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Kapitel 4

M

it dem inzwischen in die Jahre gekommen Fernsehgerät ging die Familie O’Sullivan recht sparsam um. Nur selten wurde das Gerät eingeschaltet, denn nur selten gab es etwas Besonderes, das ihrer Meinung nach überhaupt ein Anschauen wert war. In der Regel saßen sie erst gemeinsam in der geräumigen Wohnküche, anschließend wechselten sie ins Wohnzimmer, unterhielten sich oder gingen ihren Hobbys nach.

Auch an diesem Abend war es nicht anders und der Fernseher blieb ausgeschaltet. Mehr als genug gab es zu besprechen. Es ging um den Brand der Stallung, die qualvoll verendeten Milchkühe, die Frage der Instandsetzung und natürlich auch um Elliot Abercrombies ständige Versuche sich ihre Farm unter den Nagel zu reißen.

»Elliot Abercrombie!«

Der Name stand plötzlich laut im Raum. Adam O’Sullivan hatte den Namen wütend ausgesprochen. Seine Frau sah zu ihm hinüber und legte den Stopfpilz aus der Hand, mit dem sie einige Socken gestopft hatte.

»Ist der Mann nicht schon reich genug?« Er nahm die Kaffeekanne vom Stövchen und füllte sich noch einmal seine Tasse. »Ich verstehe nicht, wieso der seit einigen Wochen wie ein Verrückter alle alten Farmen aufkauft.« Er nahm keine Milch und keinen Zucker. Kaffee musste schwarz sein, sagte er immer. »Und noch weniger verstehe ich, warum die auch noch froh sind, an ihn verkaufen zu können.« Der alte Mann nahm einen Schluck und blickte seine Frau an. »Verstehst du das, Liebes?«

Kate O’Sullivan schüttelte den Kopf. Sie zupfte einen weiteren Strumpf aus dem kleinen Korb neben ihrem Stuhl. Betrachtete das Loch in der Spitze. Dann nahm sie den Stopfpilz wieder auf und widmete sich ihrer Arbeit.

»Wir werden jedenfalls bleiben!« Er sagte es in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

»Abercrombie hat seine Finger doch überall drin«, begann Logan. Er klopfte zum Nachdruck auf den Holztisch. »Fängt bei Tankstellen an, geht über diverse Fabriken bis zu Warenhausketten. Keine Ahnung wo der noch mitmischt. Der gehört zu der Sorte, die den Hals nicht voll genug bekommen können.«

Kenneth legte die Gabel beiseite mit der er die letzten Kuchenkrümel aufgesammelt hatte.

»Und mit diesem Graham Hamilton hat er den richtigen Handlanger gefunden«, meinte er. »So wie ich diesen Typen einschätze, schreckt der vor nichts zurück.«

Dafür hielt sich Kate O’Sullivan zurück. Sie war schon den ganzen Abend über auffallend schweigsam.

»Wir sollten jetzt schlafen gehen«, meinte sie nach einer Weile. Den Strumpf hatte sie unfertig zurückgelegt. Aus irgendeinem Grund konnte sie sich nicht mehr richtig darauf konzentrieren. »Morgen gibt es wieder viel zu tun. Da wartet eine Menge Arbeit auf uns.«

Ihr Gesicht wirkte steinern. Sie erhob sich langsam und wollte damit beginnen den Tisch abzuräumen, als ein stetig anschwellendes Brausen ertönte. Dann begann das Haus in seinen Grundfesten zu beben.

»Das sind die Flammen ...«, entfuhr es Adam O’Sullivan erschrocken.

»Nein, Adam!«, schrie seine Frau sofort. Entsetzt sprang sie auf ihn zu und verschloss ihm den Mund mit ihrer zitternden Hand. »Sprich das Wort nicht aus!«

Kate O’Sullivan bekreuzigte sich. Schreckensbleich wandte sie sich an ihre Kinder.

»Ihr bringt euch sofort in Sicherheit! Schnell!«, rief sie panisch.

Alle starrten die kleine, rundliche Frau mit dem silbergrauen Pferdeschwanz verständnislos an. Keiner von ihnen rührte sich auch nur einen Millimeter von der Stelle.

»Ja, begreift ihr denn nicht?«

Kate O’Sullivan begann heftig zu schluchzen. Gehetzt sah sie sich nach ihren Familienangehörigen um, während sich das Brausen des Sturmes zunehmend verstärkte.

»Sie sind! Sie sind es wirklich! Sie überfallen uns!«, rief sie. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit geöffnet. »Könnt ihr das Böse denn nicht fühlen?«

Ihre Tochter Hannah lief auf sie zu und wollte sie beruhigen, als es passierte. Die hölzernen Fensterläden, mit denen die Fenster und Türen gesichert waren, flogen krachend auf. Fensterscheiben zerbarsten. Sofort drang eisige Luft in die wohlig geheizte Wohnstube. Die Deckenlampe begann zu schwanken. Das Licht warf gespenstische Schatten auf die Wände. Dann wurde das Bild einer heiligen Madonna von seinem Nagel an der Wand gerissen. Es segelte quer durch das Wohnzimmer. Klirrend zerbrach das Glas beim Aufschlag an der gegenüberliegenden Wand.

Von Draußen ertönte plötzlich ein schauerliches, ein wahrhaft teuflisches Lachen, gefolgt von einem gellenden Schrei. Kreischende Stimmen waren zu hören. Es schien als würden sie von allen Seiten kommen, als würden sie auf etwas antworten.

Dann wieherten und schnaubten Pferde. Hufe scharrten. Hunde bellten. Und immer wieder krachten harte Schläge auf das Farmhaus nieder. Die Zimmerdecke vibrierte und Putz bröckelte herunter. Das Licht der Deckenlampe flackerte. Nach einer Weile ging es völlig aus. Im Raum wurde es stockdunkel.

Starr, vor Schrecken wie gelähmt standen die O’Sullivans im Wohnzimmer. Vor Angst zitternd sahen sie sich nach den Angreifern um. Aber nichts passierte. Noch blieben sie unsichtbar.

Wieder schnaubten die Pferde vor dem Haus. Dumpfe Rufe drangen in die Stube. Dann schmetterte ein Jagdhorn. Es war ein schauriger Ton.

Es war Kate O’Sullivan, die sich als erste wieder rührte.

»Sie sind es! Sie sind da!«, schrie sie völlig außer sich. »Lauft um euer Leben! Lauft endlich!«

Ihre Aufforderung kam zu spät!

Plötzlich drangen sie in das Haus ein - die Flammenreiter! Sie kamen durch die Fenster und die Türen. Einige brachen durch das zerschmetterte Dach ein. Andere rissen mächtige Breschen in die alten Natursteinwände.

All das wurde begleitet von einem Leuchten, das die Wohnstube gespenstisch ausleuchtete. Aus Boden und Wänden schien ein blassblaues Licht zu dringen. Um das Haus schlugen heftige elektromagnetische Entladungen in den Boden. Der die Blitze begleitende Donner betäubte die fünf im Haus gefangenen Menschen. Die Erde erbebte unter der höllischen Gewalt.

Kate O’Sullivan schrie qualvoll auf, als sich zwei Flammenreiter gleichzeitig vom Flur aus durch die Tür ins Wohnzimmer hineindrängten und auf ihren ältesten Sohn zustürzten. Sie trugen Wappenröcke der Ritterschaft des Mittelalters. In den schweren Rüstungen jedoch steckten Skelette, die bedrohlich ihre knochigen Finger nach dem jungen Mann ausstreckten.

Schreiend wollte Logan vor ihnen zurückweichen, doch sie waren schneller. Ohne Gnade packten sie ihn.

Als Kate O’Sullivan das sah, brach sie zusammen. Dem Sterben ihres ältesten Sohnes beizuwohnen war zu viel für sie. Die nun ins Haus stürmende wilde Meute von riesigen, skelettierten Hunden, die sich auf ihren Mann stürzten, nahm sie nicht mehr wahr. Und auch nicht, wie ihr Sohn Kenneth unter dem tödlichen Biss eines Hundes sein Leben aushauchte.

Die Hundedämonen sahen Wölfen ähnlich, waren aber deutlich größer und in ihren Augen loderte das ewige Feuer der jenseitigen Welt, dem Reich der Toten. Mit ihren Zähnen und Krallen verbreiteten sie die Schrecken und Qualen der Unterwelt.

Für Kate O’Sullivan war es fast eine Erlösung, als sich aus der Schar der höllischen Gestalten ein bärengroßer Dämon löste, unter dessen Pfoten Funken hervorsprühten. Er hatte unterarmlange Eckzähne und aus seinem Rücken wuchsen nadelspitze Knochen. Das säbelzahntigerähnliche Tier bestand nur aus dem Skelett, in dessen leeren Augenhöhlen es unheimlich glühte.

Der Dämon warf sich direkt auf die schluchzende und wimmernde Frau. Mit einem kräftigen Stoß eines Eckzahnes beendete er ihr Entsetzen.

Kate O’Sullivans letzter Gedanke galt ihrer Tochter Hannah. Die alte Frau hatte aber keine Kraft mehr sich aufzurichten. Sie konnte nicht mehr sehen, was mit dem Mädchen geschah.


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