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Kapitel 5

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Es hatte natürlich nichts zu bedeuten, und er war mittlerweile so gut darin, das Offensichtliche zu leugnen, dass er das tatsächlich glaubte. Unabhängig davon, was er gesehen hatte, redete er sich ein, dass alles mit der Welt in Ordnung sei und er sich nur Sachen einbildete. Wahnvorstellungen, die durch ein seltsames Delirium hervorgebracht von Stress und Ungewissen ausgelöst wurden. Was er wirklich tun musste, war, sich selbst einzugestehen, dass etwas in seinem Kopf nicht richtig lief und er Hilfe brauchte. Vielleicht war es etwas Chemisches, Hormonelles oder Ererbtes. Wer konnte das schon sagen? Der Gedanke, sich an einen Therapeuten zu wenden, widerte ihn an. Wie die meisten Männer war er zu stolz, sich einzugestehen, dass er Hilfe brauchen könnte. Die Couch war für Schwächlinge und Dramaqueens, keine gewöhnlichen, gesunden Kerle wie ihn.

Dennoch begann er langsam anders darüber zu denken.

Wenn die diesen Scheiß aus meinem Kopf kriegen, setze ich mich liebend gern auf ihren verfickten Schoß und lutsche am Daumen, wenn es das ist, was ich dafür tun muss.

Das waren die Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, als er langsam einschlummerte. Wie üblich waren seine Träume furchtbare Angelegenheiten, in denen er durch einen Teil der Stadt gejagt wurde, den er nicht kannte und dem er nicht entkommen konnte. Mauern, die immer näherkamen. Straßen, die im Kreis verliefen. Türen, hinter denen sich tiefe, schwarze Abgründe verbargen. Treppenstufen, die ins Nichts führten. Und hinter ihm immer ein namenloses, furchteinflößendes Grauen, ein dunkler und schrecklicher Schatten, der dichte Wolken aus weißem Dampf ausstieß.

Kurz nach drei Uhr erwachte er.

Sofort konnte er das Buch riechen. Mitten in der Nacht roch es nicht länger nur alt und staubig wie zuvor, sondern stank wie das verrottete Fell eines Tieres: stechend und verdorben. Er hatte keine Ahnung, woher Holly solch ein Ding hatte, aber er musste es loswerden. Etwas anderes kam nicht infrage.

Im Mondschein, der durch das Fenster drang, konnte er Hollys schlafenden Körper neben sich sehen. Ihr Atem klang verschleimt und rasselte wie der eines tuberkulosekranken alten Mannes. Etwas im Zimmer war anders, verschoben. Er lag da und starrte in die Dunkelheit, während ihm Bäche von Schweiß über das Gesicht rannen und sich an seiner Kehle sammelten.

»Holly?«, wisperte er.

Er griff nach ihr und berührte ihren Hals. Sofort zog er die Hand mit einem erstickten Schrei weg. Es war nicht die glatte, wohlgeformte Halsbeuge, die er so gut kannte, sondern die fettige, borstige Haut eines Schweins.

Es darf nicht schon wieder passieren.

Holly streckte eine Hand aus, um die seine zu ergreifen. Doch es war nicht länger eine feminine, langgliedrige Hand, sondern eine abscheuliche Klaue, schwarz und faltig wie eine Dörrpflaume.

Da wusste er es.

Er wusste, neben was er lag.

»Oh Gott«, murmelte er, seine Zunge bleiern vor Angst. Die Luft war heiß und schwer wie Molasse und er konnte kaum atmen. Langsam drehte er den Kopf und sie setzte sich auf, ihre Augen reflektierend wie Quarzsplitter. Etwas lag in ihrem Schoß. Der Doppler.

»Was … was tust du?«, sagte er.

Ihre Stimme war rau wie borstige Haut. »Ich lausche.«

»Wem?«

»Dem, was in mir ist«, sagte sie, ihr Atem sauer und stechend. »Ich lausche der Musik in meinem Bauch.«

Zitternd und würgend stolperte er aus dem Raum.

Es gab keinen Zweifel mehr; er verlor den Verstand.

MUTTER

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