Читать книгу Sollbruchstelle - Tom Gear - Страница 9
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Und abends in die Oper. Der Gedanke daran, der ihn unmittelbar nach dem Aufwachen mit aller Macht erfasste, ließ Punzel den Beginn seines Tagwerks etwas hinausschieben. Er drehte sich im Bett noch einmal links herum und noch einmal rechts herum, wiederholte das ein paar Mal, bis er beschloss, sich auf das kulturelle Ereignis zu freuen. Schließlich: Wo er mit Romy zusammen war, konnte doch nur das Gute, Wahre, Schöne sein.
Überhaupt hatte er ja auch einmal ein mitreißendes Erlebnis im Musiktheater gehabt, damals, mit Sylvie, ebenfalls in der Deutschen Oper. Man gab diese UraltInszenierung von Götz Friedrich von La Bohème, und Punzel leistete diesem wahren Schinken von Kitsch seinen vollen Tribut, indem er an die dreißig Minuten Tränen vergoss, die sprichwörtlich bitteren Tränen des Anwalts von Schöneberg. Die arme Mimi hatte jede davon verdient. Auch die von Sylvie, der aparten Schwarzhaarigen aus Montpellier. Punzel hatte sie danach nie wieder gesehen. Eigentlich unverständlich. Denn wer gemeinsam auf so hohem Niveau geheult hat – das Ensemble und der Klangkörper des Hauses waren grandios gewesen an diesem Abend – sollte durch das Schicksal nicht getrennt werden. Dieses hörte übrigens, wenn er sich richtig erinnerte, auf den Namen Chantal und war insofern keiner Träne wert. Ja, es stimmte: Sylvie hatte ihn wegen einer Chantal verlassen! Einer aus Wedding Stammenden, nach Wilmersdorf Zugezogenen.
Die Erinnerungen daran alles in allem überwiegend freundlich summierend, fand Punzel dann doch noch den Weg aus dem Bett, und nach einem kleinen Frühstück auch den ins Büro.
Romy war gar nicht an ihrem Platze, als er eintraf. Kaum aber hatte er sich in sein Zimmer zurückgezogen, klopfte sie an die Tür.
„Guten Morgen, Chef!“, lächelte sie ihn an.
„Nicht so förmlich“, bat der, „schließlich sind wir heute noch sehr privat unterwegs.“
„Und wie. Ich meine, wir werden uns ja wohl nicht nur dem Musikgenuss allein hingeben.“
Punzel war ganz Ohr, was auf diesen Satz folgen würde.
„Für mich gehört der Opernteller und Sekt in der Pause unbedingt dazu. Und ein Glas Wein danach.“
Das war es also!
„Ich verstehe. Für uns wird selbstverständlich Champagner bereitstehen, Romy. Und, by the way: Was war es noch, das man uns zu Gehör bringt?“
„La Traviata von … na?“
„Puccini“, kam es von Punzel wie aus der Pistole geschossen.
„Verdi, genau. Ich habe noch mal nachgelesen im Opernführer, den mir mein Opa mit fünf Jahren vererbt hat.“
„Passendes Alter. Dann lassen Sie mal hören. Es wird sich kaum verhindern lassen.“
Romy sah ihn scharf an.
„Es geht um eine Kurtisane …“
Punzel schaute, plötzlich interessiert, auf.
„Herr Punzel, Sie haben ein verdorbenes Gemüt. Also, Violetta lernt den aufrichtigen, entflammten Alberto kennen. Sie aber lehnt seine Liebeserklärung ab. Dennoch: Sie kommen zusammen und ziehen von Paris weg aufs Land. Violetta finanziert beider ganzen Lebensstil, was ihrem Geliebten peinlich ist. Als er in die Stadt zum Geldverdienen fährt, sucht sein Vater Violetta auf und verlangt von ihr, das Liebesverhältnis zu beenden, um dem Ansehen seiner Familie nicht weiter zu schaden. Violetta, bereits todkrank, willigt ein. Ihrem Alberto schreibt sie, sie wolle in ihr altes Leben zurück.“
„Irgendwie passen die beiden ja auch nicht zusammen, nicht wahr?“
„Eine reiche Nutte und ein verarmter Adliger? Da könnten Sie recht haben. Aber weiter im Text: Alfredo findet sie, demütigt sie in aller Öffentlichkeit als Kurtisane, wird zum Duell gefordert und muss danach verschwinden. Reumütig beichtet sein Vater ihm seine Schandtat und Violettas Opfer. Versöhnung an ihrem Krankenbett, doch Violetta fühlt ihre letzten Stunden kommen und schenkt ihrem Liebsten ein Medaillon mit ihrem Bild. Das solle seine künftige Braut tragen.“ „Natürlich fällt Violetta sofort tot um.“
„Himmel, Punzel, ja, so ist es. Gerade, als sie neue Kräfte spürt.“
„Na, das hört sich doch vielversprechend an“, meinte Punzel flapsig. Dabei kamen ihm ungute Ahnungen: Verglichen mit dieser Story war zu erwarten, dass die bei La Bohème vergossenen Tränen gewissermaßen ein laues Lüftchen gewesen waren. Sollte sich ein Chef einer Angestellten als so emotionsgetrieben offenbaren? Diesen Gedanken aber ließ er sich nicht anmerken. Punzel verwies nach Anhören der Grundzüge des Librettos stattdessen auf ganz und gar Allgemeingültiges.
„Was die hohen Herrschaften sich immer einbilden! Was Besseres zu sein, und dann doch im Schmutz zu waten. Das wird sich wohl nie ändern.“
Romy wollte solches lieber nach dem Opernbesuch besprechen.
„Bitte, Chef, tun Sie mir einen Gefallen: Seien Sie pünktlich! Das war mein früherer Freund gar nicht, weshalb ich heute zwar Opernliebhaberin bin, allerdings fast ohne Kenntnis von Ouvertüren. Die haben wir regelmäßig verpasst. Fast noch schlimmer, wenn Komponisten meinten, auf solche Einführungen verzichten zu können. Dann gab es Nacheinlass vor dem zweiten Akt. Da fehlt mir also auch einiges.“
„Versprochen, Romy. Ich freue mich auf heute Abend.“
Seine Assistentin schenkte ihm ihr beispielloses Lächeln und entschwand bis zu ihrer Verabredung.
Später suchte ihn Dr. Schult auf.
„Verderben Sie es nicht heute Abend“, mahnte er. „Dr. Manger ist immer für einen lukrativen Auftrag gut. Ich weiß, dass er mit einem seiner Anwälte gerade höchst unzufrieden ist. Hören Sie mal hin, ob da etwas Rechtsrelevantes im Busch ist.“
Sein Kompagnon versprach ihm, alles zu seinem Wohlgefallen zu beherzigen und machte sich, nachdem sich Dr. Schult zum Golfspielen verabschiedet hatte, daran, die Post zu sichten. Ein Brief enthielt einen USB-Stick. Seiler hatte ihn bereits angekündigt. Drei seiner Freunde hatten ihm ihre Videoaufnahmen der Verlobungsfeier zur Verfügung gestellt. Sein Mandant schrieb dazu, er habe sie nur oberflächlich gesichtet und wolle die Details seinem Anwalt überlassen.
Details würde der tatsächlich noch aufdecken, doch ahnte Punzel das noch nicht, als er sich daran machte, mit der Auswertung am Laptop zu beginnen.
Das erste Video zeigte längliche Szenen eines Besäufnisses, das für die Beteiligten und Alkoholisierten von erheblichem Reiz gewesen sein mochte, für den seriösen Rechtsgelehrten jedoch äußerst abstoßend wirkte. Das zweite Filmchen war ästhetisch wie inhaltlich nicht ergiebiger, auch waren beide Kameras zum Zeitpunkt der strittigen Vorkommnisse nicht auf den Tatort Kellertreppe gerichtet.
Das war beim dritten anders. Allerdings stand in dem entscheidenden Moment jemand vor der Kamera von seinem Stuhl auf und verdeckte die Sicht auf Seiler und seinen Schwiegervater. Also hätte auch der nichts zur Klärung des Sachverhalts beigetragen, hätte der Kameramann wegen der Sichtbehinderung nicht nach rechts geschwenkt. Und dabei kam es zu einem in der Juristerei gar nicht so seltenen Zufallsfund.
Punzel meinte zuerst, er müsse sich irren, einfach zu unglaublich war das, was er, wenn auch etwas dunkel und nicht ganz scharf, präsentiert bekam. D.h., scharf war die Szene schon, die sich da vor ihm entfaltete, im Sinne von pikant. Und damit war nicht das Festessen gemeint. Denn beim zweiten, dritten und vierten Durchgang der sieben bis acht Sekunden lang eingefangenen Ereignisse war er sich immer noch sicher, richtig gesehen zu haben und nicht einer Phantasie erlegen zu sein.
„Das ist doch die süße kleine Verlobte meines Mandanten“, murmelte Punzel vor sich hin, war aber sich erst dann ganz sicher, als er aus dem laufenden Film einen Videoschnappschuss extrahiert und diesen vergrößert hatte.
„Ganz klar. Das Fräulein von Binnen verlustiert sich fremd. Und das auf ihrer Verlobungsfeier! Starker Auftritt!“
Das war nicht übertrieben, schließlich brachten die Videotechnik und der Zufall es ans Licht: Die ihm zur Frau Versprochene Berta widmete sich mit Hingabe einem der besseren Stücke eines stattlichen Mannes. Und dabei handelte es sich auf keinen Fall um ihren Verlobten, was ja auch schon dem Anlass unangemessen gewesen wäre. Ihr Zukünftiger war nämlich von deutlich kleinerer Gestalt.
Bevor die Kamera wieder wegschwenkte war auch noch deutlich genug zu sehen, wie die kleine Schlampe ihre Beute entließ, sich mit der Zunge genießerisch über die Lippen fuhr und dem Verwöhnten über die Hose zu streichen schien. Dass der danach folgende Kameraschwenk ausgerechnet den Gastgeber des Abends ins Visier nahm, war geradezu tragisch zu nennen. Denn der wusste garantiert nicht, welcher Betrug sich in seiner unmittelbaren Nähe abspielte.
Uff! Wie sollte er Seiler denn das verklickern? Punzel beschloss, darüber erst einmal nachdenken zu wollen. Schnell aber kam ihm die Idee, dass Romy mit ihrer grundlegenden Menschenkenntnis ihm raten könnte, wie er diese delikate Nachricht an den, im Anschluss daran sicherlich völlig zerstörten Mann bringen könnte.
Immerhin: Wenn ihn nicht alles täuschte, könnte man die ganze Angelegenheit mit der tatsächlichen oder untergeschobenen fahrlässigen Körperverletzung nach dem Aufdecken der Bertaschen Missetat ganz zugunsten seines Mandanten beilegen. Schließlich hatte sich die Tochter als etwas entpuppt, was keinem braven „einfachen Mann“ zuzumuten war, bestimmt auch nicht solchen Heiratskandidaten, die sich der gesellschaftlichen Elite zugehörig meinten. Sie würde künftig kleinere Brötchen backen müssen und sollte fortan froh sein, wenn sie wenigstens noch einen ehrlichen Schrippenbäcker abbekam.
„Die Besseren Kreise! Dass ich nicht lache. Blasen und blasen sich auf wie sonst was und blamieren sich doch, wo sie können“, lachte Punzel dennoch und aus gutem Grund.
Mit Romy konnte er sich einstweilen jedoch nicht beraten, zu sehr war sie mit Arbeit von Gustav eingedeckt, wie Punzel leicht wahrnehmen konnte, als er aus seinem Zimmer in den Empfangsbereich der Kanzlei trat.
„Mein Guatster“, sprach er seinen anderen Partner an. „Was veranlasst dich, unsere arme Romy so arg einzuspannen?“
Gustav blickte aus seiner Romy zugeneigten Haltung erst zu Punzel auf, nachdem er ihr noch eine Anweisung gegeben hatte.
„Nichts Großes, nichts annähernd so Spektakuläres, wie du inzwischen an Land zu ziehen gewohnt bist.“
Viele seiner Äußerungen machten auf Punzel einen beleidigten Eindruck, wenn nicht gar einen von Neid befeuerten. Aber Gustav würde sich schon wieder einkriegen, wenn er erst mal wieder in aufregendere Fälle, als es seine arbeitsrechtlichen darstellten, verwickelt werden würde.
Auf Neidereien aber hatte der Anwalt der spektakulären Fälle, wie Gustav das sah, im Augenblick gar keine Lust, sah stattdessen ein, dass er Romy mit seinen delikaten Taktikfragen vorerst nicht auch noch belasten konnte und verschob sein Ansinnen auf den späteren Abend. Ihm ging nämlich urplötzlich auf, dass die Themen von „La Trallalata“ und Berta von Binnen doch im Grund dieselben waren. Die paar Jahrhunderte, die dazwischen vergangen waren, hatten am Menschlichen, Allzumenschlichen wenig geändert. Insofern bot es sich doch förmlich und dringlich an, beim Glas Wein danach die Verbindung zwischen dem Skandal Violettas und Albertos (und seines Vaters) mit seiner aktuellen erotischgesellschaftlichen Angelegenheit zu nutzen. Zum allseitigen Vorteil, natürlich, denn für Romy würde sich auch schon noch irgendeiner ergeben.
Sein Arbeitstag verging über Aktenstudium auch irgendwann. Rechtzeitig war er zu Hause, um sich in Schale zu werfen. Natürlich wollte er seiner Begleiterin jeden Gefallen tun, und da war der neue Anzug, ja auch der Plastron, obligatorisch. Zeitig war er fix und fertig gesattelt und gespornt, als er auf die Idee kam, den Fernseher einzuschalten. Zufällig blieb er nach einigem Herumzappen ausgerechnet bei einer Reportage des berüchtigten Adelsreporters Herzmann-Pflugbert hängen, der gewöhnlich die blaublütige Bagage in Deutschland unter die Lupe nahm, oder was sich dafür hielt. Kopfschüttelnd verfolgte Punzel, wie diese sich auch noch tief im 21. Jahrhundert als eine Elite darstellte, die ganz und gar zu Unrecht um Hab und Güter sowie ihre unbürgerlichen Ehrenrechte gebracht worden seien.
Von diesem frechen Gehabe, wie es sich in diesem Bericht offenbarte, war Punzel so fasziniert, dass er um ein Haar seinen Abgang verpasst hätte. Es würde doch noch knapp werden – genau das, was nicht passieren durfte. Das gerufene Taxi war aber im Nu da. Er würde noch rechtzeitig vor der Oper eintreffen.
So konnten Romy und Punzel sich noch eine Weile ihrer Freude auf den gemeinsamen Abend versichern. Sie bestellten noch ihren Pausenimbiss und sahen sich dann nach ihren Plätzen um.
Auf dem Weg zum Rang Links trafen sie auch auf ihre Gastgeber.
„Je später der Abend, desto lieber die Gäste“, begrüßte sie Dr. Manger gewohnt floskelsicher.
„Frau Manger, Herr Dr. Manger, guten Abend. Ich wünsche Ihnen einen ebensolchen. Ich darf Ihnen Romy Schnittker vorstellen.“ Punzel fand sich souverän.
„Welch eine entzückende Erscheinung.“ Frau Manger war sichtlich angetan. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Frau Schnittker.“
„Ganz meinerseits, Frau Manger.“
„Was versprechen Sie sich von diesem Abend?“, wollte sie von Punzel wissen.
„Nun ja …“ Der Anwalt fühlte sich alles andere als sattelfest in Operndingen. Aber dann versuchte er es geradeheraus mit einigen erinnerten flachen Feuilletonhappen. „Zweifellos werden wir große Stimmen erleben, und das Libretto ist zeitlos gültig, gewissermaßen.“
Während seine Frau zustimmend nickte, war eine von Dr. Mangers gelehrten Repliken umgehend unausweichlich.
„Aber wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!“
Punzel war selbstverständlich auch dieses Geflügelte Wort geläufig, doch kam er nicht drauf, woher.
Man setzte sich noch einen Moment in die ehemals modisch-unbequemen, inzwischen unmodisch-unbequemen Sitze im Foyer und frönte dem Smalltalk. So lange, bis Manger eine seiner rätselhafteren Sentenzen aufrief.
„Auf dem Gipfel wird die Luft dünn, nicht wahr, Herr Punzel?“
Der sah ihn fragend an.
„Sie verstehen“, versuchte Dr. Manger eine Auflösung seines Rätsels, „Sie, Herr Punzel, sind mit dem Fahrstuhl hoch gefahren, Sie werden doch wohl nicht sobald wieder hinunter fahren?“
Punzel glaubte zu ahnen, worauf er hinauswollte.
„Sie meinen das mediale Interesse, das sich über mich ergossen hat?“
Der Manager nickte bedächtig.
„Nun, ich habe es darauf nicht angelegt, ich will gute anwaltliche Arbeit machen. Das ist alles.“
Wieder nickte Manger, und wieder bedächtig, diesmal auch freundlich und offenbar zufrieden mit der Antwort. „Sie hören von mir.“
Ob es das war, was Dr. Schult als Essenz des geschäftlichen Teils zufriedenstellte? Es sollte sich am nächsten Tag zeigen, dass ihn diese, ihm von Punzel überbrachten vier Worte sogar außerordentlich zufriedenstellten. Er kannte Dr. Manger und wusste als einer von wenigen dessen Worte zu deuten.
Inzwischen hatte es zum ersten Mal geklingelt, die beiden ungleichen Paare machten sich auf zum Ort des musiktheatralischen Geschehens, nahmen ihre Plätze nebeneinander ein und verfolgten die beiden ersten Akte, konzentriert und teilweise ergriffen von Handlung und Gesang. Noch drückte beides bei Punzel nicht übermäßig auf die Tränendrüse, was ihn durchaus erleichterte. Was er selbst vom ersten Ton an drückte, war Romys Hand.
Herzlicher Beifall zur Pause.
Beim Opernteller lobte man allgemein die schönen Stimmen und das großartig aufgelegte Orchester. Punzel hätte es vorgezogen, dies allein mit seiner Begleiterin zu tun, sie sichtlich auch mit ihm. Aber gemeinsam standen sie tapfer auch diese anstrengenden Minuten mit den Floskeln Dr. Mangers durch, die auch seine Frau gerne durch eigene bereicherte.
„So jung kommen wir nie …“, begann Punzel sein Abschiedswort, wurde aber von seiner Begleiterin energisch unterbrochen, indem sie ihn mit sich zog.
Akt drei sollte nicht so trocken verlaufen wie die vorigen: Das Schicksal Violettas ließ Romys Augen feucht werden, Punzels nicht minder, doch verstand er dies dank der Dunkelheit im Ersten Rang und einer bis dahin noch nie erprobten Kopfneigetechnik zu verdecken. Romys Hand drückte er in den emotional heikelsten Passagen dafür um so inniger.
Nach dem Schlussapplaus adressierte Dr. Manger mit einem „Muss I denn, muss I denn …“ ein Lebewohl an das junge Paar, und seine Ehefrau erfasste herzlich beider Hände. Die so Verabschiedeten waren jung und frisch genug, in einem nahegelegenen Restaurant noch das verabredete Glas Wein zu trinken.
Auf den Tisch kam dazu Romys Bewertung des Opernabends in künstlerischer Hinsicht, während ihr Begleiter ausführlich die inhaltlichen, vor allem gesellschaftlich-moralischen Aspekte in den Blick nahm. Je länger sie redeten, um so tiefer sahen sie sich in die Augen, und um so verwerflicher dünkte Punzel die Absicht, diesen schönen Abend mit dem unappetitlichen Vorfall bei der Verlobung seines Mandanten zu verderben.
So genossen die beiden noch intensiv ihr Zusammensein, und zu ziemlich später Stunde begleitete ihr Chef Romy mit dem Taxi nach Hause. Vor einigen Monaten, als sie zusammen in einer Bar einen Abend verbracht hatten, hatte sie ihm nahegelegt, statt leicht angeheitert selbst zu chauffieren noch einen Kaffee bei ihr zu trinken, auf dass dabei der Promillegehalt im Blut sinke. Keine Hintergedanken!
Daran dachte Punzel jetzt, als sie sich voneinander verabschiedeten. Und Romy nicht minder, so hoffte er, nur um umgehend Gewissheit zu bekommen. Denn sie hatte noch eine Nachricht zu überbringen.
„So ist es doch auch sehr schön.“
Und Punzel war es sehr wohl in seiner Haut.