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Kapitel 8

D

er junge Cavanaugh war so erschöpft, dass er bereits kurz nach dem Gespräch mit den Beamten des New Scotland Yard auf sein Zimmer ging, sich auf das Bett legte und direkt einschlief. Er bekam Albträume. Sie plagten ihn für den Rest der Nacht. Dennoch erwachte er erst gegen neun Uhr am nächsten Tag.

Er trat ans Fenster und sah hinaus.

Der neue Morgen war in wolkenloser Klarheit angebrochen. Nichts, aber auch gar nichts, erinnerte mehr an den wütenden Sturm der vergangenen Nacht. Die Rauchwolken über dem Hof der O’Sullivans hatten sich verzogen. Das Blattwerk des kleinen Wäldchens leuchtete in einem satten Gemisch aus Grün, Gelb und Rot. Die Sonne stand noch nicht weit über dem Horizont und es sah aus, als ob es ein friedlicher Tag wie so viele zuvor werden würde. Unter normalen Bedingungen wäre es ein wundervoller Morgen gewesen, wäre nicht Hannah immer noch verschwunden. Vielleicht wussten seine Eltern schon etwas Neues. Er nahm sich vor, sie gleich danach zu fragen.

Nachdem er sich frisch gemacht und angekleidet hatte, erschien er in der Küche. Er begrüßte seine Mutter mit einem Kuss auf die Wange.

»Du musst Hunger haben, meine Junge«, stellte seine Mutter fürsorglich fest. »Und ganz sicher möchtest Du einen starken schwarzen Kaffee, so wie immer, oder?«

Er nickte ihr zu.

»Hat sich die Polizei schon gemeldet?« Er nahm die Tasse entgegen, die ihm seine Mutter reichte. »Hat man schon Hannah gefunden?«

Seine Mutter schüttelte den Kopf.

»Magst Du Eier und Speck?«, versuchte sie ihn abzulenken. Callum Cavanaugh warf ihr einen prüfenden Blick zu. Seine Mutter wirkte blass.

»Ich habe etwas zu erledigen.« Er nahm einen Schluck Kaffee und wartete darauf, dass ihn seine Mutter fragen würde, was er zu tun hätte. Aber sie fragte ihn nicht danach und er war froh darum. Er hätte es ihr nicht sagen wollen, lügen aber auch nicht.

»Du musst aber frühstücken, Callum!«, verlangte seine Mutter.

Er fügte sich ihrem Wunsch, auch wenn er erwachsen war und für sich selbst entscheiden konnte. Er wusste, dass sie es nur gut mit ihm meinte.

»Du hast recht«, gab er zu und nahm sie in den Arm. »Nach dieser Nacht ... Eier und Speck wären genau richtig.«

»Kommt sofort«, erwiderte sie schmunzelnd.

Nachdem er ausgiebig gefrühstückt hatte verließ er das Farmhaus und ging zum naheliegenden Schuppen. Dort hatte er sein Motorrad untergestellt. Es handelte sich um ein Erbstück von seinem Großvater, der im 2. Weltkrieg in Afrika als Motorradkurier eingesetzt war. Er hatte in der berühmten 8. Armee unter Oberbefehlshaber General Bernard Law Montgomery gedient. Immer wieder hatte ihm sein Großvater ausführlich von den Kabinettstückchen ›Montys‹ erzählt, wie der General von seinen Soldaten anerkennend genannt wurde. Großvater hatte die alte robuste und immer zuverlässige Triumph 3HW nach dem Krieg behalten dürfen. Auch wenn es ihm schwergefallen war, war er in seinen letzten Lebensjahren dem Wunsch Callums nachgekommen und sie hatten der Maschine mit einem satten Mattschwarz zu neuem Glanz verholfen.

Während sein Großvater noch vor Jahren immer seine Freude daran hatte, wenn Callum mit dem Motorrad durch die Gegend fuhr, machte sich seine Mutter immerzu unheimliche Sorgen. Sie fand Zweiräder einfach für viel zu gefährlich. Callum Cavanaugh wusste, dass sie sich heute noch viel mehr Sorgen machen würde, wenn er ihr gesagt hätte, was er jetzt zu tun gedachte. Sein Ziel war kein Geringerer als der mächtige, alles beherrschende Elliot Abercrombie.

Er stieg auf, nahm den Helm vom Lenkrad, setzte ihn auf, startete das Zweirad und machte sich auf den Weg. Sein Ziel war kein Geringerer als der mächtige, alles beherrschende Elliot Abercrombie.

Der mehrfache Multimillionär lebte allein. Er hatte keine Familie, zumindest wusste keiner etwas von Angehörigen. Er lebte auf einem prunkvollen Landsitz. Und anstatt Familienangehörige nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, ließ er sich an seinen Angestellten aus.

Der junge Cavanaugh kannte den Allmächtigen Abercrombie zur vom Sehen. Auch hatte er dessen Landsitz noch nie betreten. Um dorthin zu gelangen musste er fast dreißig Meilen mit dem Motorrad zurücklegen. Der Besitz lag in unmittelbarer Nähe zu einer Kleinstadt, in der wohl kaum mehr als zweitausend Seelen lebten. Die kleine Stadt war nichts Besonderes, aber es gab eine Bahnstation, die einzige im weiteren Umkreis. Von dort brauchte er noch weitere fünf Meilen bis Abercrombie Manor.

Er wollte sich nicht in der Stadt aufhalten und sie direkt durchqueren. Doch als er auf die Hauptstraße einfuhr, an der auch der kleine, eingleisige Bahnhof lag, sprang eine junge Frau auf die Fahrbahn. Sie winkte ihm mit beiden Armen zu. Callum Cavanaugh war gezwungen sein Motorrad hart abzubremsen, schließlich wollte er sie nicht anfahren. Unmittelbar neben der Frau hielt er an.

Er klappte sein getöntes Helmvisier hoch.

Sie lächelte ihn an.

Callum Cavanaugh lächelte zurück. Sie gefiel ihm auf Anhieb, auch wenn er an diesem Tag kein Interesse an einem Flirt hatte. Zu tief steckte ihm die letzte Nacht in den Knochen. Zu tief hatten sich die schrecklichen Bilder der Leichen in seinem Kopf eingebrannt, die er auf der O’Sullivan-Farm vorgefunden hatte. Und immerzu fragte er sich, was wohl mit Hannah geschehen sein mochte.

Dennoch war sie eines der Mädchen, das sich Callum Cavanaugh immer als Anhalterin gewünscht hatte. Er schätzte sie auf etwas über fünfeinhalb Fuß. Sie war schlank und hatte die Rundungen an den richtigen Stellen. Langes schwarzes Haar umspielte ihr feines Gesicht und fiel weich über Schulter und Rücken. Ihm gefielen auch ihre lustig dreinblickenden blauen Augen und die niedliche Stupsnase. Sie passten gut zu ihrem unternehmungslustigen Ausdruck. Ihr schmaler Mund mit den schwungvollen Lippen lächelte, als sie der junge Mann mit unverhohlenem Interesse von Kopf bis Fuß betrachtete.

»Hallo und Danke fürs Anhalten«, begrüßte sie ihn. »Können Sie mich vielleicht ein Stück mitnehmen?« Ihre Stimme klang einschmeichelnd. Sie lächelte ihn an. »Ich bin mit der ›ScotRail‹ gekommen, und warte bereits verzweifelt auf jemanden, der mich abholen sollte. Er scheint mich aber versetzt zu haben. Ich wollte mir ein Taxi nehmen, aber die gibt es hier wohl nicht, wie?«

Der junge Cavanaugh schmunzelte.

»Taxis werden Sie hier vergeblich suchen, Miss.« Er nahm den Helm ab, während er das sagte. »In dieser Gegend lohnt sich das nicht. Hier hat jeder irgendeinen fahrbaren Untersatz, und sei es auch nur ein Traktor.« Er lachte. Es war ein fröhliches, ein ansteckendes Lachen. »Und wenn nicht, geht er zu Fuß oder bleibt gleich zu Hause. Sie sind hier auf dem Land.«

Die junge attraktive Frau, die er auf gerade Anfang zwanzig schätzte, stimmte in sein Lachen ein.

»Scheint eine himmlisch verschlafene Gegend zu sein! Ich glaube, ich fange gerade an sie zu lieben!« Ihre Augen sahen ihn bittend an. »Also, nehmen Sie mich ein Stück mit?«

Callum Cavanaugh klappte die hinteren Fußrasten aus. Dann deutete er mit dem Daumen hinter sich.

»Wohl an, steigen Sie auf!«, meinte er galant. »Haben Sie denn kein Gepäck?«

»Ist im Schließfach untergebracht. Sowas gibt es hier immerhin«, spottete sie nicht ganz ernst gemeint und schwang sich auf das Motorrad. »Ich werde es später abholen. Ist sehr freundlich von Ihnen. Übrigens, ich heiße Honor Blackman.«

»Wow!«, entfuhr es dem jungen Cavanaugh. »So heißt doch auch diese Schauspielerin aus der Serie ›Avengers‹. Und hat die nicht auch die Pussy Galore in einem James Bond-Film gespielt? Die müsste jetzt aber sicher an die neunzig Jahre alt sein.« Er grinste frech. »So alt sehen Sie mir aber gar nicht aus!«

Sie erwiderte sein Grinsen mit einem fröhlichen Lachen.

»Ja, bekomme ich laufend zu hören«, entgegnete sie und schlang ihre Arme um seinen Oberkörper, um sich festzuhalten. »Mein Vater, Gott-hab-ihn-selig, war ein großer Fan von ihr. Naja, als ich dann kam, da konnte er wohl nicht anders und hat mir ihren Vornamen gegeben.«

»Es gibt Schlimmere«, meinte er. »Ich heiße Callum, Callum Cavanaugh.«

Er fuhr an. Erst als er die Stadtgrenze erreichte, nahm er etwas das Gas weg.

»Wohin wollen Sie eigentlich, Miss Blackman?«, fragte er lachend. »Ich weiß es doch nicht!«

»Oh, wie dumm von mir!« Erneut stimmte sie in sein Lachen ein. »Ich hätte daran denken sollen! Ich muss dringend zu Elliot Abercrombie. Wissen Sie zufällig, wo er sein Anwesen hat?«

Als sie den Namen Elliot Abercrombie aussprach, blieb ihm das Lachen im Halse stecken. Unwillkürlich bremste er so hart, dass das Motorrad etwas zu schlingern anfing. Er fing es ab und würgte dabei den Motor ab.

»Und ob ich weiß, wo der wohnt!«, zischte er wütend. Er drehte sich zu ihr um. »Ich weiß es nur zu gut!«


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