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Filmreife Szene

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Eine Menschentraube steht vor einem Chinarestaurant, die Asiaten diskutieren laut miteinander und gestikulieren wild dabei. Ich nähere mich im Schritttempo.

Als eine junge Asiatin mein Taxi sieht, löst sie sich sofort von der Gruppe, kommt zu mir herüber und öffnet die Beifahrertür. Sie bleibt aber draußen stehen und spricht erregt mit den anderen, die ein Stück näher an mein Taxi herangerückt sind. Ich kann kein Wort verstehen, sie sprechen chinesisch für mich. Der Lautstärkepegel nimmt stetig zu, ein heftiger Streit ist im Gange. Zeitweise schreien alle Beteiligten durcheinander. Ich warte mindestens fünf Minuten, doch der Disput scheint kein Ende zu nehmen. Das Mädchen macht keine Anstalten, sich ins Taxi zu setzen, während sie zur Menge gewandt immer verzweifelter spitze Laute hervorstößt.

Plötzlich springt sie blitzartig auf den Sitz, schlägt die Tür zu und sagt aufgeregt: »Bitte schnell, Türen zu machen! Fahren Sie!« Während ihrer Worte kommt es neben meinem Taxi zu einem Tumult, irgendjemand wird von den anderen zurückgehalten. Ich suche nach dem Knopf für die Zentralverriegelung, kann ihn aber nicht finden. Dieses ältere Mercedes-Modell besitzt anscheinend gar keinen.

Als ich anfahre, reißt jemand aus der Menge die Wagentür hinten rechts auf. Meine Beifahrerin schreit laut auf: »Neiiiinnn! Fahren Sie, schnell, schnell!« Die Verzweiflung der jungen Frau veranlasst mich zu einem Kick down, die alte Mercedesautomatik kommt aber nicht in die Gänge. Der junge Mann streckt bereits einen Fuß ins Taxi. Die Angst des Mädchens überträgt sich auf mich. Ich fühle mich plötzlich selbst in Gefahr und gebe ohne Rücksicht auf Verluste weiter Vollgas, ich will ihn abschütteln. Der Mann greift mit einer Hand an die halb geöffnete Tür, mit der anderen klammert er sich an den Türrahmen, eines seiner Beine hat er schon im Auto untergebracht, mit dem anderen hüpft er auf dem Asphalt hinterher. Mit letzter Kraft hechtet er auf die Rückbank. Ich stoppe.

Die anderen Asiaten rücken nach und der Streit geht munter weiter. Das Mädchen schreit nun im Auto mit vermutlich ihrem Freund auf der Rückbank. Sie scheint vor ihm eine panische Angst zu haben. Nach einer Weile fleht sie mich mit weinerlicher Stimme an: »Bitte, helfen Sie mir!«

»Soll ich die Polizei über Funk rufen?«, frage ich.

Die Diskussion setzt sich fort, ohne dass ich eine Antwort bekomme. Erst als ich die Frage zum dritten Mal stelle, ringt sich die junge Asiatin ein »Ja, Polizei« ab.

Während ich drohend meine Hand über die Funktaste halte und auf einen Moment warte, in dem der Funkverkehr etwas nachlässt, beruhigen sich alle Beteiligten etwas. Schließlich sagen alle einmütig: »Doch keine Polizei.«

Das Mädchen spricht mit dem jungen Mann auf der Rückbank. Plötzlich wird es ganz still und der junge Mann bringt leise mit leicht gesenktem Haupt einige Worte mühsam hervor. Nach einer lautstarken Erwiderung des Mädchens wiederholt er noch einmal lauter und deutlicher seine zuvor artikulierten Laute. Ich bin mir sicher, dass sich ihr Partner entschuldigen oder irgendein Versprechen abgeben muss, ohne dass ich auch nur den Sinn eines einzigen Wortes erahnen kann. Dann steigen beide wieder aus. Der Mann hat sein Ziel erreicht.

NachtTaxi

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