierten Rechtsordnungen unter demselben Mangel, so bestimmt das ärgere Recht die Mangelfolge, zB Heirat einer bereits verheirateten muslimischen Iranerin mit einem Deutschen; nach islamischem Recht (Heimatrecht der Frau) ist die zweite Ehe einer Frau zu Lebzeiten des ersten Mannes von Anfang an nichtig; nach deutschem Recht (Heimatrecht des Mannes) ist die Ehe mit einem bereits verheirateten Ehegatten nur auf Antrag durch das Familiengericht aufhebbar (§ 1314 Abs. 1 BGB). Das iranisch-muslimische Recht bestimmt in diesem Fall als das „ärgere“ Recht die Rechtsfolge: Nichtigkeit. |
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– | Art. 23 verlangt für eine Abstammungserklärung, Adoption oder Namenserteilung zusätzlich zu den nach dem jeweiligen Statut (Art. 10, 19, 22) erforderlichen Zustimmungen die Zustimmung der nach dem Heimatrecht des Kindes Zustimmungsberechtigten. Für jede Zustimmung beurteilt sich die Folge ihres Fehlens nach dem Recht, das die Zustimmung erforderlich macht, ggf nach dem ärgsten Recht. |
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Nur für Einzelfragen des jeweiligen Statuts sehen einige Kollisionsnormen kumulative Anknüpfungen vor:
– | Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO erlaubt einem Vertragspartner die Abwehr der Interpretation seines Verhaltens als Zustimmung durch Berufung auf das Aufenthaltsrecht. |
– | Art. 17 Abs. 3 S. 1 bestimmt eine Durchführung des Versorgungsausgleichs von Amts wegen (nur) bei deutschem Scheidungsstatut; S. 1 Hs. 2 lässt ihn aber nur stattfinden, wenn zusätzlich (insoweit kumulativ) das Heimatrecht eines der Ehegatten (insoweit alternativ) ihn kennt. |
– | Art. 6 Haager Unterhaltsstatutprotokoll 2007 erlaubt dem Unterhaltsverpflichteten ua in der Seitenlinie den Einwand, dass nach dem gemeinsamen Heimatrecht und nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verpflichteten eine solche Pflicht nicht besteht; es muss also sowohl nach dem Unterhaltsstatut als auch nach einer der in Art. 6 HUntStProt 2007 genannten Rechtsordnungen Unterhalt geschuldet sein. |
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b) Ein zweiter Typus der Häufung führt nur zur Anwendung einer Rechtsordnung, setzt aber voraus, dass alle kumulierten Kriterien zu derselben Rechtsordnung weisen. Ist dies nicht der Fall, so versagt das Anknüpfungskriterium, und es greift ein subsidiäres Anknüpfungskriterium (soeben Rn 330 ff) ein (Kumulation von Anwendungsvoraussetzungen).
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Zweck der Kumulation von Anwendungsvoraussetzungen ist es, eine bestimmte Rechtsordnung nur dann anzuwenden, wenn mehrere Kriterien auf sie hindeuten, die jeweils isoliert betrachtet nicht stark genug wären, den Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses zu bestimmen.
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Kumulation von Anwendungsvoraussetzungen findet sich im deutschen IPR selten und nur in Kollisionsnormen, die dem Richter eine Abwägung erlauben.
Eine offensichtlich engere Verbindung iSd Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO (vgl Rn 341) zu einer anderen als der in Art. 4 Abs. 1, 2 Rom I-VO bestimmten Rechtsordnung besteht nur dann, wenn mehrere – nicht notwendig abschließend bestimmte – relevante Kriterien (zB Vertragssprache und –währung und Staatsangehörigkeit der Parteien) in Richtung einer Rechtsordnung weisen.