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3. Kapitel

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»Wohin wollen wir?«, erkundigte ich mich ein wenig atemlos, nachdem wir eine bedeutende Strecke durch die Klamm gegangen waren und dann einen Aufstieg begannen, der mich an die Grenzen meiner Zuversicht brachte. Meter um Meter ging es aufwärts, aber auf so schmalem Grat, dass ich mich manchmal fest an die Wand drücken musste, um überhaupt noch einen Halt zu haben. Bei dieser Kletterei waren mir natürlich die Gewehre besonders hinderlich, auch wenn ich sie mir über Kreuz auf den Rücken gehängt hatte.

»Ich will ihn mir schnappen, den Loamsieder!«, antwortete Anton in verständlichem Hochdeutsch, ohne auch nur einen Moment innezuhalten.

Gut, also!, dachte ich mir. Wenn dieser Gamsjäger meint, er wäre hier im Vorteil, muss ich ihm zwar recht geben. Aber abhängen lässt sich ein Old Shatterhand deshalb noch lange nicht! Ich spürte, wie ich bei diesen nicht ausgesprochenen Worten vor mich hin grinste, denn in Gedanken hatte ich mich selbst wieder bei meinem Kriegsnamen genannt. Aber ich war weder in den Rockies noch zu Fuß von der gewaltigen Anhöhe des Canyons hinunter zum Colorado River unterwegs, sondern in Tirol, mitten im wilden Karwendelgebirge. Doch der Eifer hatte mich gepackt, ich wollte Anton beweisen, dass ich mit ihm gleichzeitig das Ziel erreichte. Und tatsächlich – endlich wurde der Pfad wieder breiter, ich konnte besser Tritt fassen und bog gerade nach Anton um eine Felsenecke, als ich um ein Haar auf ihn geprallt wäre. Er hatte die Hand nach hinten ausgestreckt, um mir ein Zeichen zu geben.

»Einhundert Schritt weiter oben hockt der Kerl und hat uns bemerkt. Gehen wir weiter, wird er auf uns schießen. Vor uns ist ein Felsvorsprung, um den ich nur kurz gelugt habe, als ich sein Gewehr erneut in der Sonne blinken sah. Das Wetter ist für einen solchen Hinterhalt nicht sonderlich ideal!« Bei dieser letzten Bemerkung grinste der Gamsjäger über sein ganzes Gesicht.

»Das ist nun wirklich schlecht für uns!«, raunte ich und blickte in den Abgrund zu meiner Linken. Auch wenn der Pfad breit genug war, um vernünftig stehen zu können – einem Schuss konnten wir hier nicht ausweichen. »Was machen wir also?«

Anton deutete, noch immer grinsend, auf meinen Rücken.

»Du hast doch einen Mehrlader, oder?«

»Den Stutzen, ja, mit fünfundzwanzig Schuss!«

»Fünfundzwanzig? Ja, bärig (schön), warum nicht gar?«

»Soll ich’s beweisen?«

»Bitte, tritt nur vor und schieß dem Zoggla (Anfänger) was um die Ohren, damit er zurückgeht. Dann haben wir ihn, denn er muss wieder auf die Spitze zurück.«

Ich zögerte nicht länger, nahm den Stutzen von der Schulter und schob den Lauf um die Ecke. Nur einmal feuerte ich, natürlich ungezielt, in die Richtung und wartete die Reaktion des Wildschützen ab. Tatsächlich krachte es gleich darauf auf der anderen Seite, und das Geräusch der kleinen Bleikugeln, die gegen den Felsen klatschten, verriet mir, dass der Mann Schrot geladen hatte. Jetzt war es an der Zeit, ihm Beine zu machen. Ich schob erneut den Lauf um die Ecke und schoss in rascher Folge fünfmal und wartete wieder die Reaktion ab. Kein Schuss fiel mehr von seiner Seite, und nun riskierte ich etwas mehr. Ich legte mich flach auf den schmalen Pfad und registrierte nur im Unterbewusstsein, dass dabei mein linker Ellbogen keinen Bodenkontakt mehr hatte. Dann schob ich mich so weit vor, dass ich ein Stück des Pfades übersehen konnte. Weiter oben hörte ich einen Stein herabrollen und gleich darauf auf den Pfad aufschlagen – der Mann flüchtete vor uns, denn er musste aufgrund der Schüsse mit einer wahren Übermacht rechnen.

»Lass mich vorgehen, ich kenne die Gegend auswendig!«, erklärte Anton und ich presste mich dicht an die Felswand, um ihn vorbeizulassen. Ohne zu zögern, eilte der Gamsjäger geschickt weiter, während ich ihm in gebückter Haltung folgte. Es war keine sehr angenehme Situation, in der wir uns befanden. Hier gab es keinerlei Deckung, und sollte uns der Bursche hinter der nächsten Biegung erneut auflauern, waren wir ihm schutzlos ausgeliefert. Doch das schien Anton nicht zu kümmern, er eilte weiter und sprang über das Geröll wie eine Gämse. Dann standen wir beide, tief aufatmend, auf einem schmalen Plateau, dessen Ende von dichtem, aber niedrigen Kieferngestrüpp überwuchert war.

Hier erwartete uns der Wilderer, das Gewehr flog an seine Wange, der Schuss krachte zugleich mit unseren. Ich spürte den Luftzug der Kugel an meiner Wange, so dicht flog sie vorüber. Doch der Schütze zuckte zusammen, drehte sich um die eigene Achse und stürzte mit einem Aufschrei zwischen das Gestrüpp. Etwas polterte in die Klamm hinunter, ein Schuss krachte, dann blieb alles ruhig. Vorsichtig schlichen wir uns näher, die Gewehre im Anschlag.

»Obacht!«, rief mir Anton zu, der einen Schritt vor mir ging. Um ein Haar wäre er zwischen den Sträuchern ins Leere getreten. Fast gleichzeitig mit seinem Warnruf hatte ich ihn mit der linken Hand an der Schulter gefasst und zurückgerissen.

»Da ist kein Felsen mehr unter den Büschen – der Kerl ist in die Tiefe gestürzt!«, sagte ich dazu.

»Kruzifix noamal eini, wia ischn des passiert?«, rief Anton verwundert in seiner Mundart aus und starrte zwischen die verkrüppelten Latschenkiefern, die hier ein scheinbar undurchdringliches Hindernis boten, in Wahrheit aber wohl bereits weit über den Abgrund gewuchert waren und ihn dadurch vor den Augen verbargen.

Doch dann legte er seine Büchse ab und kroch auf allen vieren weiter, ohne auf meinen nächsten Warnruf zu hören. Endlich gab er es auf und kehrte auf gleiche Weise zurück.

»Etwas zu sehen, Anton?«

»Nein, weg ist der Saufratz!«

»Lass uns zu den anderen zurückkehren!«, schlug ich vor, und tatsächlich willigte Anton ein. Es dauerte seine Zeit, bis wir auch das letzte, steile Stück überwunden hatten und wieder bei den anderen eintrafen. Während König Ludwig nun darauf bestand, noch eine Pirsch auf Gämsen zu versuchen, wollte Anton in der Klamm nach dem Toten suchen und war von seinem Vorhaben nicht abzubringen.

»Herr Ludwig, das ist der Saufratz gewesen, der uns hier schon oft das Leben schwer gemacht hat. Einmal hat er auch auf mich geschossen, jetzt muss ich wissen, ob er wirklich tot ist.«

»Meinetwegen!«, räumte der König ein. »Wir anderen aber gehen nun einzeln dort drüben hinter dem Wäldchen auf die Pirsch. Und damit wir uns nicht wieder ins Gehege kommen, werden wir uns in einer Linie verteilen. Nur der Oberstleutnant, Carl, Sepp und Charly gehen mit mir hoch, die anderen Jäger und Treiber gehen zur Pirschhütte zurück, wo wir uns dann später treffen werden. Auf geht’s, Buam!«

Den toten Wilderer fand Anton jedoch nicht, lediglich seine zerschlagene Büchse. Vergeblich strengte er sich bei seiner Suche an und kam schließlich zu dem Schluss, dass der Bursche bei seinem Abrutschen wohl Glück gehabt hatte und unterhalb der Latschenkiefern hängen blieb – bis wir verschwanden. Anders war das Fehlen seines Körpers nicht erklärbar.

Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande

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