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Kriminalhauptkommissar Manfred Beltel kommt auf den Hund
ОглавлениеEs war wirklich verflixt. Gestern hatte man Manfred Beltel diesen kleinen Köter untergeschoben. Heute war er von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte sein Plumeau zerbissen und die Treppe mit Federn übersät vorgefunden. Nun hatte er dem kleinen Biest den Gefallen getan und war mit ihm spazieren gegangen. Kaum war er unterwegs, klingelte sein Handy. Die Dienststelle. Er solle sofort in ein Waldgebiet nahe der Madbachtalsperre kommen. Ein Umweg nach Hause, um die Töle loszuwerden, kostete Zeit. Das Biest musste mit, aber scheinbar waren Autos nicht seine Sache. Auch nicht, wenn es sich dabei um einen wunderschönen Oldtimer handelte, wie den 501 BMW Baujahr 1956. Beltel hatte den Wagen vor drei Jahren von einem Onkel geerbt und restaurieren lassen.
Er liebte das Auto in erster Linie aufgrund von Erinnerungen. Als Dreikäsehoch hatte er auf dem Beifahrersitz neben seinem Onkel kaum über die Windschutzscheibe hinausgucken können. Auf herrlichen Spritztouren hatte er in dem Auto die Welt im Umkreis von bis zu fünfzig Kilometern entdeckt.
Es widerstrebte ihm von ganzem Herzen, den Hund in den Wagen und auf die Polster zu lassen, aber leider ging es nicht anders.
Beltel gab den Versuch sofort auf, den Stinker in den Wagen zu hieven. Der Dackel – oder was für eine Rasse war es eigentlich? – hatte sofort gefährlich geknurrt, als Beltel sich nur zu ihm hinuntergebeugt hatte. Außer Dackel wusste Beltel wirklich nicht, was für eine weitere sture Promenadenmischung da noch seine Gene hinterlassen haben könnte.
Mist, es eilte doch! Trick siebzehn half. Ein Leckerli als Vorspeise, ein weiteres auf den Rücksitz. Der Hund war drin. Aber noch mehr Leckerlis halfen nicht, das Bellen abzustellen. So klein wie er war, so frech und so laut gebärdete er sich. Beltel musste das Viech unbedingt wieder loswerden und zwar schon morgen!
Er stellte das Auto auf dem Waldparkplatz oberhalb der Madbachtalsperre ab. Einige Abendschwimmer hatten ihre Fahrzeuge ebenfalls dort geparkt. Der Sommer hatte gerade erst angefangen und wirklich warm konnte das Wasser noch nicht sein. In jungen Jahren war er selbst sogar schon im Frühling in einen der Seen gesprungen und hatte es von allen seinen Freunden immer am längsten im Wasser ausgehalten. Er konnte Plantschen und Kindergeschrei hören. Das Kläffen des zurückgelassenen Hundes begleitete ihn weit auf dem Waldweg. Dann vernahm er die Stimmen der Kollegen und nach circa hundert Metern, zwischen den Bäumen, sah er sie auf einer Lichtung. Der Köter klang nun, Gott sei Dank, weit entfernt. Kriminalhauptkommissar Hans Funk kam ihm entgegen. Er sah mitgenommen aus.
»Verdammte Sauerei, Manfred«, sagte Funk und wies auf einen jungen Beamten in Uniform. »Der Kollege aus Euskirchen hat kotzen müssen.«
Der junge Mann war leichenblass, aber Funk sah ebenfalls danach aus, als könne sich sein Magen bald umdrehen. Beltel ahnte, was ihn erwarten würde. Die Spurensicherung war noch nicht abgeschlossen.
Langsam ging er auf den Körper zu, der wenige Meter vor ihm lag.
Der Kopf des Mannes war halb weggeschossen und das, was von seinem Schädel noch übrig war, bot einen grausigen Blick auf Gehirnreste. Er trug Jägerkleidung. Ein Gewehr war halb unter ihm eingeklemmt.
Die Wiesenblumen und das Gras hinter ihm waren über mehrere Quadratmeter blutrot gesprenkelt, dazwischen klebten verteilt Klümpchen von Hirnresten.
Beltel hatte in den langen Jahren, die er bei der Mordkommission war, schon einiges zu Gesicht bekommen. Trotzdem konnte er sich, genau wie Kollege Funk, eines flauen Gefühls im Magen nicht erwehren. Die von der Spurensicherung waren da schon um einiges hartgesottener. Die haute so schnell nichts um. Da die Sonne schon ziemlich tief stand und nicht mehr viel Licht gab, wurden die ringsum aufgebauten Flutlichter aktiviert. Dem sich bietenden Bild wurden Sequenzen eines Horrorfilms beigemischt: Rotglühendes Sonnenlicht, das durch den Wald bis auf die Lichtung vordrang, dazu das künstliche Scheinwerferlicht, das sich auf das Blut und die grausigen Hirnreste konzentrierte.
Funk war Beltel gefolgt und stand jetzt neben ihm.
»Wer hat ihn gefunden?«, wollte Beltel von seinem Kollegen wissen.
»Ein Mitarbeiter namens Klötsch«, erklärte Funk. »Der Tote heißt Nirbach. Bauunternehmer, oder vielmehr Ex-Bauunternehmer und Jagdpächter. Klötsch ist der Geschäftsführer der Firma, die Nirbachs Frau Viola gehört. Er war heute Morgen mit ihm verabredet, Nirbach ist aber nicht aufgetaucht. Da er auch den ganzen Tag über telefonisch nicht erreichbar war, ist Klötsch am späten Nachmittag bei ihm zuhause vorbei gefahren. Da er wusste, dass Nirbach letzte Nacht jagen wollte, hat er sich dann hier im Waldgebiet umgesehen.«
»Was wissen wir über den Toten?«, erkundigte sich Beltel.
»Ziemlich wohlhabend. Seine Villa ist nicht weit von hier. Seine Frau ist zurzeit im Urlaub. Klötsch wird sie anrufen und ihr mitteilen, was passiert ist. Er hatte leider nicht mehr die Zeit, auf dich zu warten, aber er kommt morgen früh ins Präsidium. Hab ihn für halb neun bestellt. Er hat was von drei Jungs erzählt, mit denen sein Boss vor vier Nächten ein unangenehmes Zusammentreffen hatte. Ich hab ihre Namen notiert. Sie wohnen hier in Loch. Da sollten wir am besten heute Abend noch vorbeischauen.«
»Unangenehmes Zusammentreffen?«, hakte der Kriminalhauptkommissar nach.
»Die Burschen haben sich an Hochständen vergriffen. Jugendlicher Vandalismus. Klötsch wollte nicht so richtig mit der Sprache raus. Er sagte nur, Nirbach hätte sich die Jungs ordentlich vorgeknöpft. Scheinbar hat er sich dabei aber arg gehen lassen. Ich konnte so viel verstehen, dass Nirbach es nicht bei einer kleinen Abreibung belassen hatte. Einer der Jungs hat angeblich gedroht, Nirbach umzubringen«, erklärte Funk.
»Gut, fahren wir gleich mal nach Loch. Ich rede noch kurz mit den Leuten von der Spurensicherung.«
Der Kriminalhauptkommissar erfuhr, dass keine tatrelevanten Spuren gefunden worden waren. Es gab auch keinerlei Kampfspuren und nur Fußabdrücke, die von Nirbach selbst stammten. Auch das Todesgeschoss war noch nicht aufgetaucht. Wahrscheinlich war das Projektil genau unter dem Toten tief in den Boden eingedrungen. Im Falle eines Querschlägers oder mehrerer abgegebener Schüsse würde man die Erde in einem großen Umkreis sieben müssen. Aber dass Nirbach aus einiger Entfernung mit einem Präzisionsgewehr erschossen worden war, stand fest.
Auf dem Rückweg zum Auto war Beltels Kopf voller dunkler Gedanken. Funk redete, aber der Hauptkommissar hörte nur mit einem Ohr hin.
»Sieht so aus, als hätten diese Jungs dem Jagdpächter einen Grund zum Hass geliefert«, sagte Funk. »Wenn du mich fragst, ich glaube, da wollte sich jemand rächen.«
Beltel wusste, dass man mit voreiligen Schlüssen vorsichtig sein musste. Dieser Job im Wald sah nicht nach der Tat von ein paar Jungs aus. Vielmehr schien dies das Werk eines Profis zu sein. Sein Gefühl sagte ihm, dass die Lösung nicht einfach sein würde.
Dann spukte da auch plötzlich wieder das Problem mit dem Hund in seinem Kopf herum. Diese kleine Plage brachte sein Leben vollkommen durcheinander.
Im Moment hatte er sich offenbar beruhigt. Kein Kläffen war zu hören. Aber so wenig Beltel das Tier kannte, so sicher war er, dass das Kerlchen gleich wieder nerven würde.
»Kennst du dich mit Hunden aus?«, wandte er sich an Funk, der neben ihm ging.
»Mit Hunden? Wieso?«
»Seit gestern Abend habe ich einen. Vollkommen unfreiwillig. Der Nachbar meiner Haushälterin hat ihn mir gebracht. Sie musste plötzlich ins Krankenhaus und der Nachbar kann sich nicht um das Tier kümmern, da er allergisch gegen Hundehaare ist.« Beltel erwähnte nicht, dass seine Haushälterin zur Alkoholentgiftung in die Ehrenwallsche Klinik nach Ahrweiler eingeliefert worden war. Er war selbst total überrascht gewesen, als er davon erfuhr. Karin Münch hatte ihre Arbeit immer sehr gut erledigt. Sie war sauber und zuverlässig. Beltel hätte bei ihr nie ein Suchtproblem vermutet, aber seit sie geschieden war, hatte sie anscheinend ihre Probleme mit Alkohol zu lösen versucht und dies vor ihrer Umwelt längere Zeit verborgen.
Beltel mochte die Frau, sie hatte ihre Arbeit immer gut gemacht, aber die Sache mit dem Hund war zu viel. Er musste das Tier in eine Tierpension geben. Nur wie sollte er auf die Schnelle eine geeignete finden? Dieser Fall mit dem toten Jagdpächter würde ihn vollkommen in Anspruch nehmen. Da konnte er nicht mit einem Dackel in der Gegend herumfahren und Hundepensionen abklappern.
Funk grinste. »Du bist also auf den Hund gekommen?« Etwas ernster fügte er hinzu: »Meine Eltern hatten mal einen Hund. Ich bevorzuge aber Katzen. Marga und ich haben eine. Molly, ein Schmusetier.«
»Das heißt, du kannst mir also auch nicht weiter helfen?«
»Du dachtest, ich hätte mich um den Hund kümmern können?«
»Hätte ja sein können. Aber ich versteh schon. Du hast ’ne Katze und ich nehme an, Marga …«
»Richtig, Marga wäre da garantiert nicht mit einverstanden.«
Beltel hatte es schon geahnt. Terror Dog, weiß Gott, welche Rasse, erwachte sofort, als sie auf den Parkplatz traten und ließ seinen Aggressionen freien Lauf. Funk grinste und Beltel schüttelte verdrossen den Kopf.