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4. Theologie der dritten Wege

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Was kann Theologie in einer solchen Situation leisten? Nun kann Theologie solche Konflikte nicht einfach klären. Wenn wir uns die Basismentalitäten des heutigen Denkens ansehen, dann ist die wissenschaftliche Theologie hoffnungslos modern. Für die einen kann sie kein Teil einer Lösung sein, denn sie ist für den christlichen Glauben das Problem schlechthin, die Ursache allen Niedergangs in der liberalen Christenheit. Für die anderen postmodernen Geister ist sie schlicht und einfach zu kompliziert – und daher letztlich irrelevant. Nun ist jede Theologin bzw. jeder Theologe in heutigen Fragen in irgendeiner Form auch Partei und kann sich nicht anmaßen, wie ein Schiedsrichter über den Gegensätzen zu stehen. Es wäre in den politischen wie in den religiösen Fragen unserer Zeit auch unsinnig, der Sehnsucht nach der verlorenen Mitte nachzuhängen, sich in eine spannungslose, konsensfixierte Harmonie flüchten zu wollen. Konflikte sind wesentlich, sie sind notwendig – nur muss man auch das Streiten lernen.

Es kann nicht darum gehen, zwischen den Extremen unserer Zeit „den“ dritten Weg zu finden, den Weg der Vernunft und der Mitte, auf dem sich doch bitte alle Menschen guten Willens einfinden mögen. Im schlimmsten Fall ist das auch wieder eine fundamentalistische Sehnsucht. Kein dritter Weg ist die Lösung, sondern die Freiheit zu dritten Wegen: Wege, auf denen Gläubige miteinander ringen und diskutieren, aufeinander hören und voneinander lernen, wo sie nicht vorschnell Einigung suchen auf Kosten der Gründlichkeit, aber auch im Gespräch bleiben, solange sie einander nicht wirklich begreifen. Viele Fragen der gegenwärtigen Christenheit werden nicht auf dem Niveau und in der Atmosphäre diskutiert, wie es angemessen und hilfreich wäre; siehe die Freischwimmer-Debatte. In diesem Sinne möchte ich in diesem Buch dazu beitragen, einige Konflikte zumindest zu versachlichen und diskutierbar zu machen.

Im achten Teil der Star-Wars-Reihe wurde diese Einsicht so formuliert: „Nur so können wir siegen: nicht bekämpfen, was wir hassen, sondern retten, was wir lieben.“ Fundamentalismus und Relativismus sind Versuchungen, denen man auch nicht in Form ihrer Bekämpfung erliegen darf. Die Extreme stabilisieren sich gegenseitig, vor allem durch den Blick auf ihr jeweiliges Gegenbild. Oder mit Nietzsche gesagt: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“17

Besser streiten lernen, darum muss es heute in vielen christlichen Kreisen gehen. Zwischen radikaler Totalkritik der jeweils anderen und großer Gleichgültigkeit bzw. Kontaktvermeidung gibt es einen weiten Raum, in dem Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Voraussetzungen Fragen stellen und diskutieren können. Diesen Raum wieder zu vergrößern ist heute eine Aufgabe, die nur von mehreren Seiten gleichzeitig angegangen werden kann.

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