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1. Subsidiäre Anknüpfung, Anknüpfungsleitern oder -kaskaden

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a) Subsidiäre Anknüpfung bedeutet die Reihung mehrerer Anknüpfungskriterien (die zu verschiedenen Rechtsordnungen führen können) in der Weise, dass das jeweils nächstfolgende Kriterium nur maßgeblich wird, wenn die Voraussetzungen des vorangehenden Kriteriums nicht erfüllt sind. Sie wird dann erforderlich, wenn der Gesetzgeber in erster Stufe ein Anknüpfungskriterium wählt, das nicht in allen in Betracht kommenden Fallgestaltungen vorliegen muss. Hierdurch entstehen Anknüpfungsleitern, die Stufe um Stufe von einem Hauptanknüpfungskriterium zu hilfsweisen und äußerst hilfsweisen Kriterien führen.

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b) Der im deutschen IPR wichtigste Fall, die eherechtliche Anknüpfungsleiter, ist im Zuge der Berücksichtigung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im IPR entstanden. Das vor dem 1.9.1986 geltende EGBGB stellte (verfassungswidrig) auf die Staatsangehörigkeit des Mannes ab; damit stellten sich keine anderen Anknüpfungsprobleme als im Personalstatut eines einzelnen Anknüpfungssubjekts, wo nur bei Staatenlosen eine Hilfsanknüpfung erforderlich ist (vgl Rn 236 ff). Auch die objektive Anknüpfung der Rom III-VO sieht für das Scheidungsstatut eine Anknüpfungsleiter vor, die jedoch von der des Art. 17 Abs. 1 S. 1 aF iVm Art. 14 deutlich abweicht.

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aa) Mit dem Wechsel zur gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten als Hauptanknüpfungskriterium (Art. 14 Abs. 1 Nr 1 mit Verweisungen aus Art. 15 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 aF, Art. 19 Abs. 1 S. 2 und Art. 22 Abs. 1 S. 2) entstanden zahlreiche Fälle, in denen das Kriterium versagte, weil die Ehegatten Angehörige verschiedener Staaten waren. Eine Kumulierung der beiden Heimatrechtsordnungen schied aus, da aus unterschiedlichen oder widersprechenden familienrechtlichen Regelungen (zB Gütergemeinschaft und Gütertrennung) auch im Weg der Kumulierung (Rn 330 ff) kein „gemeinsames“ Recht geschaffen werden kann.

Die vier abgestuften subsidiären Anknüpfungen (aktuelle/letzte gemeinsame Staatsangehörigkeit, derzeitiger/letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt/gemeinsame engste Verbindung) führen wieder formal zu einer alle Fälle erfassenden[59] Anknüpfungsleiter („Kegelʼsche Leiter“). Allerdings verursacht die Bestimmung einer engsten Verbindung große Probleme, weil diese Stufe der Leiter erst erreicht wird, wenn die Ehegatten immer verschiedenen Staaten angehörten und noch nie einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten.

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bb) Diese Leiter wird in einzelnen Bereichen des internationalen Familienrechts durch die Zulassung einer Rechtswahl überlagert. Je nachdem, ob die Rechtswahl immer zulässig ist oder ob sie auf bestimmte Fallsituationen (nicht wählbare Rechtsordnungen, vgl Rn 293 ff) beschränkt wird, wird sie entweder zur obersten Stufe der Anknüpfungsleiter oder zu einer Zwischenstufe.

Im Ehegüterstatut geht die von Art. 15 Abs. 2 zugelassene Rechtswahl – zugunsten eines nicht effektiven Heimatrechts oder eines Aufenthaltsrechts – sogar einer aktuell bestehenden gemeinsamen Staatsangehörigkeit (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr 1) vor, ist also oberste Stufe einer erweiterten Leiter. Im Ehewirkungsstatut tritt die von Art. 14 Abs. 2 zugelassene Rechtswahl hinter die gemeinsame Staatsangehörigkeit, weil die Wahl eines nicht den Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 entsprechenden gemeinsamen Heimatrechts nur erlaubt ist, wenn die Ehegatten keine gemeinsame, Art. 5 Abs. 1 genügende Staatsangehörigkeit haben.

Weiter geht die Zulassung der Rechtswahl in der Rom III-VO. Dass sie dort formal auf erster Stufe der Anknüpfung erscheint (Art. 5 Rom III-VO), hat allerdings nur rechtspolitische Bedeutung, denn Rechtswahl, soweit sie zugelassen ist, verdrängt immer die objektive Anknüpfung, auch wenn sie systematisch an zweiter Stelle steht. Das gilt auch für Art. 22 EU-EheGüterVO, dessen Reichweite der des Art. 15 Abs. 2 ähnlich ist, der aber formal vor der objektiven Anknüpfung (Art. 26) rangiert.

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cc) Zweck einer Anknüpfungsleiter ist es, subsidiäre Anknüpfungskriterien zur Verfügung zu stellen für Fälle, in denen die Hauptanknüpfung versagen würde. Jede einzelne Stufe einer Anknüpfungsleiter bringt aber wiederum Interessenabwägungen und Gerechtigkeitsvorstellungen zum Ausdruck; es geht nicht darum, irgendeine nächste Stufe, sondern die geeignetste nächste Stufe zu bestimmen. Die Anknüpfungsleiter des Art. 14 Abs. 1 macht insbesondere deutlich, dass auch das IPR-Neuregelungsgesetz des Jahres 1986 der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium besonderes Gewicht beimisst.

Das kommt nicht nur in der Einordnung einer früheren gemeinsamen Staatsangehörigkeit als über dem gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalt stehend zum Ausdruck; Art. 14 Abs. 3 sichert sogar durch Zulassung einer – im Ehewirkungsrecht als problematisch empfundenen und rechtsvergleichend kaum bekannten – Rechtswahl in besonderen Fällen das Staatsangehörigkeitsprinzip als vorrangiges Anknüpfungsmoment, wenn der gewöhnliche Aufenthalt ungeeignet oder eher zufällig erscheint.

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