Читать книгу Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande - Tomos Forrest - Страница 6

1. Kapitel

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In fröhlicher Stimmung stieg die Jagdgesellschaft aus den Kutschen, nahm Gewehre und Taschen mit der frischen Leibwäsche an sich und folgte dann den ersten Vorausgehenden hinauf zu der Pirschhütte. Wir waren im Gebiet des Karwendelgebirges und wollten am frühen Morgen zur Gamsjagd aufbrechen. Aber noch waren wir nicht vollständig, als wir uns am Tisch in der Hütte einfanden und dort zunächst einmal einen guten Tiroler Obstschnaps erhielten, der uns nach dem etwas frischen Anfahrtsweg die ausgekühlten Glieder wärmen sollte. Es war wohl ein halbes Dutzend Jäger, die hier oben zusammenkamen, dazu erwartete man die hohen Gäste, deren Name zwar niemand aussprach – aber auf deren Einladung wir hier schließlich zusammengekommen waren.

Mein Sitznachbar konnte seine Herkunft nicht leugnen.

Von großer Gestalt, mit einem sorgfältig gestutzten Schnurrbart und kerzengerader Haltung, dazu einem gewissen, forschen Ton bei den wenigen, kurzen Sätzen, die er während der Kutschfahrt mit uns gewechselt hatte, war er durch und durch das Urbild eines Offiziers. Zwar sprach er ein sehr klares Hochdeutsch, doch ein gewisser Einschlag, der den Berlinern so eigen ist, konnte ich immer wieder heraushören.

»Bitte meine Neugier zu entschuldigen!«, sprach er mich jetzt an und räusperte sich noch einmal. Dann sah er hinüber in die Ecke, wo ich meine beiden sorgfältig verpackten Gewehre abgestellt hatte. Wie auf meinen Reisen üblich, hatte ich sie in eine wasserabweisende Hülle gewickelt und mit Lederriemen so geschnürt, dass ich sie mir gut über die Schulter hängen konnten. Bei seinem Blick ahnte ich bereits, was jetzt folgen würde. »Sie nehmen wirklich zwei Gewehre mit auf die Gamsjagd? Ich meine doch, dass Sie vorhin flüchtig von Gewehren, nicht von Jagdbüchsen sprachen.«

Ich lächelte freundlich und antwortete:

»Das ist tatsächlich so. Ich möchte diese Gewehre nicht mehr missen. Sie haben mir bei unzähligen Gelegenheiten das Leben gerettet, und ich kann mich auf sie verlassen wie auf kaum eine andere Waffe.«

Der Offizier verzog ein wenig die Mundwinkel, dann nickte er mir zu und erkundigte sich: »Aber für die Gamsjagd, Herr? Sind sie dafür auch geeignet? Zumal sie mir ziemlich schwer vorkommen!«

»Nun, der Bärentöter hat schon einiges Gewicht, ist aber sehr weittragend und deshalb eine gute Ergänzung zu meinem Stutzen.«

Jetzt erhielt ich einen Blick, als würde mein Nebenmann ein wenig an meinem Verstand zweifeln. Höflich erkundigte er sich:

»Sie haben bereits Bären geschossen? Vielleicht in den Karpaten?«

»Nein, sondern drüben in Nordamerika, wie auch Panther und Bisons. In Afrika dann andere Tiere wie den Löwen oder auch einmal ein Krokodil.«

Der Offizier lächelte mich jetzt auf eine Weise an, als wolle er gleich hinzufügen: ›Ja, natürlich, und vielleicht auch schon ein Mondkalb auf unserem Trabanten?‹ Aber er wahrte die Form und nickte noch einmal.

»Würden Sie die Güte haben, und mir Ihre Gewehre einmal in die Hand geben? Ich würde zu gern einmal eine Waffe halten, mit der solche gewaltigen Tiere erlegt wurden. Unsereiner ist ja stolz, wenn er einen kapitalen Hirsch erlegt oder eben einen prächtigen Gamsbock, dessen Krickeln (Hörner) einen besonderen Schmuck ergeben. Aber Löwen, Büffel und – Krokodile? Na, man staunt!«

»Ich werde sie Ihnen gern nach dem Abendessen einmal vorführen. Aber jetzt scheint es dafür nicht mehr die Zeit zu sein, dort bringt man uns Schinken, Brot und Schmalz zum Abendbrot!«

»Wunderbar! Hier draußen an der guten Luft bekommt man ja auch einen mächtigen Appetit!«, schwärmte mein Nachbar, und ich ergänzte:

»Ist doch etwas anderes als daheim in Berlin, was?«

Der Offizier stutzte, dann lachte er auf.

»Hören Sie, Herr, Sie sind ja köstlich! Woher meinen Sie denn, dass ich aus Berlin komme?«

Während ich nach Brot und Schinken griff und mir eine Scheibe ordentlich belegte, antwortete ich: »Nun, ich beobachte meine Mitmenschen ziemlich genau. Bei Ihnen ist das auch gar nicht so schwer, Sie sprechen zwar ein ausgezeichnetes Hochdeutsch, doch so gänzlich lässt sich der Berliner Dialekt nicht leugnen!«

»Nicht schlecht, und was haben Sie bei Ihrer Beobachtung noch über mich erfahren?«

Jetzt wurden frisch vom Fass gezapfte Bierkrüge herumgereicht, und ich wich dem Mann aus, damit er seine Last auf dem Tisch abstellen konnte. Es war einer der Treiber, die uns morgen die Gämsen vor die Flintenläufe treiben sollte. Als er wieder zum Fass zurückkehrte und weitere Krüge aufnahm, die von zwei anderen Helfern unter dem stetig laufenden Strahl aus dem Fass gefüllt wurden, antwortete ich:

»Nach Ihrer Haltung zu schließen, sind Sie ein Militär. Und wenn ich Ihr Alter berücksichtige, tippe ich auf den Dienstgrad Oberst.«

»Potztausend, das ist mir ja noch nie passiert! Allerdings bin ich Oberstleutnant, aber – wie unhöflich von mir, habe mich ja noch gar nicht vorgestellt.« Der Offizier erhob sich halb von der Bank und neigte seinen ganzen Oberkörper in einer raschen Bewegung nach vorn. »Oberstleutnant von Zastrow, derzeit auf Urlaub und dabei, einen prächtigen Gamsbock zu erlegen!«

Ich nannte auch meinen Namen und meinen Beruf, und das war jetzt zu viel für den preußischen Offizier. Er konnte es gar nicht glauben, dass ein Schriftsteller auszog, um die Welt kennenzulernen und dabei auch noch mit zwei Gewehren unterwegs war. In der nächsten halben Stunde musste ich ihm zwischen meinem Schinkenbrot und dem Bierkrug immer wieder in kurzen Worten erzählen, was ich erst kürzlich erlebt und vor allem – geschossen hatte.

Gerade hatte ich mit wenigen Sätzen meine kürzlich im Zweistromland erlebten Abenteuer berichtet, weil mein Nachbar erfahren wollte, wann ich denn den letzten Löwen erlegt hatte, da merkte ich, wie er immer stiller wurde und dachte schon, dass ich ihn durch eine Bemerkung vielleicht verärgert hätte. Aber dann klopfte er schließlich leicht mit der rechten Hand auf die Tischkante und lächelte mich an.

»Also, ich will doch einen Besen fressen, wenn das nicht das beste Jägerlatein war, das ich jemals gehört habe!«

»Sie glauben mir nicht? Nun, das ist nicht weiter schlimm. Ich gebe Ihnen gern morgen auf der Jagd eine Probe meiner Schießkunst.«

»Einverstanden!«, antwortete der Oberstleutnant und bot mir die Hand. »Und ich wette, dass ich die erste Gams erlegen werde!«

Gerade wollte ich einschlagen, als sich unser Gegenüber leicht räusperte und dann anmerkte: »Meine Herren, so interessant ja eine solche Wette ist, aber Sie vergessen, wer unsere Gastgeber sind. Es wäre ausgesprochen unhöflich, vor den hohen Herren zum Schuss zu kommen!«

Ich zuckte bei der Anrede schon ein wenig zusammen, aber das hatte auch seinen Grund im Aussehen des Sprechers. Sein längliches Gesicht, dazu die schmalen Lippen, leicht nach unten gebogene Mundwinkel, übertrieben hoch gezogene Augenbrauen – das war Baron Hermann von Falkenstein, ein im Land bekannter Spieler und Frauenheld mit vermutlich unbegrenzten Finanzmitteln. Jedenfalls berichtete man öfter über seine Besuche der Casinos in Baden-Baden und Monte Carlo. Aber ich musste ihm beipflichten. Unser Vorhaben wäre nicht auszuführen gewesen, ohne die Gastgeber zu brüskieren. So verneigten wir uns höflich im Sitzen voreinander, und dann hob der Oberstleutnant seinen Bierhumpen und trank mir zu. Ich erklärte lächelnd:

»Keine Sorge, Herr Oberstleutnant. Sicher wird es noch eine Gelegenheit geben, Sie von der Qualität meiner Gewehre zu überzeugen, vielleicht ja auch schon bei der morgigen Jagd.«

»Apropos, haben Sie es schon gehört? Es wird zunächst eine Treibjagd geben. Die Männer brechen bereits eine halbe Stunde vor uns auf, um sich auf eine gewisse Höhe zu begeben. Wir sollen einen Platz an einer Klamm beziehen, wo wir freies Schussfeld nach zwei Seiten haben. Dann machen sich die Treiber bemerkbar, und die erste Herde wird in unser todbringendes Feuer laufen!«

»Stellen Sie sich das mal nicht zu einfach vor, Herr Oberstleutnant!«, mischte sich wieder der Baron quer über den Tisch ein. »Ich habe in den letzten Jahren meine Erfahrungen mit den Gämsen sammeln können. Es gibt kaum ein anderes Wild, das so scheu ist, dabei schnell und vor allem mit einem unglaublich guten Sehvermögen ausgestattet. Das wird für uns nicht einfach werden!«

Ich nickte stumm, denn ich war auf meiner ersten Gamsjagd, die ich der Tatsache verdankte, dass nach einer Lesung in München die Zeitungen sich in den höchsten Tönen über meine Schießkünste ausließen. Als der dicke Brief mit dem königlichen Siegel bei mir eintraf, glaubte ich, nicht richtig zu lesen. Niemand anderes als König Ludwig II. von Bayern lud mich persönlich zu dieser Jagd nach Tirol ein. Konnte ich da lange widerstehen? Nein, ich hatte die Gelegenheit sofort ergriffen und dankbar die Einladung angenommen. Dass ich damit auch noch ein weiteres Ziel verfolgte, verschwieg ich meiner lieben Frau, die ein wenig mit mir schmollte, nicht mitkommen zu dürfen. Sie schwärmte von Empfängen und Bällen am Hofe des Königs, und ich hatte meine liebe Not, ihr klarzumachen, dass wir ein paar Tage mit wenig Bequemlichkeit in den Tiroler Bergen verbringen würden. Da war keine Rede von Tanz und anderem Vergnügen, als den Gämsen nachzustellen.

Plötzlich wurde es laut vor der Hütte, Stimmen riefen und ein Pferd wieherte freudig auf, als es die anderen Tiere im Pferch neben der Hütte entdeckte. Dann riss jemand stürmisch die Tür auf, und alle anwesenden Männer waren aufgesprungen, um eine tiefe Verbeugung zu machen – mich eingeschlossen.

»Bitte, meine Herren, behalten Sie doch Platz, wir sind unter uns Jägern ganz kommod! Hier ist mein väterlicher Freund, der Carl, und das ist der Sepp. Also bitte, ganz natürlich und wir sprechen uns ab jetzt nur noch mit den Vornamen an. Nein, Sepp, du hockst dich da auch mit hin!«

Die letzte Bemerkung galt einem kauzigen Alten mit schlohweißem Haar und einem prächtigen Schnauzer sowie einem etwas dünnen Wangenbart. Ich kannte ihn, wir waren uns schon einmal in seiner Heimat begegnet. Joseph Brendel, königlich-bayerischer Hauptmann a.D., enger Vertrauter König Ludwig II. und zudem – Geheimpolizist Seiner Majestät. Erstaunt, ihn hier oben in den Bergen am Vorabend einer großen Jagd zu sehen, wollte ich auf ihn zugehen, als ich einen warnenden Blick des Alten auffing. Es war offensichtlich, dass er so tun wollte, als würden wir uns nicht näher kennen. Brendel, von Freunden nur kurz ›Sepp‹ gerufen, hatte aufgrund seiner Sammelleidenschaft von heilkräftigen Wurzeln noch den Namen Wurzelsepp erhalten. Auch sein Äußeres wirkte bieder, natürlich trug er eine der üblichen Joppen und dazu eine Lederhose. Kurze Wollstrümpfe reichten nur bis zur Wade, und wie stets bei unseren früheren Begegnungen hing ihm an einem Band die unvermeidliche Zither von der Schulter, die er allerdings meisterhaft zu spielen verstand. Ich musste bei seinem Anblick einräumen, dass ich selten einen so gut getarnten Geheimpolizisten erlebt hatte wie diesen ehemaligen Dragoneroffizier. Joseph Brendel war ein Meister der Verstellung und arbeitete kräftig an seinem Auftritt als schlichtes, bayerisches Original, das noch nicht einmal lesen konnte. Ja, der Wurzelsepp passte gar nicht so recht in diese Gesellschaft, aber das schien keinen der Anwesenden zu stören.

Ich hatte mich zwar erhoben, tat aber so, als galt das nicht Sepp, sondern dem Ende unserer langen Tafel. Hier griff ich noch einmal zum Schinkenmesser, schnitt mir erneut ein Stückchen herunter und stopfte es mir in den Mund, während die neu eingetroffenen Gäste jetzt ebenfalls Bierhumpen auf den Tisch gestellt bekamen.

»Greift zu, Ihr Leut’! Es kommen auch gleich die Kasspatzln (kleine Teigklößchen mit Käse und gerösteten Zwiebeln) auf den Tisch!«, verkündete einer der Männer am Herd. Dieser Aufforderung wurde gern und sofort Folge geleistet.

König Ludwig hatte mir beim Niedersetzen nur kurz zugenickt und damit ebenfalls so getan, als würde ich zwar zur Jagdgesellschaft gehören, aber auch nicht in direktem Bezug zu ihm selbst stehen.

Nun, das musste mir natürlich recht sein. Wenn sich der König und sein bester Vertrauter so verhielten, gab es dafür einen triftigen Grund. Auf den war ich gespannt, wusste aber mich zu beherrschen und lauschte nun den harmlosen Gesprächen über vergangene Jagderfolge, bis es Schlafenszeit wurde. Der König und sein Begleiter, in dem ich Carl Maximilian von Orff vermutete, einen Offizier und frisch ernannten Militärdozenten an der Bayerischen Militärakademie, erhielten die beiden einzigen Einzelzimmer, während wir anderen den gemeinsamen Schlafsaal der Jäger aufsuchten. Für die Treiber gab es nur eine Übernachtungsmöglichkeit im Heu der angebauten Scheune, was aber für die Leute vollkommen in Ordnung war. Es waren alles kernige Burschen, deren Bewegungen eine Leichtigkeit zeigten, die man so oft bei Menschen findet, die ihren Alltag in der freien Natur verbringen. Dazu kamen ihre sonnengebräunten Gesichter, die offenen, ehrlichen Augen und ihre freundliche Art, wie sie uns bedienten und dabei immer ein Lächeln für die Gäste hatten. Ich kannte niemanden weiter und erfuhr erst bei der Einteilung für die Aufgaben am nächsten Tag, dass es nicht alles Treiber waren, sondern auch einige von ihnen als angestellte Jäger des hohen Jagdherrn dienten und ihm vollständig ergeben waren. Man merkte ihnen an, wie sie förmlich aufblühten, als ihr Herr Ludwig, wie sie den König nach seiner Weisung anzusprechen hatten, eintrat und nun der Mittelpunkt der ganzen Gesellschaft war.

Nach und nach kehrte Ruhe ein, es brannten nur ein paar Kerzen in den Leuchtern auf der langen Tafel als Orientierungshilfe, falls einer der Herren noch den Abort aufsuchen musste und sich nicht zurechtfand.

Ich musste gerade erst eingeschlafen sein, als mich jemand behutsam am Arm zupfte und ich verwundert die Augen aufschlug. Wir schliefen alle in sogenannten Etagenbetten, die rings an der Wand angeordnet waren. Mein Mitschläfer im oberen Bett war Sepp, und ich wunderte mich, wie geschickt er das bei der Verteilung der Schlafgelegenheiten angefangen hatte. Jedenfalls war er es, der jetzt vor mir stand und mir ein Zeichen mit der Hand gab, ihm nach draußen zu folgen.

Glücklicherweise hatte ich noch meine Jagdpikesche (Jacke) vom Haken genommen und übergezogen, denn die Nacht war empfindlich kalt. Ein unangenehmer Wind schlug mir entgegen, als ich neben Sepp trat, der noch ein paar Schritte zur Seite ging und sich dann zu mir umdrehte.

»Gut, dass du kommen konntest, Charly!«, raunte er mir zu. Wir standen seit unserem letzten, gemeinsamen Einsatz auf sehr vertrautem Fuß miteinander.

»Es sind Dinge im Entstehen, die mir große Sorgen machen. Ich kann derzeit niemand mehr trauen und da fiel mir passend der Bericht über deinen Auftritt in München in die Hände. Sofort hatte ich einen Plan, weihte Seine Majestät aber nicht ein. Vielmehr brachte ich ihn dazu, sich einmal die Schießkünste eines Mannes zeigen zu lassen, der unter dem Namen Old Shatterhand oder auch Kara Ben Nemsi zahlreiche Abenteuer erlebt hat und in seinen Erzählungen davon berichtet.«

»Das darfst du aber nicht so aufnehmen, als hätte ich alles persönlich erlebt, was ich niederschreibe, Sepp. Häufig muss ich ausschmücken und nehme dazu eine Erzählung eines meiner Gefährten hinzu, um Dinge zu schildern, die ich im Augenblick des Geschehens nicht wissen konnte. Und da kann auch …«

»Scht!«, fiel mir Sepp aber ins Wort. »Keine weiteren Erklärungen! Ich kann mich erinnern, dass wir uns bei unserer Begegnung ausführlich über die Tätigkeit eines gewissen Detektivs in Amerika unterhalten haben.«

»Ja, das ist richtig, aber jetzt …«

»Nicht so bescheiden, Charly! Jetzt brauche ich deine Hilfe, aber noch kann ich nicht ausführlich erzählen, was mich bedrückt. Nur eine Bitte habe ich vorerst: Halte die Augen so weit offen, wie es Old Shatterhand in Gegenwart feindlicher Comanchen täte!«

»Nanu, Sepp? Es gibt doch keine Indianer hier in Tirol?«, versuchte ich zu witzeln, kam damit aber nicht gut an.

»Die Lage ist ernst. Es könnte sein, dass man unseren Kini … töten will!«

»Was? Aber das ist doch gar nicht …«, fuhr es mir heraus, aber rasch stieß mich Sepp in die Seite und brachte mich zum Schweigen.

»Kein Wort weiter, ich habe dort hinten am Haus eine Bewegung gesehen. Ich vermute, jemand ist uns ins Freie gefolgt!«

Tatsächlich trat eine Gestalt aus der Dunkelheit der Treiberhütte, machte ein paar Schritte zur Seite und schien dort sein Wasser abzuschlagen. Aber mein Misstrauen war geweckt. Ich ging ein wenig seitwärts auf den Mann zu, der eben hastig bemüht war, seine Kleidung wieder in Ordnung zu bringen.

»Guten Abend, Herr Baron!«, sagte ich leise. »Auch ein wenig zu viel vom guten Gerstensaft genossen? Ja, das nächtliche Hinauslaufen ist doch sehr lästig!«

Ich hatte richtig gesehen, denn schon kam die leicht näselnde Antwort:

»Ja, ich hätte es besser wissen müssen. Aber das Gebräu war einfach zu gut! Also, dann noch eine gute Nacht!«

Sepp und ich verharrten noch, bis Baron von Falkenstein wieder in die Hütte getreten war. Da berührte mich der Alte und raunte mir zu: »Aufpassen, Charly, das ist ein ganz fauler Kunde! Behalte ihn im Auge!«

»Das will ich gern tun. Aber wenn du Angst um den König hast, ist doch wohl der Jagdausflug morgen eine Gelegenheit für einen Anschlag, oder irre ich mich? Wir sind doch immerhin genügend Schützen, um im Eifer der Jagd einmal einen Fehlschuss zu machen!«

»Genau aus diesem Grund werde ich den Anton bitten, dich auf einen besonderen Platz zu stellen. Ich kenne das Gebiet hier wie meine Westentasche, auch wenn es ein wenig abseits der Heimat liegt. Doch bin ich mit Maje… mit Ludwig schon sehr oft hier draußen gewesen. Anton ist ein braver Bursche, den ich so weit eingeweiht habe, wie es erforderlich schien. So, nun lass uns noch ein wenig ausruhen, das wird morgen ein langer Tag!«

Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande

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