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Meine Weggefährten

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Zwei Damen, die zweifellos schon vor über einem halben Jahrhundert das Licht der Welt erblickt haben, steigen in meinen Wagen ein. Sie haben keine Kosten und Mühen für die Instandhaltung ihrer vergänglichen Hülle gescheut. Ihr reichlich gefülltes Bankkonto tragen sie mit aufwendiger Frisur, Make-up und Garderobe zu Markte.

Zunächst fällt mir nur der Gegensatz zwischen ihrer imposanten äußeren Erscheinung und ihrem niedrigen sprachlichen Niveau auf. Die beiden sind eine seltsame Mischung aus feinen Gesellschaftsdamen und Kneipenwirtinnen. Als ich, durch diese Seltsamkeit wachgerüttelt, genauer hinsehe, entdecke ich jedoch auch innerhalb des Äußerlichen und Sprachlichen eine Widersprüchlichkeit. Meine Nachbarin hat etwas zu viel des Guten auf ihr Gesicht aufgetragen, das deshalb ein bisschen vulgär wirkt. Andererseits hat das Gespräch durchaus etwas von einer gepflegten Konversation gehobener Kreise.

Meine Begleiterinnen erscheinen mir als seltsame Zwitterwesen: Entweder haben sie sich zu den Abgründen der Vulgarität herabgelassen, oder sie sind aus ihnen aufgestiegen – dabei allerdings auf halbem Weg steckengeblieben. Ich kann weder feststellen, woher sie kommen, noch einschätzen, welcher Schicht sie sich momentan mehr verbunden fühlen.

Nach einigen Minuten unterbricht die schräg hinter mir sitzende Dame das Gespräch mit ihrer Bekannten: »Wo sind wir hier eigentlich?« Noch ehe ich antworten kann, verrät sie plötzlich ihre erotischen Fantasien: »Stell dir vor, der Taxifahrer fährt uns in irgendeine verlassene, dunkle Gegend und vergewaltigt uns dann beide!«

»Das schafft er nicht«, sagt meine Beifahrerin.

»Und wenn doch?«

»Ach, zwei alte Frauen wie wir …«

»Ich bin erst 45!«

»Wie viele Jahre eigentlich schon?«

»Na gut, du hast mich erwischt: Ich bin schon 47. Ja, ja, da ist der Ofen aus.«

»Wie sollten wir das unseren Freunden erklären, wenn wir eine halbe Stunde später mit auf Halbmast hängendem Schlüpfer, aufgeknöpfter Bluse und verschmiertem Gesicht erschienen?«

»Wir müssten dann wohl die Wahrheit sagen: ›Wir sind vergewaltigt worden – aber schön war’s!‹« Beide freuen sich köstlich.

»Wir zahlen dann natürlich keinen Cent. Der Taxifahrer hat ja dafür seinen Spaß gehabt. Eigentlich müssten wir etwas bekommen.«

»Jeder am besten 100 Euro, das wäre wohl angemessen.«

»So lustige Gäste haben Sie nicht jeden Abend, wie?«

»Nur wenn ich getrunken habe fange ich an wie ein Wasserfall zu reden. Sonst bin ich ganz still.«

»Sie können bestimmt ein Buch schreiben von Ihren Erlebnissen. Ich habe schon einen Titel für Sie: Meine Weggefährten. Merken Sie sich den Titel.«

Die Dame hinter mir verabschiedet sich mit einem raffinierten Fluch, der hiermit in Erfüllung gegangenen ist: »Versuchen Sie mich zu vergessen – es wird Ihnen nicht gelingen!«

NachtTaxi

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