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4. Verallseitigung oder Sonderkollisionsnorm für deutsche Sachverhalte

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Das Gesetz zur Neuregelung des IPR hat zum 1.9.1986 die meisten Kollisionsnormen vollständig allseitig formuliert; sie bestimmen – theoretisch betrachtet – das anwendbare Recht selbst für Fälle, die nie vor ein deutsches Gericht gelangen können.

Art. 13 Abs. 1 beschreibt ein auf die Eheschließungsvoraussetzungen anwendbares Recht auch für die Eheschließung zweier Taiwanesen in Hongkong; das ist unter Souveränitätsgesichtspunkten völlig unschädlich, denn deutsches IPR wird als primäre Kollisionsnorm nur von deutschen Behörden und Gerichten angewendet, so dass die angemessen begrenzte internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte die formell unbegrenzte Reichweite des IPR einschränkt. Die vollständig allseitige Fassung ist aber nützlich, wenn ein ausländisches Gericht durch sein Kollisionsrecht in deutsches Recht verwiesen wird und einen Renvoi prüft (also eine Art. 4 Abs. 1 entsprechende Norm anwendet). Das deutsche IPR stellt mit seinen vollständig allseitigen Kollisionsnormen den ausländischen Richter nicht vor Probleme.

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Dem liegt die richtige Erkenntnis zugrunde, dass IPR keine Disposition über das Recht eines anderen Staates und damit eine Berührung von dessen Souveränität bedeutet, sondern lediglich den Ausgleich privater Interessen an der Anwendung des sachnächsten Rechts. Soweit deutsche Gerichte und Behörden eine Rechtssache zu entscheiden haben, also international zuständig sind (was übrigens nur in sehr weiten Grenzen am Völkerrecht zu messen ist), kann in der Auswahl des anzuwendenden Rechts kein Hoheitseingriff liegen.

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Auch nach der Reform von 1986 enthält das Kollisionsrecht im EGBGB noch Bestimmungen, deren Tatbestand den Inlandsbezug voraussetzt (Art. 17 Abs. 1 S. 2 aF: deutsche Staatsangehörigkeit und Scheidungsstatut, Art. 9 S. 2: Todeserklärung von Ausländern im Inland; Art. 13 Abs. 3 S. 1: Form der Eheschließung im Inland; Art. 17a: im Inland belegene Ehewohnung). Die zum alten Kollisionsrecht überwiegend vorzunehmende Verallseitigung ist bei diesen Normen regelmäßig nicht mehr zulässig; der Gesetzgeber hat solche Bestimmungen zumeist bewusst als Sonderkollisionsrecht für deutsche Staatsangehörige oder sonstige Inlandsbezüge aufgenommen (vgl auch Rn 187 „Exklusivnormen“). Besonders deutlich wird dies dann, wenn die jeweilige Kollisionsnorm keine Lücken lässt, sondern neben eine vollkommen allseitige tritt und dadurch ihren Ausnahmecharakter deutlich macht, der eine Verallseitigung verbietet.

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Art. 9 S. 1 regelt die Anknüpfung der Todeserklärung allseitig, S. 2 erleichtert die Todeserklärung im Inland, wenn ein berechtigtes Interesse besteht. Art. 17 Abs. 1 S. 1 aF bestimmte allseitig ein reguläres Scheidungsstatut, S. 2 bewahrte in Hinblick auf die von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit den deutschen Ehegatten vor einer erschwert scheidbaren oder unscheidbaren Ehe.

Eine ausnahmsweise verallseitigungsfähige einseitige Kollisionsnorm ist Art. 7 Abs. 2: Obgleich der Gesetzgeber 1986 die Verallseitigung versäumt hat, kommt in der Bestimmung weiterhin der Rechtsgedanke zum Ausdruck, dass der Wechsel des Personalstatuts die Rechtsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen nicht beseitigt. Art. 7 Abs. 2 gilt also auch für den Wechsel zwischen zwei ausländischen Staatsangehörigkeiten.

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