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2. Sektorenübergreifende Versorgungsformen

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Es liegt auf der Hand, dass sich die Notwendigkeit der medizinischen Versorgung nicht nach Sektorengrenzen richtet, sondern von der Art und Schwere der Erkrankung abhängig ist, die ggf. in fachübergreifender und interdisziplinärer Zusammenarbeit aller Leistungserbringer behandelt werden muss. Starre Sektorengrenzen können sowohl einen zweckmäßigen, an medizinischen Erfordernissen ausgerichteten Therapieverlauf behindern, als auch den medizinischen Fortschritt. Zur Überwindung der Sektorengrenzen sind übergreifende Versorgungsformen notwendig, die vom Gesetzgeber zunehmend weiterentwickelt werden.[5] Deshalb ist der G-BA nach § 137 Abs. 2 SGB V verpflichtet, die Richtlinien zur Qualitätssicherung nach § 92 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sektorenübergreifend auszurichten. Eine zentrale Funktion zur Überwindung der Sektorengrenzen kommt den vom DIMDI herausgegebenen „Diagnose und Prozedurenschlüssel“ zu, die sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich verwendet werden müssen, siehe dazu Rn. 102 ff.

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Traditionelle Formen, die sowohl die Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, wie auch an der stationären Krankenhausbehandlung ermöglichen, sind der Belegarztstatus eines niedergelassenen Vertragsarztes[6] nach § 121 SGB V i.V.m. § 18 KHEntgG[7] (siehe Rn. 587 ff.) und umgekehrt die Ermächtigung von Krankenhausärzten zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung nach §§ 116 oder 118a SGB V (siehe Rn. 593 ff.). Über ihre Notfallambulanzen leisten die Krankenhäuser und Hochschulkliniken (§ 117 SGB V) einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung (vgl. § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V). Da nach § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV die Tätigkeit in einem zugelassenen Krankenhaus oder einer zugelassenen Rehabilitationseinrichtung mit einer vertragsärztlichen Tätigkeit vereinbar ist, dürfen niedergelassene Vertragsärzte auch entsprechende Nebentätigkeiten als angestellte Ärzte oder „Honorarärzte“ im Krankenhaus annehmen.[8] Alle drei Formen haben gemein, dass die ambulanten ärztlichen Leistungen zur vertragsärztlichen Versorgung gehören und nach § 120 SGB V aus der Gesamtvergütung bezahlt werden.[9] Die ärztlichen Leistungserbringer, die über einen eigenständigen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen, sind den Regelungen des Vertragsarztrechts unterworfen.[10] Die im Sozialversicherungsrecht virulente Frage der „Scheinselbstständigkeit“ der Honorarärzte spielt für die vertragsarztrechtliche Beurteilung keine Rolle.[11] Ausführlich zu den Kooperationsmöglichkeiten niedergelassener Ärzte mit Krankenhäuser siehe Kap. 22.

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Durch dreiseitige Verträge nach §§ 115 ff. SGB V sollte für die vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus und das ambulante Operieren im Krankenhaus eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit geschaffen werden. Nachdem es sich in der Praxis als schwierig und langwierig erwies diese Verträge abzuschließen, hat der Gesetzgeber mit dem GKV-VStG die den Krankenhäusern nach § 116b SGB V eröffnete Möglichkeit, ambulante Behandlungen bei hochspezialisierten Leistungen, bei seltenen Erkrankungen und bei Erkrankungen mit besonderen Verläufen zu erbringen, in ein Anzeigeverfahren umgewandelt (siehe Rn. 615 ff.).[12] Die Genehmigung gilt nach § 116b Abs. 2 S. 4 SGB V als erteilt, wenn der zuständige Landesausschuss nicht binnen Frist von zwei Monaten mitteilt, dass der Anzeigeerstatter die Voraussetzungen nicht erfüllt.

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Die genannten Instrumente ermöglichen die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante ärztliche Leistungen. Diese bleiben jedoch, soweit sie nicht von Vertragsärzten außerhalb des Krankenhauses erbracht werden (§ 115a Abs. 2 S. 5 SGB V), Krankenhausleistungen, und gehören mithin nicht zur vertragsärztliche Versorgung nach § 73 Abs. 2 SGB V und werden demnach primär auch nicht aus der Gesamtvergütung bezahlt (vgl. §§ 115b Abs. 4 S. 4, 116b Abs. 6 S. 1 SGB V).[13] Allerdings erfolgt im Nachhinein eine Beteiligung bzw. Bereinigung der Gesamtvergütung, vgl. §§ 115b Abs. 5 S. 2, 116b Abs. 6 S. 13 SGB V.

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Weitere Öffnungen der Krankenhäuser für ambulante Leistungen ermöglichen die vom Zulassungsausschuss auszusprechenden Ermächtigungen für Hochschulambulanzen (§ 117 SGB V), für psychiatrische Institutsambulanzen (§ 118 SGB V) und für geriatrische Institutsambulanzen (§ 118a SGB V).

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Auch Einrichtungen, die nicht dem Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung angehören und in denen Ärzte tätig sind, können im Interesse einer besseren Verzahnung des Leistungsgeschehens ergänzend zur vertragsärztlichen Versorgung durch niedergelassene Vertragsärzte zur Behandlung ihrer Patienten ermächtigt werden, vgl. sozialpädiatrische Zentren (§ 119 SGB V), Einrichtungen der Behindertenhilfe (§ 119a SGB V), stationäre Pflegeeinrichtungen (§ 119b SGB V) und Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung (§ 119c SGB V). Ohne ausdrückliche Öffnungsregelung sind die Sektorengrenzen aber im Zweifel nicht zu überwinden.[14]

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Soweit in den genannten Einrichtungen ambulante ärztliche Leistungen erbracht werden dürfen, sind diese nach § 120 SGB V aus der Gesamtvergütung zu finanzieren. Die Vergütung soll zu festen Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung erfolgen (§ 120 Abs. 3a SGB V).

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Weitere Möglichkeiten zur sektorenübergreifenden Zusammenarbeit sind in der sog. besonderen Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V eröffnet (ausführlich dazu im Kap. 9).[15] Mit dem GKV-WSG kamen die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (§ 132d SGB V) und mit dem GSAV die Versorgungsverträge mit Hämophiliezentren (§ 132i SGB V) hinzu. § 37b SGB V gewährt den Versicherten einen Anspruch, über deren bedarfsgerechte Erfüllung die Krankenkassen nach § 132d Abs. 1 SGB V mit geeigneten Einrichtungen oder Personen Rahmenverträge abzuschließen haben, über die dann die Leistungserbringer in die Versorgung eingebunden werden. Details sind in den Empfehlungen nach § 132d Abs. 2 SGB V vorgegeben.[16] Ergänzend werden die sektorenübergreifenden Hospizeinrichtungen nach § 39a SGB V gefördert.

8. Kapitel VertragsarztrechtF. Die vertragsärztliche Versorgung › II. Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung

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