Читать книгу Unser Mann aus Italien Berlin 1968 Kriminalroman Band 38 - Tomos Forrest - Страница 5

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Bernd Schuster genoss die aktuelle Tageszeitung. Er hatte die aktuellen Berichte über die neuesten Studentenunruhen gleich überblättert und las mit wesentlich größerem Interesse einen Artikel über die erfolgreiche Arbeit der Beamten in der Keithstraße. Hier befand sich, neben anderen Polizeibehörden, auch das Dezernat für Gewalttaten an Menschen, und das wurde von seinem langjährigen Freund, Inspektor Horst Südermann, geleitet.

Der schwergewichtige Inspektor wurde in diesem Artikel aufgrund seiner Erfolge hoch gelobt, und gerade wollte Schuster zum Telefon greifen, um den Freund damit ein wenig aufzuziehen, als es klingelte.

Rasch hob er ab und meldete sich.

Es war Jochen Gerstner, einer seiner Informanten, und er sprach ein wenig atemlos.

„Ein Superding, das da steigen soll, Bernd!“, sagte er aufgeregt.

Bernd Schuster lachte.

„Das sagst du doch bloß, um den Preis künstlich hochzutreiben, Jochen!“

„Gut, dass Sie gleich vom Preis reden, Bernd!“, kam es geschäftig durch die Leitung. „Sie kennen mich. Ich versorge Sie nicht erst seit gestern mit prima Informationen. Und ich kenne den Wert meiner Tipps ganz genau. Wenn ich also sage, dass die Story, die ich Ihnen diesmal zu bieten habe, das Doppelte wert ist, können Sie’s mir glauben. Das Doppelte, Bernd! Und keinen Groschen weniger.“

Bernd Schuster schmunzelte.

„Worum geht’s denn, Jochen?“

Gerstner lachte knurrend.

„Nicht so, Bernd! Doch nicht am Telefon.“

„Du brauchst nur ’ne Andeutung zu machen, damit ich weiß, ob ich überhaupt daran interessiert bin.“

„Ich wette meinen Kopf gegen eine Mark von Ihnen, dass Sie interessiert sein werden.“

„Okay. Ich will mal nicht so sein. Komm her und hol dir dein Geld.“

„Mann, die Kurfürstenstraße ist am Ende der Welt für einen Mann wie mich!“

„Was soll das heißen, für einen Mann wie dich?“

„Ich habe keinen Wagen mehr. Habe ihn vergangene Woche gegen einen Baum bugsiert. Und ich habe keinen lausigen Groschen in der Tasche. Also kann ich kein öffentliches Verkehrsmittel benützen. Und ein Taxi schon gar nicht.“

„Du kannst dem Taxifahrer sagen, dass ich für den angerichteten Schaden aufkomme“, meinte Bernd.

„Ich hätte eine bessere Idee.“

„Und zwar?“

„Kennen Sie den aufgelassenen Militär-Flugplatz Döbertiz an der Transitstrecke nach Hamburg?“

„Kenne ich.“

„Ich schlage vor, wir treffen uns da. Also – auf dem gleichnamigen Rastplatz, natürlich.“

„Meine Güte, Jochen, geht es auch etwas weniger kompliziert? Der aufgegebene Flugplatz liegt im Gebiet der DDR, der Rastplatz somit auch, und ich muss über die Transitstrecke fahren. Wie kommst du ausgerechnet dorthin und was machen wir, wenn dort die Vopos auftauchen?“

„Die lassen sich dort nie blicken, vertrauen Sie mir, Schuster. Es ist sehr wichtig für mich, dass wir uns auf einem so abgelegenen Platz und außerhalb von West-Berlin treffen.“

„Okay“, sagte Bernd. „Und wann?“

„Halb neun. Geht das?“

„Warum nicht.“

„Also abgemacht?“

„Abgemacht!“, bestätigte Bernd Schuster. „Wenn deine Information aber nicht wirklich ein Superformat haben sollte, Junge, dann drehe ich meinem besten V-Mann auf diesem einsamen, aufgelassenen Flugplatz den Hals um. Das ist doch hoffentlich klar!“

Jochen Gerstner lachte schrill auf.

Es klang, als hätte er eine Kreissäge laufen lassen.

Dann war er weg.

Bernd ließ den Hörer in die Gabel klappern. Er legte die Handflächen aufs Gesicht und stützte den Kopf mit den Ellenbogen, während er nachdenklich das Telefon anstarrte. Jochen Gerstner hatte schon lange nichts mehr von sich hören lassen. Der Knabe war ein äußerst zuverlässiger Informant. Wenn er behauptete, etwas Großes wäre im Anlaufen, dann war das gewiss richtig, denn Jochen hörte sogar das Laub faulen. Doch bevor er eine Information verkaufte, prüfte er sie stets gründlich auf ihren Wahrheitsgehalt.

Jochen Gerstner musste in seiner langen Ahnenreihe einen Vorfahren haben, der aus einem Kaninchen und einer Spitzmaus bestand. So sah der pfiffige Bursche jedenfalls aus. Sein Gesicht lief nach vorne spitz zu, und er hatte prächtige Nagezähne, die die zu kurzen Lippen nicht bedecken konnten. Sein Haar war struppig und grau, obgleich er nicht älter als vierzig Jahre war. Obwohl seine Ohren verhältnismäßig klein waren, hörte er damit besser als so manch anderer. Diese Fähigkeit hatte er eines Tages zum Gelderwerb ausgenutzt. Seither hatte er den verschiedensten Leuten Informationen verschachert. Doch am liebsten machte er mit Bernd Schuster Geschäfte, denn Bernd Schuster hockte nicht so sehr auf dem Geld wie andere Leute. Was er natürlich nicht wissen konnte, war die Tatsache, dass Schuster Dank seiner Erbschaft finanziell vollkommen unabhängig war. Doch dieses Geheimnis teilte er noch nicht einmal mit seiner Lebensgefährtin und Assistentin Franziska Jahn.

Jochen trug eine senffarbene Cordjacke und verwaschene Jeans, in deren Gesäßtaschen er die Händestecken hatte.

Es war zwanzig Uhr fünfzehn.

Über dem unkrautübersäten Gelände lag eine pechschwarze Dunkelheit. Von dem selten benutzten Rastplatz gab es bis hierher einen fast zugewachsenen Weg, auf dem man den ehemaligen Flugplatz erreichen konnte. Parkte man sein Fahrzeug zudem ein wenig hinter den Büschen, die zwischen Fahrbahn und Rastplatz wuchsen, hatte man gute Chancen, von etwa vorbeifahrenden Volkspolizisten gar nicht wahrgenommen zu werden. Etwas östlich von hier lag die Jungfernheide, dazwischen gab es noch ein mooriges Gelände, den Bruch. Eine Gegend, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten.

Jochen Gerstner musste einen guten Grund haben, sich in diese Einsamkeit zu wagen und zudem noch ein unangenehmes Verhör durch die VoPos zu riskieren, sollten sie doch einmal nachsehen, wo der Fahrer des Kleinwagens auf dem einsamen Rastplatz so lange blieb.

Eine windschiefe Bretterhütte ragte aus dem Miniatururwald hoch. Gras, verästeltes Gestrüpp, Farne hatten von dem einstigen Flugplatz Besitz ergriffen. Die Betonpiste war von unzähligen Sprüngen durchzogen, in die der Wind Blumensamen geblasen hatte. Vom moorigen Nachbargelände kamen seltsame Laute herüber. Unheimlich um diese Zeit. Es war nicht ratsam, in der Dunkelheit in diese Richtung zu gehen. Jochen Gerstner kickte einen Stein zur Seite, der ihm im Wege gelegen hatte.

Er war nervös.

Seine Zunge strich immer wieder über die kurze Oberlippe. Sie glänzte vom Speichel. Und auf Jochens hoher Stirn glänzte der Schweiß.

Er hob den Kopf.

Der Nachthimmel war wolkenverhangen. Ab und zu erkämpfte sich der Halbmond für wenige Augenblicke das Recht, ein bisschen Silberlicht auf die Umgebung hinunterzuschicken.

Ein knirschendes Geräusch ließ Jochen herumschnellen. Sein Gesicht spannte sich, nahm einen gehetzten Ausdruck an.

Kam da Schuster?

Unwillkürlich hielt er die Luft an. Er lauschte, konnte niemanden sehen, glaubte aber, dass hier nicht ein Mann, sondern zwei unterwegs waren. Er hörte ihre Schuhe durchs hohe Gras schleifen. Er hörte Geäst knacken, duckte sich hinter einen flachen Busch.

Sekunden später sah er sie.

Sie kamen näher und wirkten wie Männer, die auf der Jagd waren.

Jochen Gerstner erkannte sie sofort. Als er die Pistolen in ihren Händen sah, wusste er, dass sie seinetwegen hierhergekommen waren.

Es wäre klüger gewesen, sich hinter dem flachen Busch zu verkriechen. Vielleicht wären die beiden Burschen an Jochen Gerstner vorbeigegangen, ohne ihn zu sehen. Doch Jochen hielt es mit einem Mal hinter dem Busch nicht aus. Die Aufregung schlug ihm wie eine Peitsche in den Rücken. Wie ein aufgescheuchter Hase flitzte er hoch, sobald die Männer auf fünf Meter an seinen Busch herangekommen waren.

Er flitzte hoch, wirbelte herum und rannte um sein Leben ...

Unser Mann aus Italien Berlin 1968 Kriminalroman Band 38

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