Читать книгу Die Reise Beginnt (Die Drei-Welten-Saga: 1) - Tobias Melder - Страница 3
Prolog
ОглавлениеEin schriller Schrei, gefolgt von einem heftigen Windstoß riss ihn aus seinem Schlaf. Ungläubig blickte er an sich herab und was er sah, verschlug ihm den Atem. Der Wind blähte die violette Robe aus dünner Seide, die er hielt, und ließ sie wild um seinem Körper tanzen. In seiner rechten Hand trug er einen langen, leichten Stab aus grau-weißem Holz, an dessen Spitze eine in allen nur erdenklichen Farben leuchtende Kugel eingefasst war. Jedoch war es nicht sein ungewöhnliches Erscheinungsbild, welches ihm den Atem raubte, sondern vielmehr die Tatsache, dass seine Füße mehrere hundert Meter über dem Boden baumelten. Was zum Teufel ist mit mir passiert, fragte er sich, wobei er noch Probleme hatte, all das zu verarbeiten. Das letzte, an das er sich erinnern konnte war, dass er in seinem Zimmer am Schreibtisch saß. Wo bin ich? Was mache ich hier? Mühsam versuchte sein Verstand, sich einen Reim aus alldem zu machen.
Unter ihm ersteckte sich eine karge Wüstenlandschaft, soweit das Auge reichte. Auf dem sandigen Boden tobte eine Schlacht, in der sich zehntausende Menschen gegenseitig bekämpften. Er konnte keine Einzelheiten erkennen, dafür war er zu weit entfernt, jedoch hallte der Klang von klirrendem Stahl hundertfach zu ihm herauf. Überall waren Explosionen zu vernehmen, die die Erde erschütterten. Und er hörte unentwegt Schreie voller Schmerz und Angst, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließen. Von überall her kamen sie. Grässliche, verzerrte Schreie von Verwundeten oder bereits im Sterben liegenden Männern und Frauen. Was zur Hölle geht hier vor? Sein Herz und sein Verstand rasten und er versuchte, Erklärungen für das zu finden, was er hier sah, jedoch gelang es ihm nicht, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Er schloss ungläubig seine Augen und hoffte, dass alles einfach verschwunden wäre, wenn er sie wieder öffnete. Doch die Schreie verstummten nicht und die Szenerie blieb unverändert, als er seine Augen erneut öffnete. In diesem Moment spürte er einen heftigen Luftzug, der seine Robe erneut aufbauschte. Etwas war nur wenige Meter an ihm vorbeigerauscht. Sein Blick versuchte dem, was gerade an ihm vorbeigeflogen war zu folgen. Zuerst sah er nur einen gewaltigen, gefiederten Flügel. Erst als etwas Abstand zwischen sie gekommen war, erkannte er es. Sein Mund formte nur ein lautloses „Wow“. Seine Augen folgten einem gigantischen Greifvogel, der majestätisch durch die Lüfte flog. Dieser war nicht alleine. Er realisierte, dass auch um ihn herum ein erbitterter Kampf tobte. Eine Luftschlacht epischen Ausmaßes war hier im Gange, jedoch bekämpften sich hier weder Flugzeuge noch Helikopter, wie er es erwartete, sondern unzählige Tiere, die sich gegenseitig angriffen. Hunderte Vögel, um ein Vielfaches größer als alle, die er jemals gesehen oder von denen er auch nur gehört hatte, sausten durch die Lüfte. Die größten von ihnen mussten die Ausmaße von Bussen haben. Riesige Adler und Falken rissen sich gegenseitig das Gefieder aus. Auf einigen von ihnen ritten sogar Menschen. Doch flogen auch noch weitaus ungewöhnlichere Kreaturen umher. Märchenhafte, ihm unbekannte Geschöpfe. Mischwesen, halb Vogel, halb Katze. Echsenartige Flugwesen, mit langen, stachelbewehrten Schwänzen. Flinke in Violett und Blau schimmernde Kreaturen, die zerbrechlich wie ein Papierdrachen wirkten, die aber mit atemberaubender Geschwindigkeit in wildem Zickzack durch den Himmel schossen. In der Ferne meinte er ein besonders großes Exemplar eines Adlers mit einer Art Drachen kämpfen zu sehen. Sein Verstand war immer noch dabei, all das richtig zu verarbeiten, als plötzlich etwas direkt vor ihm seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Ein gewaltiges Monster, das direkt aus einem seiner schlimmsten Alpträume zu entstammen schien, flog direkt auf ihn zu. Er erstarrte vor Angst, als er in dessen vor lauter Hass regelrecht glühenden roten Augen blickte. Die Kreatur war so groß wie ein mehrstöckiges Haus, mit stachelbewehrten Armen, so dick wie ein Baumstamm. Ihre fahle, blaue Haut schimmerte leicht im Licht der tiefstehenden Sonne. Sie trug einen wehenden, schwarzen Umhang, unter dem ein langer, mit Stacheln übersäter Schwanz zum Vorschein kam. Aus ihrer von tiefen Narben zerfurchten Stirn ragten zwei dunkle, gekrümmte Hörner hervor. In einiger Entfernung zu ihm blieb das Monster in der Luft stehen und brüllte laut auf, sodass er vor Schreck zusammenzuckte. Zumindest innerlich, denn sein Körper bewegte sich keinen Millimeter. Die Kreatur verzog das Gesicht zu einem grauenerregenden Lächeln und streckte seine linke Pranke in seine Richtung. Im selben Moment löste sich ein gigantischer Feuerball aus der Handfläche des Monsters, der unaufhaltsam in seine Richtung flog und ihn endgültig in Panik versetzte. Er wollte fliehen, konnte sich aber nicht bewegen. Er hatte keine Ahnung, wie er sich retten könnte. Er spürte, dass sein Körper ihm nicht mehr gehorchte. Abgesehen davon wusste er ohnehin nicht, wie er sich hätte fliegend fortbewegen sollen. Zum Fliehen war es bereits zu spät, denn in wenigen Augenblicken würde der Feuerball ihn erreichen und zu einem winzigen Häufchen Asche verbrennen. Die Hitze, die er spürte, war kurz davor, seine Haut einfach wegzuschmelzen. Er schloss seine Augen, um sich seinem Schicksal zu ergeben.
In diesem Moment geschah etwas mit ihm. Es fühlte sich fast so an, als wäre er plötzlich nur noch Gast in seinem Körper, als wäre er nichts weiter als ein stiller Beobachter all dessen, was jetzt folgte. Ohne sein willentliches Zutun hob er den Stab mit beiden Händen vor sich in die Höhe und murmelte einige, ihm völlig fremde Worte. Die schier unerträgliche Hitze, die er gerade noch verspürt hatte, verschwand augenblicklich und der Lärm um ihn herum verstummte. Vorsichtig öffnete er seine Augen wieder, nur einen Spalt breit. Ungläubig und voller Angst erblickte er das Schauspiel um sich herum. Er war nun komplett von den Flammen eingehüllt und er war sich sicher, doch noch jeden Moment zu Asche verbrannt zu werden. Jedoch geschah nichts dergleichen. Eine Art unsichtbares Kraftfeld hielt die lodernden Flammen von ihm fern. Er spürte keinerlei Hitze und konnte zusehen, wie das Inferno um ihn herum langsam wieder erlosch. Was passiert hier gerade? Was ist los mit mir? Wo bin ich? Was ist das da nur für eine Monstrosität? Die Gedanken in seinem Kopf rasten immer schneller, ohne dass er auch nur im Entferntesten eine Antwort finden konnte.
Er erkannte, wie die Kreatur erneut eine Attacke gegen ihn starten wollte. Nun schien er jedoch am Zug zu sein. Wieder bewegte er sich ohne sein willentliches Zutun. Er richtete den Stab mit der rechten Hand auf sein Gegenüber und schrie etwas in der ihm unbekannten Sprache. Sein ganzer Körper begann zu kribbeln und sein rechter Arm zitterte vor lauter Kraft, die ihn nun durchströmte. Beinahe im selben Augenblick brach ein violetter Strahl purer Energie aus der leuchtenden Kugel an der Spitze seines Stabes hervor. Die Luft um den Strahl begann zu vibrieren. Zur gleichen Zeit hatte die Kreatur ihm ebenfalls einen Strahl aus scharlachrot lodernden Flammen entgegengeschickt.
Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, als die beiden Strahlen aufeinanderprallten. Die Druckwelle, die dabei entstand, war gewaltig. Es kostete ihn fast seine gesamte restliche Kraft, nicht einfach davongefegt zu werden. Die meisten Kreaturen, die gerade um sie herumflogen, hatten weniger Glück. Sie wurden zur Seite geschleudert, mehrere Reiter fielen aus ihren Satteln und stürzten dem sandigen Boden entgegen.
Die Kräfte der Beiden schienen im Augenblick gleichwertig zu sein, denn keiner konnte den Strahl des anderen entscheidend zurückdrängen. Auch wenn er nicht wusste, was hier gerade geschah, so merkte er dennoch, dass seine Kräfte rasch schwanden. Ihm wurde klar, dass er diesen Zustand nicht mehr lange aufrechterhalten konnte. Ein weiteres Mal bewegte sich sein Körper wie von Geisterhand. Mit allerletzter Kraft legte er nun auch seinen linken Arm an den Stab, dabei schrie er wieder etwas ihm Unbekanntes. Jeder Nerv seines Körpers begann zu beben. Seine Arme fühlten sich an, als ob sie jeden Moment explodieren würden. Gelbe Funken sprühten nun zusätzlich aus der Kugel, die am Ende des Stabes laut zu brummen begann. Die Funken tanzten im Kreis um den violetten Lichtstrahl und bahnten sich so ihren Weg nach vorne. Es gab eine weitere, noch gewaltigere Explosion, als diese mit dem Feuerstrahl kollidierten. Der darauffolgende Knall war so laut, dass er nichts weiter als ein grelles Pfeifen hören konnte. Er mobilisierte seine letzten Kraftreserven, um den Energiestrahl noch etwas länger aufrecht zu erhalten.
Ganz plötzlich war es vorbei. Zurück blieb grenzenlose Schwäche. Er war nicht einmal mehr in der Lage, sich weiter in der Luft zu halten und stürzte ungebremst in die Tiefe. Der sandige Boden kam immer näher und begann, langsam vor seinen Augen zu verschwimmen. Nur noch wenige Sekunden, bis er mit voller Wucht aufschlagen würde.
Dann wurde ihm schwarz vor Augen.