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Kapitel 4 - Der hohe Rat

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Es herrschte eine erdrückende Stille in dem kleinen, prunkvoll eingerichteten Raum. Aren hatte in seinem langen Leben schon vieles erlebt, dennoch war die Anspannung, die er in diesem Moment verspürte, selbst für ihn kaum mehr zu ertragen. Er strich mit seinem Zeigefinger sachte über die raue, dunkelbraune Oberfläche der schweren hölzernen Platte des Tisches, an dem sich der hohe Rat wie immer versammelt hatte. Den mit Weintrauben und Datteln gefüllten Teller vor sich hatte er nicht angerührt. Aren rutschte unruhig auf seinem samtweich gepolsterten Stuhl herum. Sein Blick streifte die Bilder der einstigen Könige, die die Wände säumten, eher er die Männer und Frauen, die mit ihm am Tisch saßen musterte.

Zu seiner Linken saß Loris Den Varian, einer der einflussreichsten Adeligen im gesamten Land, Oberhaupt der Händlergilde, sowie Schatzmeister des hohen Rates. Wie immer war er in feinste Seide gekleidet. Loris war reich, mächtig und enorm ehrgeizig. Wenig überraschend war er der Erste gewesen, der für den Antrag und damit gegen Aren gestimmt hatte. Es ging darum, Aren wegen Missachtung der königlichen Befehle aus dem Rat auszuschließen. Zweifellos versprach er sich davon, noch mehr Einfluss im Rat zu erlangen, denn Aren und er waren, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, nur äußerst selten einer Meinung. Zu Arens Rechten saß Sir Brodwin, Oberhaupt der Königlichen Garde, oberster Ritter und Heerführer des Königs. Obwohl er schon auf die 50 Jahre zuging, strotzte er nur so vor Kraft und bot für jeden, der ihn zu Gesicht bekam, einen beeindruckenden Anblick, selbst ohne seine glänzende Rüstung, die er im Ratssaal gegen ein einfaches Lederwams getauscht hatte. Er war noch immer einer der gefürchtetsten Kämpfer im Reich. Es gab vielleicht nur eine Handvoll Männer auf dem gesamten Kontinent, die es mit ihm aufnehmen konnten. Darüber hinaus war er auch ein kluger Ratgeber und Stratege, was ihm letztendlich seinen Platz im Rat einbrachte. Aren kannte Brodwin bereits sein ganzes Leben, schätzte dessen Intelligenz sowie seine offene und ehrliche Art. Auch er selbst stand hoch in Brodwins Gunst. Wohl auch deshalb hatte sich der Heermeister dagegen ausgesprochen, Aren aus dem Rat auszuschließen.

Ihm gegenüber saß Bolat, ein kleiner, rundlicher Mann, der stellvertretend für die Bauern sprach. Sein eher plumpes Aussehen, gepaart mit den relativ schlichten Kleidern, die er trug, vermittelten allerdings einen falschen Eindruck von dem Mann. Er war äußerst gerissen und schaffte es, jede Situation zu seinen Gunsten zu nutzen. Bolat wusste nur allzu gut, wem er seinen Posten zu verdanken hatte und wusste auch, dass Aren in den meisten Fällen mit ihm übereinstimmte, insbesondere wenn es um die Belange des einfachen Volkes ging, die die wenigsten im Rat wirklich berücksichtigten, weshalb Bolat seinerseits ebenfalls gegen den Antrag gestimmt hatte.

Zur Rechten Bolats saß der Priester der Sonne in seiner dunkelgelben Kutte. Die schwere goldene Kette mit der Sonne, dem Symbol seines noch recht neuen Glaubens, wog schwer um seinen Hals. Aren traute dem Priester nicht, wie er auch dem raschen Aufstieg des neuen Glaubens nicht recht traute. Zu schnell hatte er den Glauben an die Zwölfgötter abgelöst. Auch er hatte sich gegen Aren gestellt, im Gegensatz zu Renard aus dem Hause Gifrey, ein mächtiger und reicher Adeliger aus der Hauptstadt, dessen Ahnen schon bei der Gründung Elderans dabei gewesen sein sollen. Aren konnte die Beweggründe nur erahnen, warum Renard gegen den Antrag gestimmt hatte, da sie sich eigentlich nie sonderlich gut leiden konnten.

Die Nächste, die sich im Rat noch gegen den Antrag ausgesprochen hatte, war Eolia gewesen. Eolia war eine schöne Frau, die ihre rabenschwarzen Haare unter einem schneeweißen Tuch verbarg. Ihre ebenmäßigen Gesichtszüge zeugten nicht von den vielen Jahren, die sie schon gelebt hatte. Einzig aus ihren dunkelgrünen Augen sprach die Weisheit des Alters. Aren schätzte sie als Sprecherin der Elfen, ihres Volkes, auch wenn sie meistens nicht einer Meinung waren. Hier, zu seinem Glück, waren die beiden es doch einmal.

An der Stirnseite des Tisches saß Erewat, der erstgeborene Sohn des Königs und Thronfolger des Reiches. Die für seine Jugend harten Gesichtszüge hatte er von seinem Vater geerbt, während Aren in seinen stahlblauen Augen seine bereits vor vielen Jahren verstorbene Mutter wiedererkannte. Erewat war manchmal etwas unbesonnen, doch besaß er einen wachen Geist. Aren war sich sicher, dass er mit den richtigen Leuten an seiner Seite einmal ein weiser und gerechter Herrscher werden würde. Er hatte sich dafür ausgesprochen, Aren auszuschließen. Erewat wich seinem Blick aus und starrte stattdessen unsicher den Mann an, der ihm gegenübersaß.

Aren folgte Erewats Blick und ließ ihn nun auf der Person ruhen, dessen Stimme alles entscheiden würde. Er saß an der anderen Stirnseite des Tisches, in einem prunkvollen, mit burgunderrotem Stoff gepolsterten Ohrensessel. Er konnte förmlich den Zwiespalt, der in ihm herrschen musste, in seinem Gesicht erkennen. Die Stirn des Königs war in tiefe Falten gelegt, so dass die buschigen, grauen Augenbrauen sich beinahe berührten. Der Blick seiner dunkelbraunen Augen ging ins Leere. Seine Stimme besaß im Rat das doppelte Gewicht, was ihn bei knappen Entscheidungen dazu ermächtigte, letztlich zu bestimmen, so wie es auch hier nötig war. Doch dieses Recht lag nun auf seinen Schultern wie eine schwere Bürde. Seine Arme hatte er in seinem Schoß gefaltet, seine Daumen bewegten sich leicht hin und her, ein eindeutiges Zeichen, dass er im Zwiespalt mit sich selbst war. Aren kannte Erowein schon seit seiner frühesten Kindheit. Er hatte so oft in dessen Gesicht geblickt, aber noch nie hatte es so müde, so ausgezehrt gewirkt, wie in diesem Moment. Noch nie schien die Krone, die auf seinem langen grauen Haar ruhte, so schwer zu wiegen, ihm eine solche Last zu sein. Würde er ihrem Antrag zustimmen? Wenn er so lange überlegte, musste er es mit Sicherheit mehr als nur in Betracht ziehen. Arens Anspannung verstärkte sich weiter. In diesem Moment durchbrach die helle Stimme einer Frau das unerträglich lange Schweigen.

„Eure Majestät, seid Ihr zu einer Entscheidung gelangt?“, säuselte sie, woraufhin eine weitere kurze Pause folgte. „Werdet ihr dem Antrag zustimmen und Meister Aren wegen Missachtung der königlichen Befehle und damit wegen Hochverrats aus dem hohen Rat ausschließen?“, fuhr sie fort.

Arens Blick fiel auf Iseria, die vor dem König gestanden hatte und nun förmlich durch den Raum zu schweben schien. Sie war wahrhaftig wunderschön, das musste er zugeben. Ihr hübsches Gesicht wurde von langen, geflochtenen, blonden Haaren umrahmt, in die kleine, bunte Blumen eingewebt worden waren. Ihre strahlenden, hellblauen Augen ruhten für einen Moment auf Aren, während ihr voller Mund ihn sanft anlächelte. Doch lag in diesem Lächeln kein Wohlwollen, sondern es ging etwas Gefährliches davon aus. Dennoch konnte dieser Blick einen Mann wahrlich um den Verstand bringen. Ihr langes, dunkelgrünes Kleid saß perfekt an ihrem makellosen Körper, betonte gleichermaßen ihre Brüste, wie auch ihre Hüften. Ein schmaler Einschnitt gab bei jedem ihrer eleganten Schritte den Blick auf eines ihrer langen, schlanken Beine preis. Kein Wunder, dass der Sohn des Königs, so wie die meisten anderen Männer am Hofe, ihr sofort verfallen war. Aber Aren spürte seit dem Tag, an dem er sie zum ersten Male zu Gesicht bekommen hatte, als sie wie aus dem Nichts am Königshof aufgetaucht war, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte. Er hatte bis jetzt keine Ahnung, was genau ihn an ihr so beunruhigte, aber er spürte, dass eine unnatürliche Kraft, ja fast so etwas wie dunkle Magie, von ihr ausging. Allerdings hatte er nie irgendwelche Beweise dafür finden können. Deshalb hatte er auch keine Möglichkeit gehabt, die Hochzeit zwischen Iseria und Erewat mitsamt ihrer Krönung zur Prinzessin, sowie dem damit verbundenen Platz im Hohen Rat zu verhindern. Allerdings behielt er sie, soweit es in seiner Macht stand, immer im Auge. Sie wiederum ließ keine Gelegenheit aus, hinter seinem Rücken ihren Einfluss zu stärken und Arens Position im Rat zu schwächen. Jetzt schien sich ihre Arbeit endlich für sie auszuzahlen. Aren selbst hatte dafür gesorgt, dass sich ihr die perfekte Gelegenheit bot, ihn aus dem Weg zu räumen. Er hatte sich den königlichen Befehlen widersetzt, als er Tom und seine Freunde hierhergebracht hatte. Noch dazu hatten bei dieser Aktion drei gute Soldaten ihr Leben gelassen. Auch wenn Iseria diesen Soldaten sicherlich keine einzige Träne nachweinen würde, kam ihr dies doch äußerst gelegen. Aren, der die möglichen Konsequenzen einer solchen Tat kannte, musste wohl froh sein, dass er ein Mitglied des Rates und enger Vertrauter des Königs war, denn sonst hätte man ihn vermutlich lebenslang eingekerkert oder vielleicht sogar gehängt.

Dennoch hatte er gehofft, dass er noch genügend Einfluss im hohen Rat besaß, dass er ohne ernstere Konsequenzen aus dieser Sache herauskommen könnte. Wie sehr er sich getäuscht hatte. Einen Teil des Rates hatte Iseria in kürzester Zeit auf ihre Seite gezogen, weshalb nun die Stimme des Königs die Entscheidung herbeiführen musste. Je länger dieser sich dafür Zeit ließ, desto geringer wurde Arens Hoffnung, sie könnte in seinem Sinne ausfallen. Doch selbst, wenn der König gegen ihn entscheiden würde, bereute er seine Tat nicht. Er musste einfach so handeln, ihm blieb gar keine andere Wahl, bei dem, was ihm in seiner Vision gezeigt wurde.

„Ja, ich bin zu einer Entscheidung gelangt.“ Die tiefe Stimme von Erowein hallte durch den kleinen Saal. Für einen kurzen Moment schienen alle Anwesenden ihren Atem anzuhalten. Er seufzte kurz, ehe er weitersprach. „Hiermit stimme ich dem Antrag von Lady Iseria zu. Meister Aren wird wegen Missachtung der königlichen Befehle aus dem hohen Rat ausgeschlossen.“

Wieder breitete sich Stille in dem Saal aus, nur durchbrochen von dem klackenden Geräusch von Iserias Absätzen, das bei jedem Schritt auf dem Marmorboden durch den Raum hämmerte. Aren war fassungslos. Sie hatte es tatsächlich geschafft. Sie hatte ihn aus dem Rat befördert. Damit hatte sie seinen Einfluss auf den König praktisch zerstört. Das war nicht gut und er ahnte, dass gefährliche Zeiten auf das Königreich zukommen würden. Er brauchte eine ganze Weile, ehe er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.

„Hiermit wird die heutige Sitzung offiziell beendet, es sei denn, jemand hat noch ein dringliches Anliegen“, vernahm Aren Den Varians Stimme wie aus weiter Ferne. Beinahe hätte Aren diese Gelegenheit verpasst und damit die vorerst letzte Möglichkeit, noch einmal mit dem König zu sprechen.

Er räusperte sich einmal, ehe er sprach. „Ich würde gerne noch etwas Wichtiges unter vier Augen mit Euch besprechen, Eure Majestät“, wandte er sich an den König. „Falls Ihr mir dies gestattet.“ Als keine Antwort kam und er die Anspannung im Raum bemerkte fügte er hinzu: „Ich versichere Euch, es geht dabei nicht um meinen Ausschluss aus dem Rat.“ Es wäre unklug gewesen, dem Urteil des Rates zu widersprechen, vor allem in seiner derzeitigen Lage.

„Wenn das Euer letzter Wunsch als Ratsmitglied ist, so wird er Euch gewährt. Trefft mich heute Nachmittag zur vierten Stunde in meinem Studierzimmer“, kam die Antwort des Königs kurz und emotionslos, ehe er sich von seinem Sessel erhob und den Raum schnellen Schrittes verließ. Ihm folgte Brodwin, der im Vorbeigehen noch einmal seine Hand fest auf Arens Schulter drückte.

˜˜˜

Aren tigerte unruhig vor der schweren Eichentüre auf und ab, während er in Gedanken versunken auf die Audienz beim König wartete. Er wusste nicht, ob er noch etwas Wohlwollen bei Erowein besaß, oder ob ihm die Missachtung des königlichen Befehls doch mehr gekostet hatte, als er gehofft hatte. Er war in Gedanken bereits tausende von Entschuldigungen durchgegangen, verwarf sie jedoch alle wieder, da sie seine Lage wohl eher noch verschlimmert hätten. Es war ohnehin zwecklos sich für das, was er getan hatte, zu entschuldigen. Immerhin hatte er gegen den Befehl des Königs gehandelt, was Hochverrat gleichkam. Insofern wurde ihm klar, dass er noch Glück hatte, nur aus dem Rat ausgeschlossen zu werden und überhaupt noch eine Audienz beim König bekommen zu haben. Folglich besaß er vielleicht doch noch einen gewissen Stand beim König. Er beschloss also, das Gespräch erst einmal laufen zu lassen, um dann zu sehen, wie Erowein nun von ihm dachte, bevor er seinerseits aktiv werden würde. Ich hoffe, es war das alles wirklich wert, begann Aren für einen kurzen Moment an sich zu zweifeln und fragte sich, ob er sich nicht vielleicht doch getäuscht hatte, besann sich jedoch schnell wieder eines Besseren. Nein, es muss einfach stimmen. Ich habe es ja selbst gespürt. Selbst gesehen. Er ist besonders. Er IST wichtig. Sie alle sind es. Wichtiger noch als ich und meine Stellung im Rat. Sie müssen es einfach sein. Aren wurde wieder selbstsicherer.

Er war gerade im Begriff, sich wieder auf die steinerne Bank an der Wand des Ganges zu setzen, als er das metallene Klicken des Schlosses hörte, das von innen geöffnet wurde. Kurz darauf schwang die Tür langsam und geräuschlos auf und Brodwin erschien. Er füllte den Türrahmen fast zur Gänze aus.

„Ihr dürft nun eintreten“, sprach dieser, schaute Aren dabei tief in die Augen und machte dann den Weg für ihn frei. Aren meinte Mitleid in seinem Blick erkennen zu können.

„Danke, Sir Brodwin“, antwortete Aren kurz, nickte ihm zu und betrat das Arbeitszimmer des Königs. Die schweren, burgunderroten Vorhänge waren zugezogen und dämpften das Licht der Sonne so, dass der Raum sehr düster wirkte. Direkt gegenüber der Eingangstür war zwischen den zwei hohen Fenstern die Karte des Königreiches kunstvoll an die Wand gezeichnet worden. An den übrigen Wänden standen unzählige Regale mit Büchern und Schriftrollen. Der König selbst saß an seinem schweren, aus dunklem Liderholz gefertigten Schreibtisch und drückte gerade das königliche Siegel in das Wachs, welches er auf eine Pergamentrolle getropft hatte, um diese zu versiegeln. Aren stand nur da, darauf wartend, dass der König sich ihm zuwandte. Im Schein der Kerze, die vor dem König brannte, schien das Wachs förmlich zu glühen. Schließlich hob der König seinen Kopf und blickte ihm direkt in die Augen.

„Mein König“, sagte Aren höflich und verbeugte sich dabei.

Der König musterte ihn kurz, ehe er schwer seufzte und dann seinerseits das Wort ergriff. „Wisst Ihr, was das hier ist?“, fragte er Aren.

„Nein mein König, das weiß ich nicht“, antwortete er.

„Dies ist ein Brief an die Witwe von Harol, einem der im Kampf gefallenen Soldaten. Einen Kampf, den ich ausdrücklich verboten habe“, erklärte der König mit Nachdruck. „Jetzt muss ich ihr erklären, wieso ihr Mann gefallen ist, wieso ihre zwei kleinen Kinder keinen Vater mehr haben.“

„Eure Hoheit, ich …“, stammelte Aren

„Genug. Ich will keine billigen Ausreden hören. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, welcher es gewesen ist, doch hattet Ihr mit Sicherheit einen Grund für euer dämliches Vorgehen.“ Aren merkte, wie Erowein Mühe hatte, die Wut, die in ihm kochte, zurückzuhalten. „Zumindest hoffe ich das. Denn ansonsten muss ich mir doch ernste Sorgen um Euren geistigen Gesundheitszustand machen“, fuhr er fort, ehe sich ein kurzes Schweigen einstellte.

Okay, das ist jetzt meine einzige Chance, dem Gespräch eine positive Wende zu geben, wusste Aren. Er sortierte noch einmal kurz seine Gedanken, um nichts zu sagen, was den König noch mehr erzürnen könnte, dann räusperte er sich, ehe er vorsichtig zu sprechen begann. „Allerdings hatte ich einen guten Grund für meine Handlungen.“ Aren hielt inne und versuchte, eine Regung bei Erowein auszumachen, jedoch war keine zu erkennen, weshalb er fortfuhr: „Dieser Grund betrifft die Geretteten, für welche bedauerlicherweise gute Soldaten wie Harol ihr Leben lassen mussten.“ Wieder pausierte Aren kurz. Gut, es sah so aus, als hörte ihm der König wirklich zu und interessierte sich für seine Rechtfertigung. „Vor allem drei von ihnen, da bin ich mir sicher“, fuhr er fort, „werden noch eine wichtige Rolle beim Erhalt unseres Reiches spielen.“

„Ist das so?“, der König blickte ihn unergründlich an. Er hatte sich erstaunlich schnell wieder beruhigt. „Ihr glaubt also, dass diese Fremdlinge von Nöten sind, um unser Reich zu erhalten?“, fragte er Aren.

„Ja, davon bin ich überzeugt, Eure Majestät“, erwiderte Aren entschlossen.

„Wie könnt ihr Euch da so sicher sein, dass Ihr gleich einen MEINER Befehle missachtet?“ Die Worte klangen bedrohlich, aber dieses Mal schwang keine Wut mehr in ihnen mit.

„Zum einen“, fuhr Aren ruhig fort „war es einer dieser Fremden, der in Lady Keras Vision vorkam, ehe sie von uns gegangen ist. Sie sprach zu mir in ihrer letzten Nacht, dass das Schicksal dieser Welt in seinen Händen liegen wird. Sie hat Euch auch davon erzählt, nicht wahr?“, fragte er den König.

„Ja, das hat sie“, antwortete dieser und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Erowein kam ins Grübeln.

„Lady Keras Visionen waren immer zutreffend, das wisst Ihr so gut wie ich“, fuhr Aren weiter fort. „Zum anderen habe ich ihn und seine Freunde selbst in meinen eigenen Visionen gesehen. Bei den schrecklichen Ereignissen der letzten Nacht konnte ich die Macht, die in ihm steckt sogar mit eigenen Augen sehen. Er hat eines der antiken Lanerischwerter geführt. Nur die Götter wissen, wie es ausgerechnet bei ihm gelandet ist, geschweige denn, wie er seine Macht nutzen konnte.“ Aren sah, wie des Königs Augen sich verengten und er ihn genauer musterte. „Wenn das nicht ein eindeutiges Zeichen für die Macht ist, die in ihm liegt, dann weiß ich auch nicht mehr.“ Aren wusste, dass er jetzt kurz davor war, sein Ziel zu erreichen, also fuhr er in für seine Verhältnisse emotionalem Ton fort: „Daher bin ich mir sicher, dass er zusammen mit seinen Freunden noch eine große Rolle hier spielen wird. Deshalb sah ich mich gezwungen, meinen Ruf, meine Stellung, ja sogar mein Leben für diese Menschen zu riskieren, selbst wenn ich noch nicht genau erkennen kann, welche Rollen sie spielen werden, mein König“, schloss er seinen kleinen Vortrag ab. Wieder herrschte für einen kleinen Moment Stille. Mehr wollte Aren dem König nicht verraten, da er sich selbst bei den Omen, die er erblickt hatte, noch nicht ganz sicher war. Darüber hinaus glaubte er, dass der König seine Vermutungen eher als Manipulationsversuch seinerseits werten würde.

„Was genau ist nun das Anliegen, wegen dem Ihr hergekommen seid?“, fragte der König ruhig. Er ließ sich nicht anmerken, ob er den Worten Arens Glauben schenkte oder nicht. „Ihr verschwendest unsere Zeit doch sicher nicht nur wegen dieser Erklärungsversuche.“

„Natürlich nicht, mein König“, antwortete Aren, dann reckte er sich etwas, um so würdevoll wie möglich auszusehen, ehe er seine Bitte vortrug. „Mein Anliegen besteht darin, diese Geretteten an der Akademie aufzunehmen. Sie werden dabei voll und ganz unter meiner Aufsicht stehen. Ich weiß, dass das normalerweise Angelegenheit der Akademie selbst ist, da Ihr aber beschlossen habt, allen Neuankömmlingen eine passende Arbeitsstelle zuzuweisen, muss ich mit diesem Anliegen direkt zu Euch kommen. Ich werde dort selbst verständlich die volle Verantwortung für sie und alles, was sie machen, übernehmen“, schloss Aren ab.

Erowin sah ihm noch einmal tief in die Augen. Welche Entscheidung er treffen würde, war für Aren nicht zu erkennen.


˜˜˜

Aren trat aus dem Zimmer, wobei er sich noch ein letztes Mal umdrehte. „Ich halte Euer Vorhaben nach wie vor für eine miserable Idee, Eure Majestät“, mit diesen Worten zog er die Tür hinter sich ins Schloss.

Die Reise Beginnt (Die Drei-Welten-Saga: 1)

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