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Kapitel 2

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ährend Percy Henderson im Arbeitszimmer seines Hauses auf den nächtlichen Eindringling gestoßen war, rollte sich oben im Schlafzimmer die dickliche Frau des Wissenschaftlers im Bett ruhelos hin und her. Sie schlief schlecht. Ein Albtraum ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Plötzlich schreckte sie aus dem Schlaf hoch.

Verwirrt stellte sie fest, dass ihr Mann nicht neben ihr lag und das Schlafzimmer verlassen hatte.

Vermutlich hat er auch nicht gut geschlafen, dachte sie, und ist in die Küche hinuntergegangen um eine Magentablette einzunehmen.

Sie hatten beide üppig zu Abend gegessen und sie kannte seinen nervösen Reizmagen. Sicher hatte sich das gerächt und ihm wieder Probleme gemacht.

Abigail Henderson erhob sich schlaftrunken. Sie griff nach ihrem dünnen Schlafrock. Gähnend warf sie ihn sich über ihre runden und gut gepolsterten Schultern. Fröstelnd zog sie das dünne Ding vor ihrem mächtigen Busen zusammen. Dann schlüpfte sie in die flauschigen Pantoffeln und verließ das Schlafzimmer, um ihren Mann in der Küche aufzusuchen.

Sie hatte die Hälfte der Treppe zurückgelegt, als sie von unten Stimmen hörte. Dann sah sie Licht. Aber die Stimmen und das Licht kamen nicht wie erwartet aus der Küche, sondern aus dem Arbeitszimmer ihres Mannes.

»Nanu!«, murmelte sie erstaunt vor sich hin. »Mit wem spricht Percy denn da?«

Abigail Henderson hielt einen Moment auf der Treppe inne, um zu lauschen. Aber sie konnte nichts verstehen. Zwar waren die Stimmen deutlich zu hören, doch die Worte so unverständlich, dass sie zu einem monotonen Gebrabbel verschmolzen.

Ohne es zu wollen oder gar darüber nachzudenken, setzte Abigail Henderson ihre nächsten Schritte weitaus vorsichtiger. Sie tat es gerade so, als wollte sie nicht bemerkt werden. Irgendein Gefühl warnte sie. Es sagte ihr, dass dort unten eine unangenehme Überraschung auf sie wartete. Und obwohl sich dieses seltsame Gefühl mit jedem Schritt, den sie machte, noch weiter verstärkte, war sie unfähig kehrt zu machen und wieder nach oben zu verschwinden. Es war ihre Neugierde, die sie antrieb, der Sache auf den Grund zu gehen.

Nach wenigen Schritten stand sie in der Wohn- und Eingangshalle des Hauses. Von hier gelangte sie zu der Tür, die in das Arbeitszimmer ihres Mannes führte. An dieser Stelle waren die Stimmen bereits sehr viel deutlicher zu hören. Sie erkannte eindeutig die Stimme ihres Ehegatten und auch die andere kam ihr bekannt vor. Ja, sie war sich sicher, dass es um die Stimme von Edward Donahue handelte.

Erleichtert atmete sie durch, und ein leiser Seufzer entrang sich ihrer voluminösen Brust.

Alles ist in Ordnung, dachte sie bei sich. Wenn Percy mit Edward spricht, dann ist nichts zu befürchten – dann ist alles gut.

Es fehlten nur noch wenige Schritte und sie stand an der Tür. In diesem Augenblick packte sie das nackte Entsetzen.

Von wegen, alles ist gut, ging es ihr durch den Kopf, gar nichts ist gut.

Die Situation, die sich ihr bot, war eindeutig. Die große, massive Stahltür des Safes stand weit offen, und Edward Donahue befand sich unmittelbar davor. In seiner linken Hand sah sie den schwarzen Attachékoffer ihres Mannes und in seiner rechten …

… eine Pistole!

Die metallisch, schwarzblau schimmernde Waffe zeigte genau auf die Brust ihres Mannes.

Bei diesem Anblick konnte Abigail Henderson nicht anders. Sie stieß einen entsetzten Schrei aus.

»Du kannst ruhig reinkommen, Abigail!«, schrie Donahue sofort. »Jetzt spielt es auch keine Rolle mehr!«

Edward Donahue war ein gut aussehender Mann, mit einem männlich markanten Gesicht, hellblauen, stechenden Augen und einem kantigen, sehr energisch wirkenden Kinn. Er war groß und schlank. Sein Alter mochte zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren liegen, aber das konnte täuschen.

»Na, los! Mach endlich, Abigail!«, schrie er sie aufgeregt an. »Oder muss ich erst zu drastischeren Maßnahmen greifen! Muss ich deinem geliebten Percy erst ins Bein schießen!?«

Percy Hendersons Gesicht hatte jede Farbe verloren. Bleich und zitternd vor Angst stand er da.

Abigail Henderson war verunsichert. Sie war sich unschlüssig darüber, was sie tun sollte.

»Um Himmels willen, Edward, was hast du vor?«, seufzte der Wissenschaftler.

Erst jetzt kam langsam Bewegung in die Frau. Mit verängstigtem Blick betrat sie das Arbeitszimmer und stellte sich schutzsuchend neben ihren Mann. Sie war so aufgeregt, dass sie sich über den vollen Umfang der Gefahr, der sie sich damit aussetzte gar nicht bewusst war. Doch von der sollte sie gleich erfahren.

»Es tut mir aufrichtig leid, zumal ich euch gut leiden kann«, sagte Edward Donahue im Plauderton, »aber es wäre besser gewesen, ihr wärt im Bett geblieben.« Er zuckte bedauernd mit den Achseln. »Jetzt werde ich euch töten müssen.«

Er bemerkte es völlig gelassen, ja, fast schon gleichmütig, gerade so, als sei für ihn das Töten anderer Menschen das Selbstverständlichste auf der Welt.

Die Frau des Wissenschaftlers schrie gellend auf.

»Und wir haben geglaubt, du wärst unser Freund, Edward«, stöhnte der Wissenschaftler verstört.

Donahue sah ihn kalt lächelnd an. Ohne die beiden auch nur für einen Augenblick aus den Augen zu lassen, trat er zwei Schritte zurück. Als er neben Hendersons Schreibtisch zu stehen kam, legte er den Koffer auf der Tischplatte ab.

»Ich war es«, erwiderte er kühl.

Er machte einen Schritt vorwärts und ließ die Waffe spielerisch in seine linke Hand wandern.

»Das ist doch nicht dein Ernst!«, begehrte der Wissenschaftler auf.

Donahue deutete mit einem leichten, mehrfachen Nicken seines Kopfes an, dass es ihm damit absolut ernst war.

»Sehr wahrscheinlich wäre ich auch in Zukunft euer Freund geblieben, wenn ihr mich nicht bei diesem Einbruch ertappt hättet«, sagte Donahue vollkommen nüchtern.

Abigail Henderson begann zu schluchzen. Ihr Mann legte liebevoll seinen Arm um ihre Schulter und versuchte sie zu trösten.

»Es sind die Umstände, die mich dazu zwingen«, stellte Donahue fest und es klang sogar aufrichtig. »Aber was soll ich jetzt noch machen. Auch wenn es mir gegen den Strich geht, ich muss es tun.« Er machte eine entschuldigende Geste mit der rechten Hand. »Schließlich habe ich noch ungeheuer große Pläne.«

Bestürzt riss Percy Henderson die Augen auf und schüttelte entsetzt den Kopf.

»Du bist doch wahnsinnig, Edward! Lass die Finger davon. Das bringt Unglück!« Er deutete auf den Attachékoffer, der auf seinem Schreibtisch lag. »Du weißt überhaupt nicht, worauf du dich da einlässt.« Er sah ihn eindringlich an. »Ich hätte dieses Ding gleich vernichten sollen, Edward. Es darf auf keinen Fall in falsche Hände gelangen. Das wäre einfach unverantwortlich … entsetzlich! Was immer du damit vorhast, es wird grauenvolle Folgen haben!«

Donahue lächelte. Es war eines von der Art, das die Augen nicht erreichte.

»Netter Vortrag, Percy«, erwiderte er kaltschnäuzig. »Grauenvoll? Vielleicht. Aber mich, mich wird es reich machen, unendlich reich!«

»Glaubst du das wirklich?« Der Wissenschaftler schüttelte den Kopf. »Du wirst an meine Worte denken, wenn es soweit ist, dass garantiere ich dir!«

Sein Gegenüber lachte abfällig.

»Du kannst mir keine Angst machen, Percy!« Donahue musterte den Mann, mit dem er seit einigen Jahren befreundet war. »Als Wissenschaftler bist du zwar eine echte Koryphäe, aber mal ganz ehrlich ...«, Donahue winkte leicht mit dem Zeigefinger der freien Hand, »dir fehlt einfach der nötige Geschäftsinn, Percy. Man muss Ideen auch in klingende Münze umwandeln können.«

Henderson rang die Hände.

»Ich flehe dich an«, stieß er jetzt verzweifelt aus, »lass die Finger davon, Edward!«

Donahue schüttelte frostig den Kopf.

»Geht leider nicht mehr, Percy«, erwiderte er bedrohlich leise. »Ich bin bereits anderweitig Verpflichtungen eingegangen. Es ist wirklich schade, dass es ausgerechnet so kommen musste. Wenn ihr doch nur oben in eurem Bett geblieben wäret, wäre das nicht nötig.«

Er ließ die Waffe von der linken in die rechte Hand wandern.

»Edward! Bitte!«, brachte der Wissenschaftler keuchend hervor.

Donahue wiegte verneinend das Haupt.

Hendersons Frau war kreidebleich geworden. Ihr Herz raste wie verrückt. Hilflos ließ sie sich auf die Knie sinken, faltete die Hände und begann zu beten.

Ihr Mann sah Edward Donahue fassungslos an.

Dann krachte es. Zweimal hatte Donahue den Abzug seiner Pistole durchgezogen.

Percy Henderson wurde zu Boden geworfen und seine Frau kippte zu Seite. Donahue hatte beiden in den Kopf geschossen. Mit verrenkten Gliedern lag das Ehepaar auf dem teuren Perserteppich. Die Hand des Wissenschaftlers ruhte auf dem Arm seiner Frau. Selbst im Tod waren sie noch miteinander verbunden.

Mit einem bedauernden Achselzucken steckte Edward Donahue die Pistole weg.

»Wirklich schade«, sagte er mit belegter Stimme, während er sich den schwarzen Attachékoffer schnappte, »das war nicht geplant.«

Es war die Wahrheit.


Das Lächeln der Medusa

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