Читать книгу MUTTER - Tim Curran - Страница 7
Kapitel 3
ОглавлениеNiemand sonst bemerkte es; natürlich nicht.
Ihre und seine Freunde, Familienmitglieder … sie alle kamen mit Geschenken und guten Wünschen, um die werdende Mutter zu sehen. Die Männer sprachen von ihren Erstgeborenen, die Frauen von der Geburt. Sie alle waren glücklich und zufrieden, genau wie Holly. Zumindest, bis sie gingen. Danach würde sie sich verändern.
Von Kissen gestützt lag sie im Bett, läutete ihre verdammte Glocke und wie ein sabbernder Hund kam Richard angerannt, in der wahnwitzigen Hoffnung, seine lächelnde, fröhliche Frau wäre nicht wieder verschwunden, die andere … die Kreatur wäre nicht zurückgekommen. Aber sie kam jedes Mal. Die fahle Frau mit dem schiefen Grinsen und den Augen, die wie ein Haufen Glasscherben leuchteten. Es wurde so schlimm, dass er zu zittern und zu schwitzen begann, wenn er nur nach dem Türknauf zu ihrem Zimmer griff, der ihm langsam wie das Schloss eines Sarges vorkam.
Eines Samstagnachmittags, kaum dass Hollys Onkel Dick und Tante Pauline gegangen waren, begann die Glocke zu läuten. Richard stürzte einen Schluck Bourbon hinunter und ging die Treppe hinauf, als trüge er einen Zentner Ziegelsteine auf dem Rücken. Vor der Tür hielt er inne, während sich sein Magen umdrehte. Er griff nach dem Türknauf … aber er konnte sich nicht überwinden, ihn zu berühren. Ihm war, als würde er damit die Tür eines Mausoleums aufsperren.
Da ertönte hinter der Tür der kratzige Sopran: »Und? Ich warte, Richard. Sei kein Frosch … ich kann dich da draußen riechen.«
Er griff nach dem Knauf und öffnete die Tür. Dann versuchte er, ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, aber das Beste, was er hinbekam, war eine schiefe Grimasse. Im Raum war es heiß, nicht nur warm, sondern brütend heiß, sengend geradezu, und es dampfte und stank wie in einem verdorbenen Sumpf. In seinem Kopf sah er blassgrüne Dämpfe, die von ihrer fettigen Haut aufstiegen. Und der Geruch … wie Dinge, die man aus Sümpfen und stehenden Teichen herausziehen mochte.
Wie?, fragte er sich. Wie konnte die Veränderung nur so schnell erfolgen?
Als Onkel Dick und Tante Pauline im Zimmer gewesen waren, hatte sie rotwangig, leuchtend und voller Leben ausgesehen. Die perfekte, kleine, glückliche Mutter, wunderschön und mit diesem warmen inneren Glanz strahlend. Es hatte nicht schlecht gerochen, nur ein Hauch von Flieder und Handcreme. Aber jetzt?
»Kauere da nicht rum wie ein mickriger Wurm, Richard«, sagte Holly zu ihm mit einer Stimme scharf wie ein Rasiermesser, das über gelbe Knochen schabte.
Aber er kauerte. Ihm war schwindelig und flau, beinahe überwältigt von dem, was er roch, fühlte und sah. Das war nicht seine Frau. Richard wusste nicht, wer oder was es war, aber es war ganz sicher nicht Holly. Das Ding saß da und starrte ihn mit leblosen Reptilienaugen und Haaren wie sprödes gelbes Stroh an, eine fettleibige und obszöne Kreatur, die am Trog gemästet wurde, bis sie wie ein mit Fett getränkter Schwamm angeschwollen war.
»Komm her, Richard«, sagte sie.
Sie bat ihn nicht, sie verlangte es. Er konnte sich nicht bewegen. Ihr Anblick und die Aura, die sie umgab, drehten ihm den Magen um. Sein Atem versagte ihm und seine Augen begannen zu tränen.
»Richard.« Ihre Finger reckten sich nach ihm wie spröde Zweige, die man von einem vertrockneten Busch gebrochen hatte. Ihre Augen glänzten wie nasse Käfer. »Komm her, Richard.«
Er stolperte vorwärts, versuchte zu lächeln und presste seine Zähne fest zusammen. Als er sich ihr näherte, nahm er den fischigen Geruch wahr, den sie ausstieß, und die abgestandene Hitze, die von ihr ausging. Es war, als näherte er sich einem brodelnden Kessel aus Talg und Knochen; heiß und ekelhaft.
Holly zeigte ihm ein blutleeres Lächeln, als er sich dem Bett näherte. »Ich brauche etwas, Richard, und du wirst gehen und es für mich holen.«
»Was? Was willst du denn?«
»Einen Fetal-Doppler«, sagte sie.
Er wusste, was das war. Ein Ultraschall-Doppler, der die hochfrequenten Schallwellen erfassen konnte, welche vom fötalen Herzen reflektiert wurden. Man nutzte ihn, um den Herzschlag des Babys zu hören.
»Du willst dem Herzschlag des Babys lauschen?«
Sie lächelte immer noch. »Ich will hören, was das Baby zu sagen hat.«
Richard konnte nicht sprechen. Er stand über ihr und versuchte sie anzusehen, versuchte irgendwie das, was sie gerade gesagt hatte, zu verstehen. Ich will hören, was das Baby zu sagen hat. Als ob … nun, als ob das Baby mit ihr sprechen würde. Aber das war einfach nur verrückt.
Holly sah ihn mit stumpfen, eisigen Augen an. Sie waren wie bodenlose Becken aus Formaldehyd. »Das willst du doch auch, nicht wahr, Richard? Willst du nicht wissen, was unsere Babys zu sagen haben?«
Babys? Hatte sie das gesagt? Er schluckte. »Aber der Ultraschall … es gibt nur ein Kind.«
Sie kicherte. »Gab, Richard, es gab nur eines. Es hat sich geteilt, weißt du.«