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1.2.3Administrative Einteilung

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Alle modernen Staaten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nach einer territorialen Logik mehrere Ebenen des politisch-administrativen Handelns etabliert haben. Zwischen den Staaten unterscheiden sich diese Systeme erheblich, gerade auch im Hinblick auf das Konzept der Region: Während die deutschen Bundesländer aus europäischer Perspektive politisch sehr starke Regionen darstellen (d. h. sie verfügen politisch und administrativ über starke Kompetenzen, z. B. in den Bereichen Bildung und Raumordnung), haben die französischen Régions eine im Verhältnis recht schwache Position; und in Kleinstaaten wie Luxemburg gibt es keine vergleichbare Politikebene.

Die angesprochenen Beispielregionen Hamburg und Allgäu lassen sich administrativ unterschiedlich fassen: Die Region Hamburg kann als Stadtstaat (also wie ein Bundesland) verstanden werden oder auch als Metropolregion, die darüber hinaus etliche Landkreise und kreisfreie Städte des Umlands in anderen Bundesländern (z. B. Schleswig-Holstein) umfasst. Das Allgäu ist nur indirekt als Region institutionalisiert. Man kann es verstehen als die drei Landkreise Unter-, Ober- und Ostallgäu, zu denen dann auch die drei kreisfreien Städte Memmingen, Kempten und Kaufbeuren dazuzuzählen sind. Eher technische räumliche Umgriffe wie die Planungsregion Allgäu ergänzen diese Sichtweise.

In der statistischen Betrachtung von Regionen besteht ein enger Zusammenhang zu administrativen Grenzen. Seit den 1980er-Jahren hat das Amt für Statistik der Europäischen Union (Eurostat) eine Systematik entwickelt, die eine vergleichbare Betrachtung von Raumeinheiten unter den EU-Ländern ermöglichen soll (EUR-Lex 2014; Destatis 2015). Der Begriff der NUTS-Klassifikation leitet sich von der französischen Bezeichnung ab: Nomenclature des Unités territoriales statistiques (Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik).

Für Deutschland gilt die folgende Einteilung:

 NUTS 0 – Nationalstaat

 NUTS 1 – Bundesland (einschl. Stadtstaat)

 NUTS 2 – Regierungsbezirk (oder analoge Einheiten)

 NUTS 3 – Landkreise und kreisfreie Städte

Die Zuordnung einer Region zu einer NUTS-Ebene erfolgt dabei auf Basis der Einwohnerzahlen und orientiert sich eng an der Verwaltungsgliederung der Staaten. NUTS-3-Regionen haben in der Regel zwischen 150 000 und 800 000 Einwohner. Auf der NUTS-2-Ebene variiert die Einwohnerzahl der Regionen zwischen 800 000 und 3 000 000 und NUTS-1-Regionen haben meist zwischen drei und sieben Mio. Einwohner. Ein Blick auf die europäische Karte zeigt, dass es nicht ganz einfach ist, eine wirkliche Vergleichbarkeit herzustellen (Abb. 3). Die politischen Traditionen in den Mitgliedsstaaten, aber auch die Bevölkerungsdichte ist in Europa sehr unterschiedlich, sodass auch die Systematik immer einen gewissen Kompromiss bedeutet: zwei Regionen derselben NUTS-Ebene mit einer vergleichbaren Einwohnerzahl können sich dadurch in der Fläche durchaus beträchtlich unterscheiden (vgl. bspw. die deutschen und die schwedischen NUTS-2-Regionen, Abb. 4).


Abb. 3 Die NUTS-Systematik im Mehr-Ebenen-System


Abb. 4 NUTS-2-Regionen in Europa

Die NUTS-Systematik setzt sich auch auf kleinräumigerer, kommunaler Ebene fort (Helmcke 2008). Die territoriale Einheit wird hier jedoch als Local Administrative Unit (LAU) bezeichnet. LAU 1 umfasst demnach Gemeindeverbände, also Verwaltungsgemeinschaften (Bayern), Samtgemeinden (Niedersachsen), Verbandsgemeinden (Rheinland-Pfalz) usw. Einzelgemeinden werden schließlich der LAU-2-Ebene zugeordnet. Nicht für alle Staaten ist die LAU-1-Ebene definiert, da es mitunter keinen administrativen Zusammenschluss von Gemeinden gibt (z. B. Italien, Niederlande). Ferner weisen nicht alle Staaten das gleiche Maß einer hierarchischer Gliederung auf: so sind Zypern oder Luxemburg jeweils sowohl NUTS-0-, -1-, -2- und -3-Region.

Statistische Raumeinheiten erscheinen auf den ersten Blick als ein technisches Hilfsmittel – in der Praxis sind sie aber hoch politisch. Zwei Beispiele verdeutlichen dies.

Für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist es Voraussetzung, eine NUTS-Systematik zu etablieren. Gerade für die osteuropäischen Transformationsstaaten (also Staaten, die einen Wechsel des vormals sozialistischen Politik- und Gesellschaftssystems vollzogen haben, z. B. Polen, Ungarn, Litauen) ist dies nicht ganz trivial: In sozialistischen Zeiten, zum Teil auch schon davor, hat zumeist ein recht zentralistisches Denken geherrscht, wonach nun die Regionalisierung ein wirkliches Umdenken erfordert. Die Einführung von subnationalen Einheiten geht dabei häufig mit der Etablierung von neuen politischen Ebenen einher, die aber nur schwer mit Leben zu füllen sind. Dieser Prozess der ‚Regionalisierung‘ wird vor allem dadurch befördert, dass die Vergabe europäischer Mittel die Etablierung einer regionalen Ebene voraussetzt (für das Beispiel Rumänien s. Benedek & Jordan 2007).

In Deutschland hingegen ist das föderale Denken in Bundesländern und auch der Bezug zu Regierungsbezirken recht etabliert. Allerdings ist anzumerken, dass die Ebene der Regierungsbezirke (NUTS 2) in einigen Ländern – beispielsweise in Rheinland-Pfalz oder Sachsen – politisch im Prinzip aufgelöst wurde, obwohl die statistische Einheit bestehen bleibt. In anderen Bundesländern haben Regierungsbezirke nie bestanden (z. B. Thüringen). Insbesondere in den neuen Bundesländern war die Abgrenzung von NUTS-Regionen auch für die Frage der Förderfähigkeit durch EU-Programme wichtig: Je nach Abgrenzung werden Schwellen der Förderfähigkeit über- oder unterschritten (s. Kap. 3.1).


Abb. 5 Vergleichbarkeit von NUTS-Regionen: BIP pro Kopf auf NUTS-0- und NUTS-2-Ebene im Jahr 2011 (eigene Darstellung; Daten: Eurostat 2015a)

Die NUTS-Klassifizierung ist zweifellos ein wichtiges Instrument, um die Entwicklung von Regionen zu vergleichen – ganz trivial ist das im Detail aus verschiedenen Gründen allerdings nicht. Das Beispiel Luxemburg verdeutlicht dies recht plastisch (s. Abb. 5): Bei einem europaweiten Vergleich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit pro Kopf steht Luxemburg auf der Ebene NUTS 0 mit Abstand auf Platz 1 (ausführlich zum Indikator BIP s. Kap. 3.2) – kein anderer Staat ist pro Einwohner so wirtschaftsstark. Im Vergleich mit anderen NUTS-2-Regionen hingegen steht Luxemburg nur noch auf Platz 2 hinter Inner London, und der Abstand zu den nachfolgenden Platzierungen ist deutlich geringer ausgeprägt. Dieses – auf den ersten Blick überraschende – Bild erklärt sich dadurch, dass im Falle des Kleinstaates Luxemburgs NUTS 0 und NUTS 2 identisch sind.

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