Читать книгу Das Lächeln der Medusa - Thomas Riedel - Страница 6
ОглавлениеKapitel 3
D
onahue war aus dem Haus geeilt. Aufmerksam hatte er sich umgesehen. Es schien, als habe niemand in der Nachbarschaft die beiden Schüsse gehört. Ungesehen erreichte er seinen, vor dem Grundstück der Hendersons, abgestellten Wagen. Den schwarzen Attachékoffer, wegen dem zwei unschuldige Menschen hatten sterben müssen, legte er auf behutsam auf den Rücksitz. Leise drückte er die Wagentür zu. Dann hastete er zum Kofferraum, griff eilig zum Treibstoffkanister, den er stets gefüllt mit sich führte, und rannte damit zurück zum Haus des Wissenschaftlers.
Er lief durch den Eingangsbereich in das Arbeitszimmer zurück. Schnell öffnete er den Verschluss des Kanisters und begann die beiden Leichen mit Benzin zu übergießen. Dann verteilte er noch einigen Treibstoff im Raum und vergoss den restlichen Inhalt so, dass eine feuchte Spur bis zum Kellerabgang lief. Dort befand sich Hendersons Labor, von dem er wusste, dass dort einige hochexplosive Stoffe lagerten.
»Wenn die mit dem Feuer in Berührung kommen, fliegt das halbe Haus in die Luft«, murmelte er leise vor sich hin und lächelte dabei diabolisch.
Dann war er soweit. Alles war vorbereitet. Jetzt fehlte nur noch die zündende Flamme, die das fürchterliche Inferno einleiteten würde. Schwitzend zog er ein Päckchen Zigaretten hervor, klopfte eine davon heraus und zündete sie an.
»Verdammt Mist«, dachte er laut. »warum mussten die auch mitten in der Nacht aufstehen!«
Fast hätte er sich mit dem Streichholz seine Finger verbrannt. Vor Schreck ließ er es fallen. Sofort entzündeten sich die aufsteigenden Benzindämpfe, und mit einem dumpfen Geräusch schnellte nach links und rechts eine davonlaufende Flammenwand hoch. Gierig fraß sich das Feuer bis zu dem toten Ehepaar durch, leckte an den Vorhängen empor, verbrannte den Teppich und die Bücher in den Regalen. Ungeheuer schnell erreichte es den Zugang zum Kellergeschoß.
Für Edward Donahue wurde es Zeit das Haus zu verlassen. Gegenwärtig griff er nach dem leeren Benzinkanister und lief schnellstens aus dem Haus. Als er seinen Wagen erreichte, züngelten die Flammen bereits aus den Fenstern.
Gehetzt sprang Donahue auf den Fahrersitz, drehte den Zündschlüssel herum und gab Gas. Etwa eine halbe Meile vom brennenden Haus entfernt hielt er noch einmal kurz an. Er warf einen Blick durch die Heckscheibe. Hohe Flammen leuchteten rot am dunklen Nachthimmel. Plötzlich ertönte ein dumpfer Donner und Funken schlugen massenhaft nach oben. Er lächelte zufrieden. Die Flammen hatten das Labor erreicht. Eine neuerliche Detonation zerfetzte die Stille Nacht, gefolgt von einer weiteren. Er war sicher, dass die Flammen und Explosionen ganze Arbeit leisten würden. Vom Haus und den beiden Leichen würde wohl kaum etwas übrigbleiben.
Der Gedanke daran, beruhigte ihn ein wenig. Er wandte sich ab, versuchte sich auf das zu konzentrieren, was nun vor ihm lag und setzte seine Fahrt fort.
Bald erreichte er London. Es dauerte noch einige Zeit, ehe er auf die Straße einbog, in der er wohnte. Ringsherum war kein einziges Fenster mehr erhellt. Mittlerweile war es zwei Uhr in der Früh geworden und die Menschen schliefen.
Donahue steuerte seinen Wagen die gewundene Abfahrt zur Tiefgarage hinunter. Müde und abgespannt stieg er aus seinem Fahrzeug. Mit einem schnellen Griff holte er den schwarzen Attachékoffer vom Rücksitz. Dann drückte er auf das Schließsymbol des Fahrzeugschlüssels und betrachtete das kurze Aufleuchten der Blinker. Als sei nichts geschehen, schlenderte er entspannt an den anderen geparkten Fahrzeugen vorbei und betrat kurz darauf den Lift, der ihn surrend zu der Etage beförderte, in der sich seine Eigentumswohnung befand.
Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, goss er sich in der Küche einen Drink ein. Er kippte ihn in einem Zug, denn er hatte das Gefühl ein gewisses Unbehagen hinunterspülen zu müssen. Es war nicht so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hatte. Natürlich war es nicht vorgesehen gewesen, dass Abigail und Percy Henderson sterben sollten. Schließlich wollte er sich doch nur den Koffer aneignen.
Er schenkte sich das Glas noch einmal nach.
Soll ich mir jetzt wegen der Hendersons graue Haare wachsen lassen?, fragte er sich. Es ist doch sowieso nicht mehr zu ändern.
»Was passiert ist, ist eben passiert«, murmelte er dann laut vor sich hin. »Macht eh keinen Sinn sich Vorwürfe zu machen.« Er nahm einen weiteren Schluck. »Warum konnten die nicht einfach schlafen? Es hätte so leicht sein können.«
Mit dem Glas und dem gestohlenen Koffer ging er ins Wohnzimmer. Er stellte ihn neben seinen Ohrensessel und nahm Platz. Während er an seinem Drink nippte, strich er sanft über das weiche Leder des Koffers. Im Großen und Ganzen zählte ja doch nur dieser Koffer und sein spezieller Inhalt. Und der befand sich nun in seinem Besitz.
Er leerte das Glas und lehnte sich entspannt zurück. Langsam begann der Whisky zu wirken. Er spürte, wie er deutlich ruhiger wurde. Eine Weile blieb er so sitzen, dann schnappte er sich das schnurlose Telefon vom Wohnzimmertisch, suchte im Speicher eine Nummer heraus und ließ sich verbinden.
Zweimal hörte er das Freizeichen, dann meldete sich eine Stimme, die Donahue nur zu gut kannte.
»Ja?«, meldete sich Peter McGowan, der wie es schien, auf den späten nächtlichen Anruf gewartet hatte.
»Ich bin es«, antwortete Donahue und fügte zur Sicherheit noch seinen Namen hinzu.
»Und, Eddy? Alles glattgegangen?«, erkundigte sich McGowan.
Donahue schluckte leicht.
»Kann man nicht unbedingt behaupten«, erwiderte er tonlos. »Wird den Zeitungen sicher eine Schlagzeile wert sein, denke ich.«
Der Mann am anderen Ende der Leitung schien beunruhigt.
»Was ist denn passiert, Eddy?«, fragte er erschrocken.
Donahue zögerte ein wenig.
»Na los, sag schon, Eddy?«, forderte ihn McGowan auf. »Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!«
»Ich hatte den Koffer gerade in den Händen und wollte mich schon davonmachen, da tauchte doch plötzlich Henderson auf«, gestand Donahue zähneknirschend. »Er hat mich natürlich erwischt.«
»Verdammt!«, entfuhr es McGowan.
»Rege dich nicht auf, Peter«, beschwichtigte Donahue seinen Gesprächspartner. »Den Koffer habe ich ja!«
»Und was ist mit Henderson?«, warf McGowan ein. »Der wird doch längst im Yard sitzen und Anzeige erstatten. Wundert mich, dass die Bullen noch nicht bei dir aufgeschlagen sind, Eddy!«
Donahue konnte sich ein gewisses Grinsen nicht verkneifen.
»Stimmt«, bestätigte er. »Da würde er jetzt ganz sicher sitzen. Aber wie das Schicksal so spielt ... Er kann es nicht mehr.«
»Was?«, stieß McGowan aufgeregt aus.
»Ich sagte gerade: Er kann es nicht mehr«, schmunzelte Donahue.
»Und wieso nicht?«
Jetzt lachte Donahue.
»Mein Gott, Peter! Du bist aber schwer von Begriff«, stellte er fest. »Henderson kann nicht mehr zur Polizei. Seit wann können Tote laufen?«
Damit hatte er die Katze aus dem Sack gelassen.
Am anderen Ende Leitung wurde es einen Augenblick still.
»Du hast Henderson also umgelegt?«, fragte McGowan plötzlich mit ganz ruhiger Stimme, obwohl Mord die meisten Menschen ganz sicher in schiere Aufregung versetzt hätte.
»Ja«, bestätigte Edward Donahue. »Und seine Frau gleich mit.«
McGowan stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
»Alle Achtung, Eddy!«, reagierte er lachend. »Du und ein eiskalter Killer. Ganz ehrlich? Das hätte ich dir niemals zugetraut. Vor allem, wo du doch so ein gutes Verhältnis zu den beiden hattest.«
»Was hätte ich denn tun sollen. Henderson hat mich in flagranti erwischt. Und dann muss auch noch seine Frau auftauchen. Die hätten einfach im Bett bleiben sollen!« Donahue kniff grimmig die Lippen zusammen. »Ich hatte doch gar keine andere Wahl, Peter!«
»Mensch, Eddy! Jetzt komm‘ mal wieder runter! Das sollte doch kein Vorwurf sein. Ich habe das anerkennend gemeint«, sagte McGowan lachend. »Betrachte die Hendersons als Kollateralschaden. Du hast den Koffer und darauf kam es letztlich an.«
»Ja, den habe ich«, bestätigte Donahue, der inzwischen sehr viel ruhiger geworden war. »Der steht direkt neben mir.«
»Na, dann ...«, sagte McGowan gedehnt, »dann kann es ja demnächst richtig losgehen, Eddy.« Er lachte begeistert. »Ist dir eigentlich klar, dass wir bald steinreich sein werden, Eddy? … Partner!«
»Ja, steinreich, Partner!«, erwiderte Donahue, aber in seiner Stimme schwang kaum Enthusiasmus mit.
Der begangene Doppelmord trübte seine Freude auf den kommenden Reichtum gewaltig. Er war sicher, dass ihm die toten Hendersons noch lange Magenbeschwerden bereiten würden.
Peter McGowan hörte sofort, wie es um Donahue stand.
»Hey! Kopf hoch, Edward!«, rief er, um seinen Partner aufzumuntern. »Du solltest dir einen ordentlichen Drink zur Brust nehmen, dann sieht die Sache bald ganz anders aus. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich dein Magen im Moment komplett umkrempelt. Ging mir beim ersten Mal auch nicht anders. Aber ich kann dir sagen, dass vergeht bald. Und dein Bankkonto wird sein Übriges dazu tun. Je schneller es anschwillt, desto eher wirst du die Hendersons vergessen. Mein Wort darauf! Ich habe eine Menge Erfahrung in diesen Dingen.« Als Donahue nicht gleich antwortete, fügte er hinzu: »Soll ich vielleicht noch auf einen Sprung bei dir vorbeischauen, Eddy?«
McGowan konnte nicht sehen, wie Donahue angewidert seinen Kopf schüttelte.
»Nein, ist nicht nötig. Es geht schon«, gab er schnell zurück. »Wir sehen uns dann morgen.«
Im gleichen Augenblick drückte er McGowan aus der Leitung und beendete damit das Gespräch. Dann stand er auf und goss sich in der Küche einen weiteren Drink ein.
»Na, dann kann es jetzt losgehen«, murmelte er und nippte an seinem Glas.
Und es ging los!
Sehr bald schon!
Unter Londons Superreichen begann eine Selbstmordwelle zu grassieren – unerklärlich und schrecklich. Wie ein riesiger Stein war sie ins Rollen gekommen, und es schien, als sei niemand in der Lage, sie aufhalten zu können.