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Kapitel 2

D

er beißende Geruch des Brandes lag noch immer über der Farm. Den dritten Tag waren sie nun dabei, die Folgen des Feuers nach dem Blitzeinschlag zu beseitigen. Und dennoch sah es immer noch so aus, als hätten sie erst vor wenigen Stunden die Arbeiten aufgenommen. Sie wussten, sie würden noch einige Tage dazu brauchen.

Noch längst hatten sie nicht alle Kuhkadaver beseitigen können, die unter dem eingestürzten Hallendach lagen. Einen Teil der Tiere hatten sie rechtzeitig aus der Stallung befreien können, aber sechsunddreißig von ihnen waren in dem Feuer qualvoll verbrannt.

Ebenso wie die Familie Cavanaugh gehörten die O’Sullivans zu den Ureinwohnern dieser Region. Bis in das Jahr 1543 konnte der Stammbaum zurückverfolgt werden. Vermutlich hatten sich ihre Vorfahren schon sehr viel früher in diesem Bereich Schottlands angesiedelt, doch waren ältere Geburts- und Kirchenregister bei einem Brand vernichtet worden. Sie waren mit dem Grund und Boden fest verwachsen und sie waren fest entschlossen, ihn auch niemals zu verlassen.

Auf der O’Sullivan-Farm lebten die Eltern mit ihren beiden erwachsenen Söhnen. Eigentlich war damit die Familienplanung abgeschlossen, aber eine unerwartete Schwangerschaft bereicherte die Familie vor vielen Jahren noch um eine Tochter. Sie wussten nicht, dass sie, wenn es nach dem Willen eines Mächtigen ging, nicht mehr lange hier leben sollten. Er würde dafür Sorge tragen, dass sie zu einem Spottpreis verkaufen und wegziehen würden.

Adam O’Sullivan war verbittert und versetzte einem der herumliegenden, nahezu völlig verkohlten Holzstück einen wütenden Tritt mit dem Fuß.

»Wir werden auf keinen Fall verkaufen!«, schimpfte er lautstark. »Und schon gar nicht an diesen gottverfluchten Hundesohn!«

»Na, dann hast du gleich die Gelegenheit es diesem Blutsauger ins Gesicht zu schleudern, Dad«, sagte Logan, sein älterer Sohn und deutete dabei mit einer Hand auf die schmale Zufahrtsstraße ihrer Farm. Eine schwarze, auf Hochglanz polierte Geländelimousine rollte in einer dichten Staubwolke auf sie zu.

»Los, Logan, lauf und bringe mir mein Gewehr«, knirschte der alte Adam O‘Sullivan.

Logan brauchte nicht mehr ins Haus laufen, um die Waffe zu holen. Hannah, Adams Tochter, stand jetzt neben ihm und drückte ihm ein altes Militärgewehr, eine ›Lee Enfield Rifle No. 4‹ in die Hand, mit dem ihr Großvater am 2. Weltkrieg teilgenommen hatte. Über das versteinerte Gesicht ihres Vaters huschte ein flüchtiges Lächeln. Er nickte ihr zu und nahm die Waffe. Sie hatte den Wagen ebenfalls kommen sehen und seine Gedanken erraten.

Der Porsche Cayenne Turbo rollte auf das, aus rohen Planken und Balken gezimmerte Einfahrtstor zu, das die Zufahrt überspannte. Die Räder des sportlichen SUVs hatten gerade den Boden der Farm erreicht, als Adam O’Sullivan auch schon anlegte, anvisierte und den Abzug durchzog.

Dreimal betätigte er den Abzug des Repetiergewehrs in schneller Schussfolge. Und alle drei Kaliber 303 Vollmantelgeschosse der Marke ›Sellier & Bellot‹ lagen dicht neben dem Luxuswagen. Adam O’Sullivan zeigte, dass er ein außerordentlich geübter Schütze war. Er hatte in voller Absicht am Ziel vorbeigeschossen.

Der Fahrer riss das Steuer herum. Der Wagen brach aus, schlingerte und kam kurz zum Stehen. Dann rammte der Mann hinter dem Lenkrad hastig den Rückwärtsgang hinein und wendete.

»Hoffentlich ist dir das eine Warnung, Hamilton!«, rief O’Sullivan ihm hinterher, auch wenn ihm bewusst war, dass dieser ihn nicht hören konnte.

»Hast du gesehen wie er Haken schlägt? Wie ein Hase auf der Flucht, dieser verdammte Feigling!«, jubelte sein jüngerer Sohn Kenneth und warf seine Schottenmütze, ein dunkelgrünes Balmoral-Barett, mit einem frechen Grinsen in die Luft. »Wir haben ihn verjagt, Vater!«

»Stimmt! Zumindest vorläufig! Er wird zu seinem Auftraggeber Abercrombie zurückfahren«, sagte Adam O’Sullivan und sah seinen Sohn zufrieden lächelnd an. »Er wird ihm sagen, dass auf ihn geschossen wurde und wir nicht nachgeben werden. Aber wir sollten nicht glauben, dass wir jetzt gewonnen haben. So schnell wird dieser elende Hundesohn keine Ruhe geben!«

Hannah wollte ihren erwachsenen Brüdern schon um den Hals fallen, als sich ihre Mutter Kate einmischte. Sie konnte ihre Freude nicht teilen.

»Freut euch nicht zu früh! Euer Vater hat Recht«, bremste sie kopfschüttelnd. »Elliot Abercrombie hat noch nie nachgegeben. Er hat immer bekommen, was er sich in den Kopf gesetzt hat.«

Adam O’Sullivan legte seiner Frau beruhigend einen Arm um die Schulter.

»Er kann uns nicht zwingen, Kate!«

»Rechtlich stimmt das wohl«, gab die rundliche Frau mit dem silbergrauen Pferdeschwanz zu, wandte aber ein: »Er hat seinen Gehilfen! Und Graham Hamilton ist ein williges Werkzeug. Der ist knallhart und vor allem schreckt er vor nichts zurück! Für heute mögt ihr ihn verjagt haben, aber ihr könnt seit sicher, es wird nicht lange dauern und er taucht wieder auf.«

»Kate!« Adam O’Sullivan legte ihr seine beiden Hände auf die zerbrechlich wirkenden Schultern und sah ihr liebevoll in die Augen. »Dieser Hamilton ist zweifelsohne ein unangenehmer Zeitgenosse, und sicher hast du Recht, er ist skrupellos und unberechenbar, aber er ist kein Mörder!«

»Wie kannst du dir da bloß so sicher sein?«, erwiderte sie ernst.

Ihr Mann schüttelte den Kopf.

»Ich bin mir nicht sicher, aber wir leben hier nicht im Wilden Westen Amerikas, wo Menschen von Ranchern von ihrem Land vertrieben wurden. Das hier ist immer noch Schottland. Hier herrschen Recht und Gesetz.«

Sie sah ihn anklagend an.

»Und die Stallung? Was ist mit der Stallung?«

»Da hat der Blitz eingeschlagen«, mischte sich Hannah ein.

»Genau!«, bekräftigte Logan. »Du siehst das viel zu schwarz.«

Kate beruhigte das nicht. Nachdenklich schwieg sie. Nichts konnte ihre Meinung ändern.

Sie sollte Recht behalten!

Noch in der Nacht wurden ihre schlimmsten Befürchtungen übertroffen.

»Das Wetter macht mir Sorge.« Adam O’Sullivan besah sich den Himmel. Es hatte aufgefrischt.

»Ja, es sieht nach Gewitter aus«, bestätigte Logan, bevor sie das Haus betraten.

»Die Flammenreiter werden heute Nacht unterwegs sein«, meinte Kenneth mit einem leisen Lachen.

»Kannst Du sie am Himmel reiten seh’n, mit ihren Feuerfackeln, wie sie weh’n?«, summte Hannah vor sich hin. »Die Flammenreiter, sie zieh’n über’s Land und bringen den Tod aus knochiger Hand!«

Es war nur ein Spruch wie es so viele gab und die Kinder häufig als Abzählverse nahmen. Niemand glaubte wirklich daran, auch wenn die meisten Menschen in dieser abgelegenen Gegend abergläubisch waren.

Als Kate es hörte bekreuzigte sie sich unwillkürlich. Sie verspürte eine innere Unruhe. Ihr Gefühl sagte ihr, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.


Flammenreiter

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