Читать книгу Ein halbes Jahr Amerika - Tiffany Anders - Страница 3

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Mein Mann wollte unbedingt nach Amerika auswandern und da er ein richtig gutes Jobangebot als Informatiker in Texas bekommen hat, haben wir tatsächlich unsere Sachen gepackt und sind in die USA ausgewandert. Für mich war es damals wirklich ein großes Abenteuer, da ich die USA nur aus dem Fernsehen und Erzählungen kannte. Ich kam nicht so schnell zurecht, wie mein Mann Thorben, oder unsere Kinder Lena und Bjarne. Thorben konnte perfekt englisch, da er schon einmal in den USA gelebt hatte. Er passte auch richtig gut in die USA. Jedenfalls hätte ich mir damals Amerikaner so vorgestellt. Groß und breit, wie ein Abwehrspieler beim Football. Außerdem ließ er sich von niemandem etwas sagen und er stand zu seinem Wort. Wenn er was wollte, dann passierte es auch.

Lena wurde in die erste Klasse gesteckt, obwohl sie in Deutschland die erste Klasse gerade abgeschlossen hatte. Doch sie wurde nach drei Wochen schon in die zweite Klasse hoch gesetzt, da sie unglaublich schnell englisch lernte und sonst auch wirklich gut in der Schule war. Man merkte schnell, dass sie in der amerikanischen Schule besser zurechtkam, als in der Deutschen. In den USA wurde sie von Anfang an nach ihren Stärken gefordert und gefördert und das waren einige. In der deutschen Schule war Lena ständig langweilig, da sie schneller lernte, als ihre Klassenkameraden und immer warten musste, bis diese mit ihrem Pensum durch waren. Auch schon nach 2 Monaten wurde sie auf der Straße gefragt, ob sie nicht modeln möchte. Lena sah auch aus, als wäre sie dem neustem Schönheitskatalog entsprungen. Sie hatte lange blonde Haare bis zum Hintern, wunderschöne große blaue Augen und für eine damals 7 jährige richtig lange Beine. Lena brachte es sehr viel Spaß zu modeln, also ließen wir sie, solange ihre Schule oder Familie und Freunde nicht darunter leiden mussten.

Ihr Bruder Bjarne schlug viel mehr nach dem Papa. Er war mit seinen 10 Jahren schon genauso kräftig wie er aussah. Er war nicht dick, aber sehr kräftig gebaut. Thorben sagte immer, das Bjarne bestimmt mal Footballer wird und die Frauen auf ihn fliegen würden. Mit seinen blauen Augen, blondem Haar und dem charmanten Grinsen, das zumindest schon mal jedes Omiherz zum schmelzen brachte. Er hatte auch keine Probleme, sich in der neuen Heimat einzuleben. Schon wenige Tage im Kindergarten und er brachte den ersten Kumpel mit nach Hause.

Als wir in den USA ankamen hatten wir sofort ein kleines Häuschen mit Garten in einem Vorort von Houston in Texas und zwei Autos. Der Chef von Thorben hatte für alles gesorgt, sogar für die Anmeldungen in der Schule und Kindergarten. Mittlerweile waren Thorben und sein ehemaliger Chef, Boris, sehr gute Freunde. Thorben und Boris waren fast jeden Samstag unterwegs zum „rumballern“ .Entweder sie spielten Paintball oder sie ballerten irgendwo in der Wüste auf irgendwelche Gegenstände oder Bäume. Wenn man Boris sah konnte man denken, er würde nach 10 Meter sprinten irgendwo keuchend in der Ecke liegen. Er war nur 165 cm groß und bestimmt fast genauso breit, aber voll fit. Wir machten oft Witze über seine Glatze, da sein Kopf wirklich kugelrund war und die Sonne sich sehr schön auf seiner Kopfhaut spiegelte. Thorben rasierte sich die Kopfhaare auch immer ab, da es schon einige kahle Stellen gab, aber so rund war Thorbens Kopf nicht. Boris war ein totaler Witzbold, in seiner Nähe hatte man immer etwas zu lachen. Während die Männer sich zum ballern traffen, machte ich mir mit Lydia, der Frau von Boris und den Kindern einen schönen Tag. Allerdings waren unsere Unternehmungen abwechslungsreicher. Wir fuhren an den Strand, in den Freizeit oder Wasserpark, in Zoos oder wir gingen einfach in den riesigen Nationalparks die es in den USA überall gibt, spazieren. Abends trafen wir uns dann wieder alle zum gemeinsamen Barbecue. Lydia war das absolute Gegenteil von Boris. Sie war bestimmt 185 cm groß mit dicken lockigen, blonden, langen Haaren, die ihr fast bis zum Hintern gingen. Meine Haare waren auch echt lang, aber ich hatte braune, glatte und keine dicken Haare. Manchmal war ich schon ein wenig neidisch auf Lydias Haare. Ihre Kleidung war immer absolut perfekt aufeinander abgestimmt. Wenn ich sie so auf der Straße gesehen hätte, hätte ich sicher gedacht, die ist bestimmt total eingebildet. Aber Lydia war eine ganz nette und wir verstanden uns auf Anhieb, von der Sprache mal abgesehen. Eigentlich passte sie rein äußerlich gar nicht zu Boris, aber sie waren schon seid 17 Jahren verheiratet und verstanden sich blendend. Wie zwei Jugendliche frisch verliebte kamen sie einem manchmal vor.

Ein Jahr nachdem wir in die USA kamen, gab es einen Lottojackpot von unglaublichen 109 Millionen Dollar und ich kaufte mir damals spaßeshalber ein Los. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich gewinnen könnte, vor allem nicht so eine Summe, doch ich gewann. Mein Mann kündigte seinen Job, ist aber immer noch für Boris da, wenn er Hilfe braucht. Und wir kauften uns eine alte Ranch mit einem 300qm Haus. In den USA war alles größer, aber ich war noch niemals in einem Haus, das so groß war und das uns ganz alleine gehörte. Wir haben eine große Veranda die einmal komplett über die ganze Breite und Länge des Hauses geht. Ich habe mir auch gleich eine Schaukel anfertigen lassen, auf der man locker mit fünf Leuten sitzen oder mit zwei liegen kann. So etwas kannte ich wirklich nur aus alten Western oder Filmen von Tom Saywer oder Huck Finn. Das Haus wurde drei Monate lang renoviert, bevor wir es beziehen konnten, da es schon jahrelang leer gestanden hat. Insgesamt hatte das Haus 11 Zimmer plus eine große Küche, 2 Badezimmer und 2 WC`s . Wenn man in das Haus reinkam, kam man auf einen großen Flur und wenn man nach Links ging kam man ins Büro. Wenn man nach rechts ging in ein leerstehendes Zimmer. Wenn man auf dem Flur rechts neben der Treppe lang ging, kam man direkt auf die Küche zu. Kurz vor der Küche auf der rechten Seite, war ein WC. Wenn man nach links ging kam man in das große Wohnzimmer, in das man auch vom Büro aus kam. Unsere Küche war noch größer als unser Wohnzimmer mit einem großen Tisch genau in der Mitte, an dem mindestens 32 Leute bequem sitzen konnten. Die Indianer hatten mir den Tisch extra angefertigt, er ist ein absolutes Unikat. In der oberen Etage befanden sich acht Zimmer, zwei Bäder und ein WC. Die Kinder bekamen ihre Zimmer genau nach ihren Vorstellungen eingerichtet. Im Wohnzimmer stand ein großer offener Kamin, der aber auch erstmal saniert werden musste. Das Haus war einfach ein Traum. Zu dem Haus gehörte Land das nicht ganz die Größe von Schleswig-Holstein hatte. Auf der Ranch befanden sich viele kleine Seen und Bäche, ein großer See, ein großer Wald und 2 kleinen Wäldchen.

Sehr bald wurde uns aber langweilig, da wir zwei Angestellte hatten, die sich um das Haus kümmerten und drei Arbeiter die für das riesige Gelände zuständig waren. Ich war zwar sehr oft mit den Kindern zum angeln oder baden und Thorben oft zur Jagd, aber wir hatten keine Herausforderungen mehr. Ich schlug Thorben vor, das wir uns ja Kühe kaufen könnten, da unser Land mal gemäht werden müsste und damit wir etwas zu tun hätten. Thorben war begeistert. Sofort am nächsten Morgen saß er mit Boris in seinem Pickup und fuhr in den Baumarkt. Als sie kurz nach Mittag wieder kamen, aßen sie nur schnell etwas, schnappten sich Bjarne und Sven den Sohn von Boris und fuhren dann sofort weiter aufs Land, um das Grundstück ein zu zäunen. Bis Boris und Thorben mit den kompletten einzäunen fertig waren, verging fast ein ganzes Jahr, aber sie waren glücklich und stolz, als sie es geschafft hatten.

Es dauerte keine Woche, bis Lydia und ich uns ernsthaft Gedanken um unsere Männer machten. Sie hatten nichts mehr zu tun und ihnen war langweilig. Mir kam der Gedanke, dass ich eigentlich meinen Traum endlich mal verwirklichen könnte. Ich wollte immer Pflegekinder, nur fehlte immer der Platz und das Geld. Jetzt wollte ich es anders und mehr, ich wollte eine Art Ferienerholung für benachteiligte Kinder und Jugendliche auf der Ranch schaffen. Beim Barbecue erzählte ich davon und die Männer waren sofort Feuer und Flamme. Aber so einfach wie ich es mir vorgestellt hatte, wollten die Männer es nicht haben. Anstatt Zelten, wollten sie richtige Bungalows überall in der Nähe des Hauses bauen, mit Strom und Wasseranschluss usw. . Eine Woche später fuhren die ersten LKW´s mit Material auf`s Gelände und die Männer machten sich ans Werk. Wir hatten einen Architekten aus Houston mit den Plänen beauftragt. Drei Jahre waren die Männer nun dabei und sie hatten insgesamt 20 Bungalows gebaut. Einer schöner und größer als der andere.

In den drei Jahren haben wir auch viele Kinder bei uns in den Ferien gehabt. Ich war glücklich. Einige Kinder kamen in jeden Ferien wieder und es wurden jedes Jahr mehr. Sie fühlten sich bei uns sehr wohl und viele weinten wenn die Ferien vorbei waren. Bei uns konnten die Kinder im großen See baden und angeln oder wer Lust hatte durfte bei den Kühen und Pferden helfen. Samstags nahmen Thorben, Boris, Sven und Bjarne, die Kinder die sie für geeignet hielten mit zum „rumballern“ und die anderen unternahmen etwas mit Lydia, mir und Lena. Thorben und ich hatten vier Betreuer und eine Betreuerin eingestellt, die uns mit den Kindern halfen. Es machte viel Spaß, es war aber nicht immer leicht mit vierzig bis fünfzig Kindern auf einem Haufen. Wenn die Ferien rum waren, brauchten wir erstmal wieder eine Woche um uns zu erholen.

Gleich in den ersten Ferien, kam Brenda zu uns. Brenda war so alt wie Lena und wuchs in einem Heim auf, da ihre Eltern beide durch Drogen ums Leben gekommen waren. Brenda war ein fröhlicher Wirbelwind, immer am tanzen und rumhopsen. Sie war etwas kleiner, als Lena, hatte aber genauso lange Haare nur in braun. Lena und Brenda waren von Anfang an die besten Freundinnen und nach zwei Tagen schlief Brenda schon nicht mehr in einem der Bungalows, sondern bei Lena mit im Zimmer. Nach Ende der Ferien gab es ein fürchterliches Heulkonzert und es war schwer die Beiden zu trennen. Ich dachte zu Anfang noch, es wird nur eine Ferienbekanntschaft von Lena, aber sie hatten ihre Handynummern ausgetauscht und schrieben sich jeden Tag hin und her, bis Brenda in den Ferien wieder bei uns war. Das ging drei Jahre so, bis uns die Heimleitung anrief und fragte, wie wir es schaffen würden, mit Brenda zurecht zu kommen. Thorben war am Telefon und konnte nicht so recht glauben, was sie ihm über Brenda erzählten. Sie würde sich ständig prügeln, petzen, lügen und stehlen. Thorben versicherte der Heimleitung, das sie sicher von einer anderen 12jährigen reden würden, doch die beharrte auf ihrem Standpunkt. Sie wollten Brenda in ein Heim für schwererziehbare Kinder geben. Das hätte aber bedeutet, dass Brenda in den Ferien nicht mehr zu uns kommen würde. Ich merkte, das Thorben langsam sauer wurde und verließ die Küche, da ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Thorben den Herren am anderen Ende der Leitung so richtig zur Schnecke machen würde. Aber es dauerte keine fünf Minuten da stand er vor meiner Hollywoodschaukel auf der Veranda. Er schaute mich an, grinste und zuckte mit den Schultern. Ich wusste genau, was er gemacht hatte und fragte ihn, wann sie kommen würde. In zwei Stunden, war die Antwort. Ich kuschelte mich an meinen Mann und konnte mir ein grinsen nicht verkneifen. Thorben ist ein Brummbär, ein ganz lieber, aber wenn es um das Wohl von Kindern geht, dann wird er zu einer Bestie. Lena und Bjarne kamen und kuschelten sich mit zu uns auf die Schaukel. Als Thorben Lena sagte, wir würden Brenda adoptieren rastete sie völlig aus vor Freude. Sie wollte ihr gleich schreiben, aber wir sagten ihr, sie solle sie jetzt erstmal in Ruhe lassen, da sie ihre Sachen packen müsste. Es fiel Lena schwer, aber sie versprach ihr nicht zu schreiben und zu warten, bis Brenda da war. Das Mädchen, das uns nach zweieinhalb Stunden, mit Sack und Pack, gebracht wurde, war unsere Brenda, das liebe, zurückhaltende, freundliche und gut erzogene Mädchen, das wir seit fast vier Jahren nur so kannten. Lena und Brenda waren sofort wieder unzertrennlich und das blieb auch so, bis sie auf verschiedene Colleges kamen. Aber selbst dann telefonierten oder schrieben sie sich noch täglich. Wir hatte auch nach Brendas Einzug bei uns, nie mehr Probleme, als die eines pupertierenden Teenagers.






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