Читать книгу Drachensonne - Thomas Strehl - Страница 22
ОглавлениеJonaas lief durch den Wald. Er ahnte nicht, wie sehr sein Freund Swon im Sattel litt, er selbst jedoch hätte in diesem Moment alles für ein Reittier gegeben.
Seine Lungen schmerzten vom Lauf, seine Füße brannten, und seine Beine wollten schon seit Ewigkeiten nicht mehr.
Trotzdem gönnte er sich keine Pause.
Er hatte schon zu viel Zeit verloren und nur eine klitzekleine Chance, die Vorauseilenden zu erreichen, wenn er sich selbst nicht schonte.
Aber es war auch so ein recht hirnloses Unterfangen.
Der Schwarze auf seinem Panther, die Jäger zu Pferd und er, mit weitem Abstand dahinter, zu Fuß.
Ein normaler Mann hätte die Verfolgung gar nicht erst aufgenommen, ein Halbgescheiter sie nach einiger Überlegung abgebrochen. Er jedoch war immer noch unterwegs. Und das schon seit Stunden.
Hieß das, dass er hoffnungslos verrückt war?
Oder war sein Wille zur Wiedergutmachung so groß, dass er ihm keine andere Chance ließ?
Jonaas wusste es nicht, alles, was seinen Kopf beherrschte, alles, worauf er sich konzentrierte, war der richtige Weg.
Talkien und Swon rechneten nicht mit Verfolgern, also hatten sie sich auch nicht die Mühe gemacht, ihre Spuren zu verwischen.
Dem Pfad, den die beiden Pferde durch den Wald pflügten, hätte auch ein Blinder folgen können.
Freilich konnte sich das irgendwann ändern.
Wenn Jonaas zu viel Zeit verlor, dann würden sich Äste und Zweige wieder aufrichten und ihm die Suche erschweren. Auch das war ein Grund dafür, dass sich der Junge immer weiter anspornte.
Er sprang über Wurzelholz, duckte sich unter tief hängenden Ästen durch und sprintete Länge für Länge weiter.
Und obwohl er das Gewicht des Wassers und seiner Verpflegung gut auf seinem Rücken verteilt hatte, schien es mit jedem Schritt schwerer zu werden.
Noch ein Sprung über einen Ast, eine unsaubere Landung auf feuchtem Moos, und Jonaas kam ins Straucheln. Nur mit großer Mühe gelang es ihm, sein Vorwärtstaumeln zu stoppen und seinen Beinahesturz an einem Stamm abzufangen.
Er keuchte, atmete tief durch und spürte das Zittern in seinen Beinen.
Du brauchst eine Pause, sagte er sich. Wenn du hier hinknallst, dir den Kopf anschlägst und langsam verblutest, dann nützt das niemandem.
Er ließ den Rucksack von den Schultern gleiten und setzte sich prustend auf einen Baumstumpf.
Seine Kleidung war schweißnass, und da es auf den Abend zuging und frischer Wind aufkam, begann er zu frösteln.
Umziehen, dachte er, pellte sich aus Hemd und Hose, um gleich darauf die Ersatzsachen anzuziehen.
Dann wickelte er sich in seine Decke und gönnte sich etwas Obst und einen Schluck Wasser.
Alles, was du austrinkst und aufisst, brauchst du nicht mehr zu schleppen, dachte er, doch er widerstand der Verlockung, alles in sich hineinzustopfen, auch weil er nicht wusste, wann er seine Vorräte wieder auffüllen konnte.
Er blickte sich im Wald um, konnte jedoch keinen Baum erkennen, auf dem ihm bekannte, essbare Früchte wuchsen.
Ich werde darauf achten müssen, dachte er. Schließlich musste er etwas zu sich nehmen, wenn er bei Kräften bleiben wollte.
Schon jetzt fühlte er sich geschwächt.
Seine verletzte Schulter pochte, doch sie behinderte ihn weniger als befürchtet. Aber sein Körper war dank der dreihundert Höhlentage keine weiten Märsche mehr gewöhnt.
Jonaas sah sich um. Der Wald um ihn herum war wie immer, Vögel sangen, Insekten sirrten durch die Luft, und hier und da hastete ein kleines Tier durchs Unterholz.
Er hatte in den letzten Minuten so in seinen geschundenen Körper hineingehorcht, dass er seine Umgebung völlig außer Acht gelassen hatte.
Wenn ihn jemand angegriffen hätte, dann wäre er tot zu Boden gesunken, ehe er überhaupt begriffen hätte, was mit ihm geschah.
Auch daran musst du arbeiten, sagte sich der Junge.
Die Situation war neu, noch zu ungewohnt, ganz auf sich allein gestellt in einer fremden, vielleicht feindseligen Umgebung. Er konnte und durfte nicht weiterhin so unbedarft sein.
Wieder fragte sich der Junge, was er überhaupt hier tat.
Er wollte helfen, das war klar, war in seiner Ehre gekränkt worden, als der Finstere ausgerechnet in seiner Wache die Flamme stahl. War wütend darüber, dass er mit ansehen musste, wie zwei seiner Freunde starben.
Und, ja, verdammt noch mal, er wollte dafür Rache.
Aber war er der Richtige dafür?
War er der furchtbare Racheengel, ein großer Kämpfer, oder war der Entschluss des Rates, ihn aus allem rauszuhalten, nicht doch vielleicht sehr weise gewesen?
Wer war er schon? Was bildete er sich ein? Was konnte er, was andere nicht auch oder sogar besser konnten?
Jonaas grübelte, fand aber keine Antwort.
Alles, woran er sich erinnerte, war eine Szene in ihrer Hütte, als er fast aufgegeben hatte.
Als ihn erst seine Mutter wieder angeschoben hatte, dieses Abenteuer auf sich zu nehmen.
Sie schien fest davon überzeugt zu sein, dass er die Flamme zurückholen konnte.
Aber warum?
Vertraute sie ihm mehr als anderen, weil er ihr Sohn war, oder sah sie mehr in ihm, wusste sie mehr?
Schon oft hatte sie das Dorf mit Voraussagen und Ahnungen verblüfft. War es jetzt auch so?
Oder sah sie in ihm seinen Vater, der vielleicht ein Krieger war und geeigneter gewesen wäre, die Aufgabe zu übernehmen?
Sein Vater!
Wieder kreisten die Gedanken des Jungen um ihn.
Jahrelang hatte er nicht über seine Abstammung nachgedacht, und nun schien seine Herkunft vielleicht von entscheidender Bedeutung.
Automatisch griff der Junge an seinen Gürtel und strich über die Flöte.
Langsam zog er sie aus dem Holster, betrachtete sie aufmerksam und ließ das seltsame glatte Material immer wieder durch seine Finger gleiten.
Und dann, ganz in Gedanken, setzte er sie an die Lippen.
Er hatte erst ein- oder zweimal ein solches Musikinstrument in der Hand gehabt, und der Schäfer hatte ihm nicht gerade Talent attestiert, trotzdem fanden seine Finger mit traumwandlerischer Sicherheit die Löcher, und als er hineinblies, kam ein langer schöner Ton heraus.
Jonaas legte den Kopf schief, und seine Ohren verfolgten das Geräusch, das sich nur langsam nach und nach im Wald verlor.
Angetrieben von dem Erfolgserlebnis, setzte er die Flöte erneut an, und diesmal tanzten seine Finger über die Schalllöcher, als hätten sie nie im Leben etwas anderes getan.
Eine Melodie erklang, und beseelt von ihrer Schönheit und Reinheit, konnte Jonaas nicht mehr aufhören.
Erst wunderte er sich über seine ungeahnten Fähigkeiten, dann entspannte er sich nur noch und lauschte den Klängen, die er dem Instrument entlockte.
Er spielte laut, und wenn sich Feinde in der Nähe aufhielten, dann lockte er sie mit seinem Spiel zu sich.
Doch solche Gedanken hatten keinen Platz in seinem Kopf.
Er wusste, dass diese Töne, diese vollkommene Melodie, nichts Böses anlocken konnte.
Berauscht von dem unbekannten Lied spielte er immer weiter, seine Finger wirbelten hin und her, ohne zu zögern fanden sie die richtigen Löcher und entlockten dem Instrument Geräusche von unvorstellbarer Klarheit.
Bilder entstanden vor Jonaas' Augen, Bilder von sprudelnden Bächen, von riesigen Blüten in Farben, wie sie der Junge noch nie gesehen hatte, und Häusern aus glitzerndem Kristall.
Längst hatten die Tiere des Waldes innegehalten, Vögel lauschten der Melodie, Eichhörnchen verharrten in ihren Bewegungen, und selbst ein Fuchs ließ von der Maus ab, die er jagte, hielt den Kopf schief und horchte.
Auch die Bäume schienen Ohren zu bekommen, und der Wind erstarrte aus Angst, mit dem Rascheln der Blätter, das er erzeugte, das Flötenspiel zu stören.
Dann, so schnell wie er angefangen hatte, brach Jonaas ab.
Seine Finger ruhten auf der Flöte, und der letzte Ton verhallte im Nachthimmel.
Es war dunkel geworden, Sterne erstrahlten und erhellten das seltsame Ereignis mit milchigem Glanz.
Der Junge saß still da, ließ das Instrument sinken, nahm jedoch den Blick nicht von ihm.
Wie war das möglich?
Warum um alles in der Welt konnte er plötzlich Flöte spielen?
Oder war es so, wie er es während des Musizierens gespürt hatte? Spielte die Flöte mit ihm? Hatte sie ihm das Lied entlockt und nicht andersherum?
Sekundenlang verharrte der Wald in ehrfürchtigem Schweigen, dann nahm der erste Vogel seinen Gesang wieder auf, und die anderen folgten.
Lauter als zuvor, so, als wollten sie der Flöte zeigen, dass sie ebenbürtige Musiker waren.
Plötzlich raschelte das Gebüsch hinter Jonaas, und der Junge wirbelte herum.
Wieder hatte er seine Umgebung nicht im Auge behalten, abgelenkt vom Spiel.
Wieder wäre es ein Leichtes gewesen, ihn zu überrumpeln.
Doch es war kein Angreifer, der aus dem Gebüsch auf den schmalen Weg trat.
Es war ein Hirsch, der sein gewaltiges Geweih durch das Unterholz schob, nur um gleich darauf in voller Größe im Mondlicht dazustehen.
Das Tier war riesig, deutlich größer als das größte Pferd, das Jonaas je gesehen hatte, und sein Fell war weiß wie Schnee.
Dunkelbraune, gutmütige Augen betrachteten den Jungen aufmerksam, dann trat der Hirsch noch einen Schritt näher an Jonaas heran und verbeugte sich leicht.
»Es ist lange her, dass der Ruf uns ereilte«, sagte das Tier mit tiefer, melodischer Stimme und kam noch einen Schritt weiter auf Jonaas zu. »Und ich kam, so schnell es eben ging.«
Der Junge konnte seine Überraschung über den sprechenden Hirsch kaum verbergen. Noch seltsamer jedoch war, dass das Tier mit dem riesigen Geweih ihm überhaupt keine Angst einjagte.
Im Gegenteil: Er hatte das Gefühl, dass er dem Wesen bedingungslos vertrauen konnte.
Trotzdem verwirrten ihn das Erscheinen und die Worte des Hirsches.
Was meinte er mit dem Ruf?
Jonaas, der bisher nur die plappernden Zanthen als sprechende Tiere kannte, war klar, dass der Hirsch nicht aus der Gegend der Sangapao kommen konnte. Denn dann hätten die Jäger ihn sicherlich schon einmal gesehen und von der mächtigen Erscheinung berichtet.
»Wer bist du? Woher kommst du?«, fragte der Junge, als er sich einigermaßen gefasst hatte.
Der Hirsch schnaubte. »Du willst ein Araun sein und kennst Gwayhier nicht?«, stieß das Tier leicht verärgert hervor. »Erst rufst du mich, und nun fragst du, wer ich bin und woher ich komme. Wahrlich, du bist ein seltsamer Geselle.«
Jonaas verstand überhaupt nichts mehr.
Er hatte den Hirsch gerufen? Und was zum Kuckuck war ein Araun?
»Ich bin Jonaas«, sagte der Junge. Er wollte seiner Stimme einen festen Klang geben, doch irgendwie war er ein wenig eingeschüchtert. »Und ich bin kein Araun, was immer das sein mag, sondern ein Sangapao.« Er stotterte fast vor Aufregung. »Und wie kann ich dich rufen, wenn ich nicht einmal deinen Namen kenne?«
Der Hirsch verzog seine Schnauze und zeigte die Zähne.
Fast wirkte es wie ein Lächeln.
»Du kannst mich nicht veralbern«, sagte das Tier, und seine Augen umspielte ein schelmischer Zug. »Ein Sangapao sieht ganz anders aus. Du bist zweifelsohne ein Araun.«
Er deutete auf die Flöte. »Außerdem spielen nur Araun dieses Instrument, und nur ein Araun kann Gwayhier rufen.«
»Aber ...« Jonaas ging einige Schritte rückwärts, dann setzte er sich wieder auf den Baumstumpf. In seinem Kopf kreisten wilde Gedanken.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte der Hirsch, und als der Junge nicht direkt antwortete, sammelte das Tier etwas Moos vom Boden auf und begann, genüsslich zu äsen.
Und während der Hirsch seinem kargen Mahl nachging, zählte Jonaas eins und eins zusammen.
In den letzten Jahren, als das Dorf ihn zu akzeptieren gelernt hatte, hatte er fast vergessen, dass er kein Sangapao war oder besser gesagt nicht wie einer aussah.
Er überlegte. Einen Araun hatte der Hirsch ihn genannt.
War sein Vater ein Araun gewesen?
Und das Flötenspiel? Hatte er nicht vielleicht wirklich unbewusst eine Botschaft versandt? Brauchte er nicht Hilfe? Oder zumindest, er sah den gewaltigen Hirsch an, ein Reittier?
Jonaas schaffte ein Lächeln.
»Ich verfolge jemanden«, begann er. »Vielleicht kannst du wirklich etwas für mich tun.«
Das Tier hielt beim Kauen inne und beäugte den Jungen.
»Ich muss schneller vorwärtskommen«, sagte Jonaas. »Ich brauche ein Reittier.«
Gwayhier spuckte das Moos aus, sprang ein paar Schritte zurück und verzog das Gesicht.
»Ein Reittier!«, schrie er. »Du brauchst Gwayhier als Reittier!«
Er sprang auf und ab, war gar nicht mehr zu beruhigen.
»Warum rufst du kein Pferd?«, funkelte er den Jungen böse an. »Oder besser einen Esel.« Er warf den Kopf in den Nacken, und das Geweih funkelte im Mondlicht. »Ein Reittier, oh, noch nie hat mich ein Araun so beleidigt.«
Jonaas wurde es zu bunt. »Ich bin kein Araun, verdammt. Und ich weiß nicht, wer du bist und um was man dich normalerweise bittet.«
Er wurde leiser. »Ich weiß nur, dass ich Hilfe brauche.«
Der Junge war verzweifelt, und der Hirsch bemerkte das und hörte sofort auf zu toben.
»Du kennst mich wirklich nicht«, sagte er fassungslos. »Du treibst gar keine Spielchen mit mir.«
Jonaas antwortete nicht, schlug nur die Hände vors Gesicht und schluchzte.
Das weiße Tier trat langsam näher und stupste den Jungen mit der Schnauze an der Schulter an.
»Verzeih«, sagte er ruhig. »Wir waren lange nicht mehr in Karma'neah. Mir scheint, hier hat sich einiges verändert.«
Der Junge sah das Tier durch die Finger hindurch an.
»Und wenn du partout kein Araun sein willst, dann eben nicht.«
Der Hirsch ging in die Knie und legte sich neben den sitzenden Jungen. Sein Kopf befand sich nun in Augenhöhe, und Gwayhier sah Jonaas voller Mitleid an.
Sofort spürte der Junge ein Gefühl der Wärme und des Friedens.
»Was bedrückt dich?«, fragte der weiße Hirsch. »Erzähl mir davon.«
Und Jonaas begann.
Er erzählte von seinem Leben bei den Sangapao, von der Prüfung und ihrem unrühmlichen Ausgang. So gut es ging, versuchte er, sich an die Einzelheiten in der Höhle zu erinnern, denn der Hirsch wollte alles über den Angreifer wissen.
Dann berichtete er darüber, wie es ihm im Dorf ergangen war, von seinem Arrest und wie es ihm gelungen war, mit Hilfe seiner Mutter zu fliehen.
Am meisten jedoch interessierte das Tier die Geschichte seines Vaters und die Abschiedsgeschenke, die seine Mutter dem Jungen gegeben hatte.
Er betrachtete aufmerksam die Flöte, die Armstulpen und die Waffe mit den geheimnisvollen Glaskugeln.
Als Jonaas geendet hatte, sagte der weiße Hirsch lange Zeit nichts. Er betrachtete still und nachdenklich den Wald. Der Junge wollte schon fragen, ob alles in Ordnung war, da nickte das große Tier mit dem Kopf.
»Dann ist es also wahr«, sagte er leise. »Dann hat sich die Prophezeiung der Alten erfüllt.«
Jonaas verstand das Tier nicht. »Prophezeiung?«, fragte er.
»Ja, die Alten, die noch die großen Kriege erlebt haben, berichteten davon. Einige von ihnen konnten in die Zukunft sehen, weißt du? Und der Weiseste von allen hat vorausgesehen, dass der Frieden Karma’neahs nicht von ewiger Dauer sein wird.«
»Und du meinst, jetzt ist es so weit? Es wird Krieg geben?«
Der Hirsch schüttelte sein mächtiges Haupt. »Nicht, wenn wir schnell genug sind«, sagte er. »Und wenn du deine Aufgabe erfüllst.«
»Meine Aufgabe?«, fragte der Junge. »Was ist meine Aufgabe?«
Wieder antwortete das Tier nicht direkt. Wieder verlor sich sein Blick in der Ferne.
»Wenn die Flamme erlischt, die Welt im Dunkeln versinkt,
schwarze Magie Tod und Unheil bringt,
erscheint der Wanderer zwischen den Welten.
Zwei Seelen in Liebe vereint,
einen, was einst entzweit,
und heilen die Welt.«
Er sah den Jungen aus traurigen Augen an. »So lautet die alte Prophezeiung«, sagte er.
»Und was habe ich damit zu tun?«, fragte der Junge. Er konnte sich aus der Geschichte des Hirsches keinen Reim machen.
»Ich weiß es nicht«, sagte der Weiße. »Ich bin nur ein Hirsch, und zwar weiß, aber nicht weise.« Er zwinkerte dem Jungen zu. »Aber alles deutet für mich darauf hin, dass du etwas mit der Sache zu tun hast.« Er zeigte die Zähne. »Denn ob du es wahrhaben willst oder nicht, du bist ein Araun, und das ist Grund genug.«
»Tut mir leid, ich verstehe dich nicht.«
»Weißt du«, sagte das Tier. »Manchmal versteh ich mich selbst nicht. Aber glaube mir, ich werde dich jemandem vorstellen, der dir hilft, Licht in das Dunkel zu bringen.«
»Aber eigentlich muss ich dem Schwarzen hinterher, die Flamme retten und Talkien und Swon finden ...«, sagte der Junge und gähnte.
Diesmal grinste der Hirsch wirklich.
»Ganz schön viel auf einmal für einen kleinen Mann«, sagte Gwayhier. »Wie wäre es, wenn du dich erst einmal ausruhst. Mit Verlaub gesagt, du siehst nicht gerade frisch aus.«
Und wie auf Kommando gähnte Jonaas noch einmal. Seine Muskeln schmerzten, seine Knochen waren bleischwer.
»Ich kann keine Pause machen«, sagte er, auch wenn sein Körper etwas anderes behauptete.
»Ruh dich aus«, sagte der Hirsch leise. Seine Stimme hatte beinahe einen hypnotischen Klang. »Ich werde über dich wachen.«
Jonaas hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Seine Lider gehorchten ihm nicht mehr.
»Aber ...«
»Morgen wirst du sehr schnell vorankommen«, sagte der Hirsch. »Schließlich hast du ab jetzt ein Reittier.«
Jonaas lächelte, dann übermannte ihn vollends der Schlaf, und er fiel da, wo er gesessen hatte, ins Gras und schlief ein, noch bevor er ganz zum Liegen gekommen war.
Der Hirsch stellte sich über ihn, und seine Augen suchten die Sterne.
Die Welt ist erneut in Bewegung, dachte er. Veränderungen stehen an.
Er senkte den Blick und betrachtete den schlafenden Jungen.
»Zu lange fort«, murmelte er. »Wir waren zu lange fort.«
Und dann betete er zu seinen Göttern um Kraft und einen glücklichen Ausgang.