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Vorwort
ОглавлениеIm Mai 2016 habe ich erstmals bei Worthaus e. V. als Referent mitgearbeitet und zwei Vorträge über Martin Luther gehalten. Worthaus ist ein Projekt, das theologische Vorträge über zentrale Aspekte des christlichen Glaubens im Internet zur Verfügung stellt. Anschließend hatte ich in den letzten beiden Jahren viele Gespräche mit Menschen, die sich durch Beiträge von Worthaus sehr bereichert fühlten. Gleichzeitig sind bei mir auch eine Reihe von Rückmeldungen angekommen von Gläubigen, die sich durch diese Impulse verunsichert fühlen, teilweise auch verletzt und verärgert.
Im Herbst 2017 erschien ein vielgelesener Blog-Artikel mit dem Titel: Worthaus – Universitätstheologie für Evangelikale?1 Dort hieß es schon in der Einleitung: „Worthaus macht universitäre Theologie populär – auch unter Evangelikalen.“ Das war nicht als Kompliment gemeint. Ich denke aber, man müsste das zuerst auch als ein solches lesen. Es ist alles andere als einfach, wissenschaftliche Theologie unter Christen populär zu machen. Genau das aber ist vor allem Prof. Dr. Siegfried Zimmer und anderen in den letzten Jahren gelungen. Die Beiträge bei Worthaus werden durchweg von Zehntausenden Christen gehört, teilweise von Hunderttausenden, die in vielen Vorträgen eine wesentliche Hilfe für ihren Glaubensweg finden. Dafür gibt es offensichtlich eine Nachfrage. Die hier versammelten Beiträge setzen sich ebenfalls ein solches Ziel: theologische Erkenntnisse möglichst verständlich zu vermitteln.
Insgesamt ist nicht zu überhören, dass manche Christen erhebliche Anfragen an die moderne wissenschaftliche Theologie insgesamt haben. Das ist ihr gutes Recht – Theologinnen und Theologen sollten genau hinhören, auch, wo sie bisweilen recht pauschal kritisiert werden.
Nun ist es so: Die Universitätstheologie hat keine Mailadresse. Niemand kann sich anmaßen, im Namen der Theologie jede mögliche Frage zu klären. Auch innerhalb der Theologie gibt es viele kontroverse Diskussionen. Aber vielleicht gelingt es ja, manche heiße Debatte unter Christen dadurch etwas zu versachlichen, dass man sie differenziert aufgreift. Manche Beiträge dieses Buches sind aus solchen Diskussionen heraus entstanden. Andere gehen zurück auf eine Reihe von Vorträgen, die ich im Laufe des letzten Jahres gehalten habe.2
Vielleicht hilft insgesamt ein Bild aus der Landwirtschaft, um meine Absicht mit diesem Buch deutlich zu machen.3 In der industriellen Landwirtschaft gab es einen langfristigen Trend zum Anbau in Monokulturen. Die Konzentration auf ein einziges Saatgut ermöglicht die kurzfristig effektive Konzentration der Arbeitsabläufe und erhebliche Ertragssteigerungen. Auf Dauer zeigt sich jedoch mehr und mehr, dass ein solches Verfahren für den Boden wie auch für die Pflanzen (durch vermehrten Schädlingsbefall) und die Umwelt insgesamt ruinös werden kann. Die viel gesündere Entwicklung zeigt sich in einem Mischanbau. Mehrere Pflanzenarten werden zusammen angepflanzt. Was zunächst mehr Mühe macht, erweist sich auf die Dauer als nachhaltiger.
Übertragen wir das Bild auf das Christentum: Es gibt globale Trends zur spirituellen Monokultur. Immer mehr Gemeinden und Kirchen entwickeln ein eindeutiges Profil, in Lehre, Musikstil und Lebensgefühl gewinnt alles eine klare und konsequente Handschrift, sei es liberal, evangelikal, charismatisch etc. Natürlich haben gewisse Konzentrationen ihr Recht und ihre besonderen Chancen. Und doch steigern solche Profilierungen auf Dauer die Gefahr der Vereinseitigung. Gegenseitige Bereicherung fällt aus, genauso wie wechselseitige Kritik. In diesem Buch werden Prozesse der Polarisierung untersucht und beschrieben mit der Absicht, die Brücken, die Übergänge und Verbindungstunnel zwischen den Lagern zu pflegen und zu stärken. Unterschiedliche Frömmigkeitsstile brauchen einander zur Ergänzung, verschiedene Phasen des Glaubens können auch zeitversetzt nebeneinander bestehen, so manche notwendige Auseinandersetzung könnte verständnisvoller und gründlicher geführt werden.
Für freundliche Ermutigungen und kritische Ermahnungen danke ich den Marburger Freunden Michael vom Ende, Tobias Faix, Frank Lüdke und Jürgen Mette. Mit Hinweisen und Korrekturen haben sich Jakob Kimpel und Daria Prinke verdient gemacht.