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Kapitel 7

C

allum Cavanaugh war völlig erschöpft. Entkräftet ließ sich der junge Mann auf die Stufen zur Veranda seines Elternhauses fallen. Er lehnte seinen Oberkörper weit zurück, um besser durchatmen zu können. Mit den Händen hielt er sich dabei an einem Pfosten des Treppenaufganges fest.

Sein Vater war hinter ihn getreten und seine Mutter hatte sich schweigend neben ihn auf die ausgetretenen Stufen gesetzt. Fragend sah sie ihn an. Angst und Neugierde lag in ihrem Blick, als sie ihren Sohn umarmte und fest an sich heranzog.

»Wir müssen die Polizei verständigen!«, stieß Callum Cavanaugh keuchend hervor. »Schnell, ruf die Polizei an, Vater!«

»Geht es um die O’Sullivans?«, fragte der alte Mann erschrocken.

Callum Cavanaugh nickte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Sie … sie sind … alle tot!«, flüsterte er mit versagender Stimme und versuchte aufzustehen. »Die ... die Flammenreiter … Sie haben … Sie haben sie alle umgebracht!« Er sah seine Mutter an. »Sie sind alle bestialisch ermordet worden!« Plötzlich begann er zu weinen. Seine Stimme war vor lauter Schluchzen kaum noch zu verstehen. Sie drohte ihm zu versagen. »Hannah! … Ich habe sie überall gesucht … sie ist …« Er stockte und brachte kein Wort mehr heraus. »Ich … sie ist verschwunden!«

Ihm fehlte die Kraft, und er ließ sich wieder auf die Stufen sinken.

»Ich rufe die Polizei, Callum!« Edward Cavanaugh lief ins Haus.

»Graham Hamilton war vor wenigen Minuten hier, Callum. Du hast ihn gerade verpasst«, sagte seine Mutter.

»Er wollte die Farm, oder?«

Hollie Cavanaugh nickte.

»Ja, er wollte die Farm. Und er hat uns gedroht!«, gestand sie. »Wir sollten an die O’Sullivans denken, hat er gesagt. Aber du kennst deinen Vater, Callum, er wird niemals verkaufen.«

»Stimmt! Und das ist auch richtig so! Auf keinen Fall wird …« Plötzlich setzte er sich auf. »Moment!« Er stutzte. »Woher konnte er das wissen? Er konnte doch gar nicht wissen, wie es bei den O’Sullivans aussieht! Dann hätte ich Hamilton sehen müssen. Und ich garantiere dir, er war ganz sicher nicht dort. Ich bin doch schließlich direkt nach dem Abflauen des Sturmes dort angekommen!«

Hilflos zuckte seine Mutter mit den Schultern. Sie wusste nicht, was sie ihm darauf antworten sollte.

»Sollten wir nicht doch besser verkaufen?«, fragte sie dann leise. »Meinst du nicht, es wird uns ebenso ergehen, wenn wir es nicht tun?« Sie sah ihn ängstlich an. »Ich habe Angst, Callum!«

Ihr Sohn zog seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

»Wieviel?«, fragte er. »Wieviel hat der Mistkerl geboten?«

»Zwanzigtausend Pfund!« Es war sein Vater, der ihm antwortete, und der inzwischen wieder die Veranda betreten hatte. »Lumpige zwanzigtausend Pfund! Zum Leben und Sterben zu wenig! Das kommt niemals in Frage!«

Callum hatte sich erhoben. Mit offenem Mund starrte er seinen Vater an.

»Nur zwanzigtausend Pfund?«, knurrte er verärgert. »Der Kerl muss ja völlig verrückt geworden sein!«

»Ja, vielleicht«, sagte seine Mutter und zeigte bedeutungsvoll zum nächtlichen Himmel auf. »Aber er hat die Macht!« Sie weigerte sich das Wort Flammenreiter auszusprechen. »Irgendwie muss er mit den Mächten der Hölle in Verbindung stehen.«

Callum Cavanaugh nickte.

»Davon bin ich überzeugt!« Er wandte sich an seinen Vater. »Hast du die Polizei verständigt?«

»Ja. Sie ist schon auf dem Weg.« Edward Cavanaugh sah ihn an. »Du blutest, mein Sohn.«

Callum Cavanaugh fasste sich an die Wange.

»Nur Kratzer, mehr nicht.« Er versuchte ein Lächeln, aber es wollte ihm nicht recht gelingen. »Nicht so schlimm. Verkrustet bereits. Ich werde mich mal waschen und mir etwas Frisches anziehen. Die Polizei wird sicher auch zu uns kommen.«

Er sollte damit Recht behalten.

Es war kurz vor ein Uhr als ein weißer Range Rover vor das Hauptgebäude der Laoghaire-Farm rollte. Zwei Kriminalbeamte der Mordkommission des New Scotland Yard stiegen aus.

Der schlanke Beamte mit den ungewöhnlich stark ausgeprägten Augenbrauen ging auf die Stufen der Veranda zu.

»Ich bin Detective Inspector Isaac Blake vom New Scotland Yard«, stellte er sich vor und steckte sich eine ›Benson & Hedges‹ an. Dann ließ er seine kühlen grauen Augen über das Farmgelände schweifen. »Schön haben Sie es hier.« Er deutete auf seine gut sechseinhalb Fuß große Begleitung. »Das ist Detective Sergeant Cyril McGinnis.«

Der Sergeant reichte dem Ehepaar Cavanaugh und ihrem Sohn freundlich seine stark behaarte rechte Hand.

»Kommen Sie doch bitte herein«, bat Hollie Cavanaugh die beiden Männer vom Yard und ging ins Haus.

Edward Cavanaugh und sein Sohn folgten dem Inspektor und seinem Sergeant in die Wohnstube.

McGinnis nahm sich die Freiheit, zog sich einen Stuhl zurecht und setzte sich. Dabei bot sich ihm die Gelegenheit, sich in der kleinen Wohnstube etwas genauer umzusehen.

Er betrachtete die altertümlich wirkende Uhr an der Wand über dem Kaminsims. Darunter standen einige Familienfotos. Alle waren goldfarben gerahmt und wie es schien, hatte man die Bilder chronologisch geordnet. Auf jeder Ablagefläche in dem Raum lagen kleine weiße, mit bunten Blüten bestickte Deckchen, die vermutlich Miss Cavanaugh in aufwendiger Handarbeit in zahlreichen stillen Abendstunden gefertigt hatte. Neben dem Sofa befand sich ein alter geflochtener Korb, angefüllt mit Wolle und Stricknadeln. Über den Rand hingen ein paar löchrige Socken.

Sergeant McGinnis lächelte in sich hinein. Er fand es erstaunlich, dass es in dieser konsumorientierten Welt noch Menschen wie Miss Cavanaugh gab, die sich tatsächlich die Mühe machten, Socken zu stopfen. Er folgerte aus seiner Beobachtung, dass es sich bei den Cavanaughs um eine eher sparsame Familie handelte.

Sein Blick traf Callum Cavanaugh. Der junge Mann schien stark nach seinem Vater zu kommen. Er glich ihm in vielerlei Hinsicht. Nur die Augen, dachte McGinnis, waren eindeutig die seiner Mutter. Die kantigen Gesichtszüge aber, die hatte er zweifelsfrei vom Vater.

Nach seinem kurzen, intensiven Rundumblick, zog er sein speckiges Notizbuch aus der verbeulten Tasche seiner Jacke. Dann ließ er einen Bleistift in seiner rechten Pranke verschwinden. Der Sergeant wusste noch nicht, was es zu notieren gab, aber er war bereit.

Inspektor Blake hatte einige Fragen und McGinnis ließ seinen Bleistift über den Block huschen. Edward Cavanaugh erwähnte auch Graham Hamilton und dessen Auftraggeber Abercrombie.

»Es gibt leider keine Verbindung zwischen diesem Graham Hamilton und dem entsetzlichen Ende der Familie O‘Sullivan«, stellte Blake fest. »Zumindest keinen aktuell sichtbaren Zusammenhang. Ich werde der Sache aber nachgehen, darauf können Sie sich verlassen.«

Hollie Cavanaugh sah ihn dankbar an.

»Und was ist mit Hannah? Der Tochter der O’Sullivans?«, fragte sie mit sorgenvollen Augen. »Das arme Mädchen!«

»Wir haben sie bisher noch nicht finden können, Madam«, antwortete Blake. »Seitens des Yards wurde ein Suchkommando zusammengestellt. Die gesamte Gegend wird durchkämmt. Ich kann Ihnen versichern, dass wir tun was in unserer Macht steht. Sollte sie noch leben, werden wir sie finden.«

»Und wenn sie tot ist, dann nicht?«, warf Callum sarkastisch ein.

Der Inspektor warf ihm einen verständnisvollen Blick zu. Anscheinend lag dem jungen Mann sehr viel an der Tochter der O’Sullivans. Blake wusste noch nicht, ob das für den weiteren Verlauf seiner Ermittlungen von Bedeutung sein würde, beschloss aber, diese Tatsache nicht aus dem Auge zu lassen.

»Ich kann Ihre Verzweiflung und Ihre Wut gut verstehen. Aber Ihr bitterer Spott hilft uns nicht weiter. Und ich möchte Sie bitten, trotz all des Grauens, das sie gesehen haben, nicht gleich vom Schlimmsten auszugehen.«

»Vielleicht hat sie auch nur einen Schock und ist weggelaufen«, warf McGinnis ein.

»Ja, mag sein!«, meinte Callum Cavanaugh. »Entschuldigen Sie, Inspektor.«

»Falls Hannah gesehen hat, wie ihre Familie ums Leben gekommen ist, wäre es sehr verständlich, wenn sie panisch weggelaufen wäre.« Hollie Cavanaugh stand im Türrahmen zur Küche. »Möchten die Herren vielleicht eine Tasse heißen Kaffee?«

Inspektor Blake nickte ihr freundlich zu.

»Kaffee klingt gut.«

»Für mich bitte einen schwarzen Tee, wenn es möglich ist«, schmunzelte Sergeant McGinnis.

»Aber gern, Sergeant.« Sie verschwand. Gleich darauf hörte man sie in der Küche hantieren.

»Sie wäre jedenfalls unsere wichtigste Zeugin.« Blake nahm den Gesprächsfaden wieder auf. »Bislang können wir uns diese mysteriösen Morde überhaupt nicht erklären. Und auch mit einem Orkan sind die Schäden an den Gebäuden, die wir vorgefunden haben, kaum zu erklären.« Der Inspektor sah die beiden Cavanaughs an. »Haben Sie, abgesehen von Ihrem Verdacht gegen Hamilton, irgendeine Vorstellung wer das getan hat?«

Callum Cavanaugh öffnete schon den Mund, um dem Inspektor die Sache von den Flammenreitern zu erzählen, als er einen warnenden Blick seiner Mutter auffing, die gerade ins Wohnzimmer zurückkehrte, um Kaffee und Tee zu bringen.

»Wollten Sie gerade etwas sagen?« Blake, der Callum Cavanaugh genau beobachtet hatte, sah ihn interessiert an.

Der junge Mann schüttelte den Kopf.

»Nein, nicht wirklich, Inspektor«, murmelte er. »Ist nicht wichtig!«

Blake hakte nicht weiter nach. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, Druck aufzubauen. Wenn jemand etwas zu sagen hatte, dann würde er es früher oder später ganz von allein tun.


Flammenreiter

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