Читать книгу Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher - Страница 34

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»Schau’ her, Michaela, so mußt’ erst die Form einfetten, sonst setzt dir der Kuchen an«, sagte Maria Engler zu ihrer Tochter und schüttelte den Kopf. »Himmelnocheinmal, wo bist’ bloß mit deinen Gedanken? Hundertmal hab ich’s dir doch schon gezeigt!«

Das dunkelhaarige Madel hob das hübsche Gesicht.

»Ja, Mutter, entschuldige bitte, ich weiß auch net, was mit mir los ist…«

Dabei hoffte sie, daß ihre Mutter nicht sah, wie sie rot anlief. Sie wußte nämlich ganz genau, was mit ihr los war. Übermorgen kam Markus zurück, endlich, nach drei langen Jahren. Darum war das Madel so aufgeregt und konnte sich auf nichts konzentrieren.

Maria hatte ihr die Kuchenform aus der Hand genommen und selbst noch einmal gründlich eingefettet. Jetzt reichte sie sie der Tochter zurück. Michaela füllte den Teig hinein und strich ihn glatt. Dann schob sie die Form in den vorgeheizten Backofen.

»Eine gute Stunde, bei hundertachtzig Grad«, bemerkte die Mutter, bevor sie die Küche verließ. »Ich leg’ mich jetzt ein halbes Stündchen hin. Weck mich um drei.«

»Ist gut«, antwortete das Madel und machte sich an den Abwasch.

Um drei würden auch die beiden Knechte, Valentin Oberbauer und Franz Saibler vom Wald zurückkommen. Dann wurde auf dem Anstetterhof Kaffee getrunken. So war es seit jeher Brauch. Michaela konnte sich nicht erinnern, daß es jemals anders gewesen wäre, und sie lebte schon lange mit ihrer Mutter, die hier als Magd arbeitete, auf dem Hof. Der Vater war kurz nach der Geburt der Tochter durch einen tragischen Unglücksfall verstorben, und Maria hatte zusehen müssen, daß sie sich und das Kind durchbrachte. Sie sprach oft davon, wie sehr sie dem Anstetter-Bauern und seiner Frau dankbar war, daß sie damals mit dem Kind aufgenommen worden war. So wuchs Michaela zusammen mit dem Sohn des Bauern auf, und sie und Markus wurden wie Bruder und Schwester.

Später, als die Bäuerin gestorben war, übernahm Maria Engler auch bei dem kleinen Bub die Mutterpflichten, und manchmal kam es sogar vor, daß Markus sie Mama nannte.

Es wurde eine glückliche Zeit für Michaela, genauso, wie ihre Mutter es sich erhofft hatte. Die Jahre vergingen, und aus den Kindern wurden junge Leute. Markus Anstetter besuchte die Landwirtschaftsschule, und als er sie beendet hatte, äußerte er den Wunsch, für ein paar Jahre als Entwicklungshelfer nach Afrika zu gehen. Der Altbauer, Josef Anstetter, konnte sich nur schlecht damit anfreunden, aber mit Marias Hilfe und dem Zureden durch Pfarrer Trenker, gelang es dem Sohn, den Vater zu überzeugen.

»Also gut, Bub«, gab der Alte nach, »aber in drei Jahren bist wieder hier und übernimmst den Hof. Dann hab’ ich lang’ genug geschafft.«

Einundzwanzig Jahre alt war er da gewesen und Michaela achtzehn. Es war ein schwerer Abschied, denn beide wußten, daß nun auch die unbeschwerte Zeit ihrer Kindheit und Jugend endgültig vorüber war.

An all diese Dinge dachte das Madel, während es den Abwasch beendete und den großen Tisch auf der Diele deckte.

Ob er sich sehr verändert hatte? In seinen Briefen war nichts davon zu merken gewesen.

Im Gegenteil, oft neckte er sie mit Andeutungen und Bemerkungen über Streiche, die sie ausgeheckt hatten, erinnerte er sie an längst vergessene Begebenheiten, wie das ›Abenteuer‹ droben, am Höllenbruch, wo Michaela sich einmal beim Pilzesuchen verlaufen hatte.

Die Leute vom Hof suchten sie den halben Tag. Markus fand sie schließlich weinend auf einem Ameisenhaufen sitzend. Oder an den Ausflug zum Achsteinsee, wo Markus beinahe ertrunken wäre, als das Boot kenterte.

Aber diese Zeiten waren vorbei. Michaela wußte nicht, ob sie diese Tatsache bedauern sollte. Jetzt war sie erwachsen, und Markus ebenfalls. Sie spürte ihr Herz schneller schlagen, als sie sich vorstellte, daß er schon bald wieder vor ihr stehen würde. Sie wußte, daß sie ihn liebte, mehr, als alles andere auf der Welt. An Verehrern mangelte es ihr wahrlich nicht. Auf der Schule war es nicht anders gewesen, als auf den Tanz­abenden, drunten im Dorf. Aber keinem von den Burschen war es je gelungen, ihr Herz so zum Klopfen zu bringen, wie der Gedanke an Markus Anstetter.

*

Im Büro des Bürgermeisters von St. Johann herrschte rege Betriebsamkeit. Markus Bruckner saß an seinem Schreibtisch, vor sich einen Berg Aktenordner, und seine Sekretärin, Katja Hardlacher, brachte erneut einen Armvoll davon aus dem Archiv im Keller des Rathauses.

»Du liebe Zeit, wie viele sind’s denn noch?« stöhnte Markus.

»Dies sind die letzten, Herr Bürgermeister.«

Die junge Frau legte die Ordner zu den anderen.

»Und alle über die bewußte Angelegenheit?« wunderte der erste Mann des Ortes sich. »Ich hab’ ja gar net g’wußt, daß die Sach’ solch einen Umfang hat.«

Er holte tief Luft und stieß sie hörbar wieder aus.

»Na schön, dann wollen wir uns mal da durcharbeiten.«

Der Bürgermeister sah seine Sekretärin an.

»Dank’ schön, Frau Hardlacher«, sagte er. »Wenn S’ mir jetzt vielleicht noch einen Kaffee bringen könnten. Und dann bitte keine Störung – wenn’s sich vermeiden läßt.«

»Der Kaffee kommt gleich.«

Die Frau schloß die Tür hinter sich und ließ Markus Bruckner allein in seinem Büro. Der Bürgermeister strich sich nachdenklich über das Kinn und nahm dann den ersten Ordner zur Hand. Als er ihn aufschlug, wehte ihm ein muffiger Geruch entgegen.

Eine ganze Stunde vertiefte er sich darin. Katja Hardlacher hatte ihm den gewünschten Kaffee gebracht und ihn dann nicht mehr gestört. Markus Bruckner las, überlegte, blätterte vor und dann wieder zurück. Zwischendurch machte er sich Notizen auf einem Block. Schließlich klappte er den Ordner zu und legte ihn zufrieden zur Seite. Dabei schaute er die anderen Akten an, die er noch nicht durchgesehen hatte. Da lag noch eine Menge Arbeit vor ihm, aber wenn der Inhalt der verstaubten Dokumente und Schriftstücke genauso befriedigend war, dann lohnte sich die ganze Mühe. Im stillen bedankte er sich bei seiner Frau, die am letzten Sonntag darauf bestanden hatte, endlich einmal mit ihrem Mann einen Ausflug zu machen und nicht immer nur die Zeit mit Verwandtenbesuchen zu verbringen. Eine große Wanderung von St. Johann nach Engelsbach hatten sie gemacht, quer durch den Ainringer Wald, und dabei war der Bruckner-Markus auf eine Sache gestoßen, an die er schon ewig nicht mehr gedacht hatte – auf das alte Jagdschloß ›Hubertusbrunn‹.

Wie ein verwunschenes Märchenschloß stand es da im Wald, umgeben von einem verwilderten Park, dessen Dornensträucher es beinahe unmöglich machten, näher heranzukommen.

»Wie das Dornröschenschloß«, hatte seine Frau gesagt, und Markus Bruckner hatte sofort eine Idee.

Dieses verlassene Jagdschloß gehörte, soweit er wußte, zum Besitz des verstorbenen Baron Maybach. Dunkel erinnerte er sich da an eine Geschichte, die sich lange vor seiner Amtszeit zugetragen hatte. Der Baron und dessen Frau waren auf tragische Weise ums Leben gekommen, und seit jenen Tagen stand Hubertusbrunn leer und verkam.

Offenbar hatte sich in all den Jahren seit dem Unglück niemand mehr um das Anwesen gekümmert, und Markus Bruckner fragte sich, wem das Jagdschloß wohl gehören mochte.

Gab es überhaupt einen Erben? Oder war es womöglich dem Freistaat und damit gar der Gemeinde zugefallen? Seiner Gemeinde? Schließlich lag es näher an St. Johann, als an Engelsbach.

Was konnte man alles daraus machen!

Soviel man von außen sah, gab es doch mindestens zehn Zimmer, wenn nicht mehr. Aber Genaueres würde sich bestimmt noch in irgendwelchen Unterlagen finden lassen. Es war doch jammerschade, solch ein Juwel einfach so verkommen zu lassen. Markus Bruckner war immer darauf bedacht, aus ›seinem‹ St. Johann etwas besonderes zu machen.

Einen touristischen Anziehungspunkt zum Beispiel, und mit diesem Schlößchen würde es sogar eine Attraktion haben, denn ihm schwebte etwas ganz Exklusives vor. Etwas, das es noch nicht einmal in der Kreisstadt gab.

Aus Schloß Hubertusbrunn sollte ein Spielcasino werden!

Natürlich würde man ein wenig in die Renovierung investieren müssen, und eine Zufahrt mußte auch her. Aber die Kosten würden in kürzester Zeit wieder hereinkommen.

Sozusagen spielend!

Nur wissen durfte von diesen Plänen vorläufig noch niemand. Es gab eine ganze Menge Leute, die nicht immer mit den Plänen des Bürgermeisters einverstanden waren…

Mit Feuereifer hatte sich Markus Bruckner gleich am Montag morgen an die Arbeit gemacht, und je länger er in den alte Akten blätterte, um so zuversichtlicher wurde er. Ein paar Erkundigungen mußte er noch einziehen, doch vor seinem geistigen Auge sah er schon teure Autos zum Jagdschloß hinausfahren, und elegant gekleidete Damen und Herren an den Spieltischen stehen.

Zufrieden schloß er den Ordner, es war der vorletzte aus dem ganzen Stapel, und griff zum Telefon. Sein Anruf galt dem Amtsgericht in der Kreisstadt. Dort ließ er sich mit dem Rechtspfleger verbinden, der für Erbschaftsangelegenheiten zuständig war.

Es wurde ein sehr langes Telefonat…

*

Sophie Tappert summte fröhlich das Lied mit, das aus dem Radio erklang. Dabei sauste der Putzlappen nur so über Tische und Stühle. Eckbank und Küchenschrank, daß es eine reine Freude war, der Perle des Pfarrhaushalts bei der Arbeit zuzusehen.

Auf dem Herd simmerte derweil der Suppentopf vor sich hin. Zum Mittagessen gab es einen deftigen Eintopf.

Die Haushälterin räumte Lappen und Eimer weg und deckte den Tisch. Es war kurz nach zwölf, und in ein paar Minuten würden Pfarrer Trenker und Max zum Essen kommen.

Sie hatte gerade die Suppe noch einmal abgeschmeckt, als sie die beiden Männer auch schon draußen im Flur hörte.

»Wie geht’s auf dem Ponyhof?« fragte Sebastian seinen Bruder. »Bist’ wieder einmal d’roben gewesen?«

Der Polizeibeamte pustete in seine Suppe und nickte.

»Gestern abend«, erzählte er. »Es geht voran. Der Verlobte von Sandra Haller verseht sich aufs Handwerk.«

»Das freut mich«, sagte der Geistliche. »Im Herbst wollen die beiden ja heiraten. Ich wünsch’ ihnen von ganzem Herzen, daß das Ferienhotel ein Erfolg wird.«

»Na, auf dem Anstetterhof wird man demnächst auch ’was zum Feiern haben«, meinte Max.

»So? Was gibt’s denn da Erfreuliches?«

»Der Markus kommt nach Haus’. Drei Jahr’ war er in Afrika.«

»Was, ist die Zeit schon um?«

Sebastian war erstaunt. Natürlich erinnerte er sich an den jungen Burschen, der es ja auch ihm zu verdanken hatte, daß sein sehnlichster Wunsch, als Entwicklungshelfer zu arbeiten, in Erfüllung gegangen war. Der Seelsorger erinnerte sich noch recht gut an die vielen Gespräche, die er mit Markus’ Vater geführt hatte. Es war nicht leicht gewesen, den Bauern zu überzeugen. Doch letztendlich hatte Josef Anstetter nachgegeben.

»Na, dann wird der Josef sich ja bald aufs Altenteil zurückziehen.«

Max Trenker zuckte die Schulter.

»Ich weiß net«, wandte er ein. »Solang’ der Markus net verheiratet ist, wird er wohl noch net der Bauer werden. Der Alte will doch auch einen Erben.«

Sebastian schmunzelte.

»Also, ich kenn’ da ein junges Madel, das wartet bestimmt schon sehnsüchtig auf Markus’ Rückkehr.«

»Du meinst Michaela Engler? Die Tochter der alten Magd?«

»Natürlich. Die beiden sind doch von Kindesbeinen an füreinander bestimmt.«

»Na, ich weiß net«, unkte der Polizist. »Wenn da man der alte Anstetter mitspielt.«

»Warum sollte er net?« wollte der Pfarrer wissen. »Eine bessere Frau für seinen Sohn kann er sich doch gar net wünschen. Das Madel kennt den Hof, hat alles von der Mutter gelernt. Also, wenn das net die besten Voraussetzungen sind, um Bäuerin zu werden, dann weiß ich auch net!«

*

Die letzten Kilometer mußte Markus Anstetter mit dem Bus zurücklegen. Schon als er auf dem Bahnhof in der Kreisstadt stand und tief die heimische Luft einatmete, spürte er das beglückende Gefühl, wieder zu Hause zu sein.

Langsam schlenderte er zu der Abfahrtstelle hinüber und setzte sich dort auf eine Bank. Er hatte nur eine Reisetasche mit dem Nötigsten bei sich. Sein anderes Gepäck befand sich noch in München auf dem Flughafen. Es sollte in den nächsten Tagen mit einer Spedition gebracht werden.

Die afrikanische Sonne hatte seine Haut dunkel gefärbt. Im Kontrast dazu waren seine blonden Haare beinahe noch heller geworden.

Markus hatte gern auf dem fernen Kontinent gearbeitet. Es war ihm ein Bedürfnis gewesen, sein Wissen und Können weiterzugeben und anderen Menschen damit zu helfen. Unter seiner Leitung waren in Simbabwe, dem früheren Rhodesien, mehrere Projekte entstanden, die in erster Linie dazu dienten, die Bevölkerung anzuleiten, aus eigener Kraft landwirtschaftliche Erzeugnisse anzubauen, zu pflegen und zu ernten, und so von teuren Importen unabhängig zu werden. Hilfe zur Selbsthilfe hieß das Motto, unter dem Markus’ Arbeit geschah.

Es waren drei harte Jahre gewesen, mit vielen Rückschlägen und etlichen Hindernissen, die oftmals bürokratische Ursachen hatten. Doch mit Fleiß und Eifer war es dem jungen Deutschen und seinen einheimischen Helfern gelungen, auch diese zu meistern. Jetzt konnte Markus Anstetter mit Stolz auf seine Zeit in Afrika zurückblicken.

Auf der Fahrt nach St. Johann dachte er daran, wie sehr sich sein Leben jetzt wieder verändern würde. Der Vater wollte sich nun bald zur Ruhe setzen. Erst in seinem letzten Brief war davon die Rede gewesen.

Allerdings erwartete er auch, daß der Sohn sich erst verheiratete, so hatte er es zumindest anklingen lassen. Aber das würde das geringste Problem sein. Markus wußte, daß für ihn keine andere in Frage kam, als die Freundin seiner Jugendzeit. Ob sie die Sehnsucht aus seinen Briefen herausgelesen hatte? So ganz erklärt hatte er sich ihr nie, aber spüren mußte sie doch, daß er sie liebte. Früher waren sie wie Bruder und Schwester gewesen, doch heute würden sich ein Mann und eine Frau gegenüberstehen. Wie würde die erste Begegnung nach so vielen Jahren verlaufen?

Ungeduldig schaute er aus dem Busfenster. In der Ferne konnte er schon die beiden Gipfel der ›Zwillige‹ sehen, den Himmelsspitz und die Wintermaid. Lange würde es nicht mehr dauern, bis sie St. Johann erreichten. Doch für den Heimkehrer konnte es gar nicht schnell genug gehen.

Ob sie ihn wohl von der Haltestelle abholte?

Enttäuschung machte sich auf seinem Gesicht breit, als er aus dem Bus gestiegen war und sich vergeblich umgesehen hatte. Niemand wartete auf ihn. Nicht einmal der Vater.

Einen Moment stand er unschlüssig an der Halteselle, dann packte er seine Reisetasche und marschierte los.

Hatten die auf dem Hof etwa den Tag seiner Rückkehr vergessen?

Markus Anstetter war gerade aus dem Dorf heraus, als er den alten Wagen seines Vaters die Landstraße herunterkommen sah. Er blieb stehen und winkte. Mit quietschenden Bremsen hielt der Bauer an und sprang aus dem Fahrzeug.

»Vater!«

»Markus!«

Minutenlang lagen sie sich in den Armen.

»Du mußt entschuldigen«, sagte Josef Anstetter.

Er wischte sich eine Träne aus dem Auge.

»Ich hab’s natürlich net vergessen. Schuld ist er da.«

Der Bauer deutete auf den Wagen am Straßenrand.

»Der ist auch net mehr der Jüngste. Er wollt’ einfach net anspringen. Jetzt muß ich wohl doch noch einen neuen kaufen.«

Markus winkte ab.

»Das woll’n wir erst mal sehen«, meinte er. »Ich schau’ ihn mir nachher mal an. Drüben, in Afrika, haben sie Autos, die sind noch älter als dein gutes Stück. Da lernt man schnell, sie zu reparieren.«

Josef Anstetter schlug seinem Sohn auf die Schulter.

»Gott sei Dank, daß du wieder daheim bist, Bub«, sagte er erleichtert. »Endlich. Die Zeit war so lang!«

Markus lächelte und umarmte den alten Mann.

»Jetzt bleib’ ich ja da, Vater«, entgegnete er.

*

Michaela begutachtete mit kritischem Blick die festlich gedeckte Kaffeetafel auf der Diele. Fehlte auch nichts? Milch, Zucker, der frisch aufgeschnittene Kuchen – alles war vorhanden. Der Kaffee wurde gerade in der Küche gebrüht.

Das Herz des jungen Madels klopfte bis zum Hals hinauf, als es an die bevorstehende Begegnung dachte. Schon seit dem frühen Morgen war Michaela auf den Beinen, hatte sie sich keine Ruhe gegönnt. An Schlaf war sowieso net zu denken gewesen.

Natürlich war es ihrer Mutter nicht verborgen geblieben, daß sie so nervös war. Maria Engler schmunzelte heimlich, wenn sie ihre Tochter beobachtete, schließlich kannte sie ja den Grund für Michaelas Nervosität.

Die Magd vom Anstetterhof goß den Kaffee in die Warmhaltekanne und setzte sogleich neuen auf. Dann brachte sie die Kanne hinaus auf die Diele. Ihre Tochter stand vor dem Spiegel, der über der alten Kommode hing. Beides, Spiegel und Kommode, waren alte Familienerbstücke. Zusammen mit dem Strauß frischer Blumen bildeten sie einen schönen Blickfang, wenn man von draußen hereinkam. Maria schaute ihre Tochter kopfschüttelnd an. Michaela besah ihr Spiegelbild und fuhr sich dabei immer wieder durch das Haar.

»Laß gut sein, Madel«, sagte die Magd. »Du wirst ihm schon gefallen, egal ob deine Haare sitzen, oder net.«

Michaela drehte sich um.

»Ach, Mutter, was weißt du denn davon?« rief sie beinahe schon verzweifelt.

»Was ich weiß?« antwortete Maria lächelnd. »Man sieht dir doch schon von weitem an, was in dir vorgeht.«

Sie legte ihren Arm um die Tochter.

»Es wird schon werden«, sagte sie zuversichtlich. »Ich weiß doch schon lang’, daß du den Markus gern hast.«

Michaela schaute sie an.

»Gern’ hab’? Nein, Mutter, ich liebe ihn, mehr als mein Leben. Diese drei Jahre waren schrecklich lang’, und dann immer die Angst, Markus könnte sein Herz einer anderen geschenkt haben.«

Beinahe ängstlich blickte sie.

»Glaubst du, daß er…, daß Markus…?«

»Eine andere Frau?«

Maria Engler schüttelte den Kopf.

»Das kann ich mir net vorstellen«, meinte sie. »Ich glaub’ net, daß er in Afrika eine kennengelernt hat, die hierher in die Berge will. Die könnt’ er doch gar net brauchen. Auf den Hof gehört eine, die etwas davon versteht, und du hast doch alles gelernt, was man können muß, um Bäuerin zu sein.«

Diese Worte trösteten nur wenig. Warum hatte er in seinen Briefen denn nie davon gesprochen, daß er sie zu seiner Frau machen wolle, wenn er zurückkam?

»Es gibt Dinge, die kann man net schriftlich mitteilen«, sagte ihre Mutter. »Und ein Heiratsantrag gehört dazu.«

Die Magd lauschte zur Tür hinaus.

»Ich glaub’, sie kommen«, rief sie dann und öffnete die Haustür.

Josef Anstetter fuhr eben auf den Hof.

Die beiden Frauen liefen hinaus, um den Heimkehrer willkommen zu heißen. Markus stieg bereits aus, kaum daß der Wagen gehalten hatte.

»Michaela! Maria!« rief er und winkte ihnen zu.

Mit zwei Schritten war er an der Tür und riß Michaela in seine Arme. Übermütig wirbelte er sie herum.

»Endlich daheim!«

Er setzte das Madel wieder ab und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. Den merkwürdigen Blick seines Vaters sah er nicht. Dann begrüßte er Maria. Der alten Magd standen die Tränen der Wiedersehensfreude in den Augen. Schließlich war Markus so etwas wie ihr Sohn gewesen, all die Jahre, die sie für ihn gesorgt hatte.

»Wie geht’s euch?« wollte er wissen. »Seid ihr alle gesund? Ach, es gibt ja so schrecklich viel, was ich euch fragen will.«

»Nun komm’ erstmal herein«, brummte sein Vater. »Maria hat Kaffee gekocht. Du wirst doch gewiß hungrig sein.«

»Hungrig? Nicht so sehr«, plauderte Markus munter weiter. »Im Flugzeug gab’s reichlich zu essen. Aber einen Kaffee trink’ ich schon gern.«

Er holte seine Reisetasche und folgte ihnen ins Haus. Die beiden Knechte kamen hinzu. Markus begrüßte sie ebenso herzlich, wie die beiden Frauen.

Schließlich waren Valentin und Franz auch schon seit ewigen Zeiten auf dem Hof.

Drinnen ließ er sich den Kuchen dann doch schmecken, und es blieb nicht bei dem einen Stück.

»Köstlich«, bemerkte er. »So etwas Gutes gab es in Afrika natürlich nicht. Hast du ihn gebacken, Maria?«

Die Magd deutete auf ihre Tochter.

»Die Michaela war’s«, antwortete sie.

Markus sah die Jugendfreundin an, die unter dem Blick errötete.

»Kompliment«, nickte er ihr zu. »Wenn ich solch einen Kuchen da drüben gehabt hätt’, wär’ mein Heimweh nur halb so groß gewesen.«

Sein Vater unterbrach ihn.

»Nun erzähl’ doch mal, Bub, wie es dir in all den Jahren ergangen ist? In deinen Briefen hast ja net viel davon geschrieben, außer, daß es dir gut geht und daß’ gesund bist.«

»Ach, da gibt’s viel zu erzählen«, lachte Markus. »Ich weiß gar net, wo ich anfangen soll.«

Schließlich sprach er doch von seiner Arbeit, den Menschen, denen er begegnet war und von all den Dingen, die ihm widerfahren waren. Eine bunte schillernde Geschichte, und als er geendet hatte, stellten sie fest, daß es darüber beinahe schon Abend geworden war.

»Komm«, sagte Maria zu ihrer Tochter, »es wird Zeit, das Abendessen zu machen.«

Das Madel erhob sich nur widerwillig. Stundenlang hätte Michaela ihm noch zuhören können. Markus sah sie an, bevor sie in der Küche verschwand, und zwinkerte ihr zu.

*

Erst später fanden sie Gelegenheit, einen Moment alleine zu sein. Michaela war im Stall gewesen und hatte die Abendmilch, die in den großen Kannen auf den Wagen der Molkerei wartete, nach draußen gebracht. Auf dem Anstetterhof wurde nur noch wenig Butter und Käse selbst gemacht. Höchstens für den eigenen Gebrauch, und auch nur dann, wenn Zeit dazu war. Der Großteil der Milch wurde in der Molkerei in der Kreisstadt verarbeitet.

Das Madel hatte die Kannen auf einen kleinen Wagen gestellt und hinausgefahren. Markus, der gerade aus dem Haus trat, kam herübergelaufen.

»Wart’, ich helf’ dir«, rief er und packte mit an.

Sie brachten die Milch bis vor das Tor, wo der Fahrer des Transporters sie in den großen Tank umpumpen würde.

»Es ist immer noch so wie früher«, lachte der junge Bauer.

»Offenbar hat sich nichts verändert.«

Er schaute sie von der Seite an.

»Außer du«, schränkte er ein. »Du hast dich schon verändert.«

Verwundert sah sie ihn an.

»Ich? Aber, wieso…?«

Sie hatten den Wagen am Zaun abgestellt. Markus nahm ihre Hand und lächelte sie an. Michaela spürte das wilde Klopfen ihres Herzens.

»Weil du noch hübscher geworden bist«, sagte er leise. »Als ich fortging, da warst du ein junges Madel, aber jetzt bist du eine Frau.«

Er zog sie an sich. Sekundenlang schauten sie sich in die Augen, bevor ihre Lippen sind fanden.

»Endlich«, sagte Markus. »Wie lang’ hab’ ich auf diesen Augenblick gewartet!«

Michaela schloß die Augen. Sie glaubte zu träumen, doch seine Stimme holte sie in die Wirklichkeit zurück.

»Unendlich lang’ war die Zeit«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Und nur der Gedanke an dich gab mir die Kraft, sie zu überstehen. Immer wieder hab’ ich mir vorgestellt, wie unser Wiedersehen sein würde, und vor allem, was ich dich dann fragen werd’.«

Sie schmiegte sich an ihn.

»Was willst’ mich denn fragen?«

Zärtlich fuhren seine Finger durch ihre Haare, zeichneten die Umrisse ihres Gesichts, der Augen, der Lippen nach.

»Die Frage, die ein Mann der Frau stellt, die er liebt – willst du mich heiraten?«

Michaela schluckte. Im Hals war es ihr vor Aufregung ganz trocken geworden. Dann nickte sie unter Tränen.

»Ja, Markus«, erwiderte sie leise. »Das will ich.«

Erneut berührten sich ihre Lippen zu einem nicht enden wollenden Kuß.

Daß jemand sie beobachtete, bemerkten die beiden in ihrem Glück nicht…

*

Alois Brandhuber, der selbsternannte Wunderheiler von St. Johann, war schon seit dem frühen Morgen unterwegs. Er kannte eine Stelle im Ainringer Wald, an der ganz bestimmte Pflanzen wuchsen, deren Wurzeln einen – nach seiner Meinung – wunderbaren, heilenden Tee ergaben, wenn man sie trocknete, mahlte und mit heißem Wasser übergoß. Fünfzehn Minuten ziehen mußte die Mischung, und dann war das Wundergetränk fertig.

Loisl bahnte sich mühsam seinen Weg durch das Dickicht, auf seinen Rücken hatte er einen Korb geschnallt, in dem er die kostbaren Wurzeln aufbewahrte. Innerlich frohlockte der ›Natur­mediziner‹, wie er sich gerne selber nannte. Diese Wurzeln würden eine ganze Menge Teepulver ergeben, und Loisl war nicht kleinlich, wenn es um die Preise ging. Fünfzig Mark für ein kleines Päckchen verlangte er, und die Touristen, die nur allzugerne seinen Worten Glauben schenkten, zahlten, ohne mit der Wimper zu zucken. In Gedanken rechnete er schon aus, wieviel ihm diese Ladung Wurzeln einbringen würde.

Der alte Kauz hatte den Weg zurück nach St. Johann eingeschlagen, als ihn lautes Motorengeräusch aufmerksam werden ließ. Es kam aus der Richtung, in der das alte Jagdschloß stand. Der Brandhuber wunderte sich. Wollte da wirklich jemand zu dem alten Gemäuer? Da war doch schon seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, niemand mehr hingefahren. Die Besitzer waren ja schon vor langer Zeit tödlich verunglückt.

Loisl’s Neugier war geweckt. Vielleicht, so dachte er, taten die Leute, die da im Wald umherfuhren, ja auch etwas Verbotenes. Man las doch immer wieder solche Sachen in der Zeitung!

Kurz entschlossen änderte er seine Marschrichtung und ging zum Jagdschloß Hubertusbrunn hinüber, wo er das Auto vermutete, dessen Motor die morgendliche Ruhe des Waldes so laut gestört hatte. Dabei bahnte er sich vorsichtig seinen Weg, immer darauf bedacht, nicht gesehen zu werden. Nach einiger Zeit tauchten die Umrisse des Anwesens zwischen den Bäumen und Sträuchern auf. Loisl nahm den Korb vom Rücken und stellte ihn an die Seite. Dann schlich er sich vorsichtig näher. Schließlich konnte er einen Wagen sehen und drei Männer, die ausgestiegen waren und langsam an der verwitterten Mauer entlang gingen. Einer von ihnen – er kam dem Brandhuber bekannt vor – hatte einen großen Bogen Papier in den Händen. Von seiner Position aus konnte der Alte nicht erkennen, um was es sich da handelte, aber scheinbar war es so etwas wie ein Lageplan.

Als der Mann sich zufällig umdrehte, erkannte Loisl ihn – es war der Bürgermeister von St. Johann.

»Nanu«, murmelte der stille Beobachter vor sich hin. »Was will denn der Bruckner-Markus bei dem alten Kasten?«

Die beiden anderen Männer kannte der Brandhuber nicht. Es waren ein Älterer und ein Jüngerer, beide in vornehme Anzüge gekleidet. Die drei redeten miteinander, wobei sie immer wieder auf das Jagdschloß deuteten, oder Armbewegungen dorthin machten. Zwar konnte Loisl nicht verstehen, worüber die drei sich unterhielten, aber offenbar hatten der Bürgermeister und die beiden Männer etwas mit Hubertusbrunn vor.

Da ihn die Angelegenheit nicht weiter interessierte, zog der heimliche Beobachter sich vorsichtig zurück. Er nahm den Korb wieder auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Hause. Für den morgigen Nachmittag hatte sich eine seiner ›Lieblingspatientinen‹ angesagt – Maria Erbling, die gefürchtete Klatschtante des Dorfes. Möglicherweise wußte sie ja, was es mit der Sache um das Jagdschloß auf sich hatte.

*

»Grüßt euch, zusammen«, sagte Sebastian Trenker, als er die Diele betrat, auf der die Leute vom Anstetterhof am Abendbrottisch saßen.

»Grüß Gott, Hochwürden«, wurde er empfangen, und Markus stand auf und reichte dem Geistlichen die Hand.

»Ich hab’ eigentlich schon gestern abend kommen wollen«, entschuldigte sich Sebastian. »Aber ich hab’s dann doch net mehr geschafft.«

Er betrachtete den Heimgekehrten genau.

»Laß dich anseh’n, Markus. Gut schaust du aus. Ich hoff’, es ist auch sonst alles in Ordnung.«

»Mir geht’s prächtig, Herr Pfarrer«, nickte der junge Mann. »Ganz besonders jetzt, wo ich wieder zu Hause bin.«

»Das freut mich. Ich bin auch schon ganz gespannt zu erfahren, was du alles in Afrika erlebt hast. Du mußt mich unbedingt mal im Pfarrhaus besuchen.«

»Das will ich gerne tun«, antwortete Markus und rückte dem Besucher einen Stuhl zurecht.

Sebastian nahm dankend von dem angebotenen Tee, das Angebot, auch etwas zu essen, lehnte er jedoch ab.

»Vielen Dank«, sagte er. »Aber wenn ich net zu Hause eß’, denkt meine Haushälterin womöglich, ihr Essen schmeckt mir net mehr. Ich kann ohnehin net lang’ bleiben, im Pfarrhaus werden’s schon auf mich warten. Aber ich wollt’ doch schnell einmal vorbeikommen und Markus begrüßen.«

Er schaute in die Runde – bis auf Valentin Oberbauer, der noch unterwegs war, saßen alle an dem großen Tisch. Sebastian wandte sich an Josef Anstetter.

»Na, und du bist froh, daß der Bub wieder daheim ist, net wahr?«

Der Altbauer nickte.

»Ich kann gar net sagen, wie froh, Hochwürden. So langsam möcht’ ich mich auch aufs Altenteil zurückziehen. Lang’ genug geschafft hab’ ich ja.«

»Da hast recht, Anstetter, und wie ich den Markus kenne, wird er dir ein würdiger Nachfolger.«

Der Alte grinste.

»Ich hoff’ nur, daß er sich bald verheiratet«, meinte er. »Bauer kann er erst werden, wenn auch eine Bäuerin im Haus ist.«

Michaela errötete bei diesen Worten. Sie wandte sich ab und hoffte inständig, daß niemand ihre Verlegenheit bemerkt hatte. Markus hingegen gab sich ungezwungen.

»Nur keine Bange«, meinte er. »Ich hab’ da schon eine ins Auge gefaßt.«

Pfarrer Trenker entging nicht der Blick, den der junge Bursche dem Madel auf der anderen Seite des Tisches zuwarf.

Er bemerkte aber auch, daß Markus’ Vater argwöhnisch auf die beiden schaute. Der Geistliche machte sich seinen Reim darauf. Er trank seinen Tee aus und erhob sich.

»Also, dann dank’ ich recht schön für den Tee und wünsch euch noch einen schönen Abend.«

Markus geleitete ihn zur Tür hinaus. Sebastian nahm die Gelegenheit wahr, noch einmal das Wort an den jungen Bauern zu richten.

»Mir scheint, du hast ein Aug’ auf die Michaela geworfen«, meinte er, während sie zu seinem Wagen gingen.

Markus grinste und schüttelte den Kopf.

»Nein, Hochwürden, net ein Aug’, sondern alle beide«, antwortete er strahlend. »Ich werd’ sie heiraten, und Michaela wird die neue Bäuerin auf dem Anstetterhof.«

»Das freut mich für euch beide. Michaela ist ein fleißiges Madel. Du kannst dir keine bessere Frau wünschen, und gewiß wird sie eine ebenso gute Bäuerin werden, wie es deine Mutter war.«

Sie waren bei dem Auto des Geistlichen angekommen, und Sebastian hatte schon die Tür geöffnet.

»Und, was sagt der Vater zu deiner Wahl?« fragte er, bevor er einstieg.

»Der? Der weiß noch gar nichts davon. Er wird’s noch früh genug erfahren. Ich bin ja gestern erst heimgekommen. Ein paar Wochen braucht’s noch, bis ich mich wieder eingerichtet hab’ und sich alles normalsiert hat. Mit der Mi­chaela hab’ ich aber schon gesprochen. Wir sind uns einig. Ich denk’, so in zwei, drei Monaten werden wir vor den Traualtar treten.«

Sebastian verabschiedete sich und fuhr nachdenklich nach St. Johann zurück.

Josef Anstetter wußte also noch nichts von den Heiratsplänen seines Sohnes. Ganz gewiß aber ahnte er etwas, dessen war sich Pfarrer Trenker sicher.

Der Blick des Alten hatte Bände gesprochen!

*

Nach dem Abendessen nahm Maria Engler ihre Tochter beiseite. Sie hatten den Tisch abgeräumt und kümmerten sich um den Abwasch, während Markus mit den beiden Knechten besprach, welche Arbeiten am nächsten Tag zuerst getan werden mußten.

Die Magd wusch Teller, Tassen und Bestecke, während Michaela das Geschirr abtrocknete und in den Küchenschrank stellte. Maria beobachtete das Madel dabei aus dem Augenwinkel.

»Freust’ dich, daß der Markus wieder daheim ist?« fragte sie. Michaela sah sie verständnislos an.

»Aber natürlich, Mutter, das weißt’ doch. Warum fragst’?« Die ältere Frau zuckte die Schulter.

»Nur so…«

»Geh’, Mutter, ich kenn dich doch. Wenn du so fragst, dann hat’s auch einen Grund.«

»Also, der Markus, ich hab’ bemerkt, wie er dich anschaut…«

Die Tochter schmunzelte.

»Herrgottnocheinmal, nun spann’ mich doch net auf die Folter! Du weißt doch, was ich wissen will.«

Michaela stellte den Teller ab, den sie gerade in den Händen hielt, und umarmte ihre Mutter.

»Ja«, lachte sie. »Er hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden will, und ich hab’ ja gesagt.«

»Ach, Madel…!«

Maria drückte ihre Tochter an sich.

»Ich freu’ mich ja so. Wißt ihr denn schon, wann Hochzeit sein soll?«

»Erst in ein paar Wochen werden wir den Termin festsetzen. Markus muß sich ja erst einmal wieder eingewöhnen.«

Die Magd deutete mit dem Kopf zur Stubentür, wo sie den alten Anstetter wußte.

»Und – weiß er es schon?«

»Nein«, schüttelte Michaela den Kopf. »Aber Markus will schon bald mit ihm sprechen. Sein Vater drängt ja darauf, daß Markus heiratet. Er will den Hof erst abgeben, wenn eine Bäuerin im Haus ist.«

»Na, die hat er ja«, schnaubte die alte Magd. »Eine bessere, als dich, findet der Markus eh net.«

»Ach, Mutter, ihm brauchst’ es auch net zu sagen, sondern dem Josef.«

»Worauf du dich verlassen kannst«, antwortete Maria Engler.

Sie schaute nachdenklich vor sich hin. So manches Mal hatte sie sich schon ausgemalt, wie es sein würde, wenn Michaela erst mal die Bäuerin auf dem Anstetterhof war. Aber so oft sie auch dieses Thema beim Altbauern vorsichtig angesprochen hatte – Markus’ Vater hatte immer unwirsch reagiert, und die Magd wurde das Gefühl nicht los, daß er sich eine andere als Schwiegertochter wünschte.

Aber da kannte Josef Anstetter seine Magd net! In all den Jahren hatte sie sich eine Position auf dem Hof geschaffen, die es ihr erlaubte, anders mit dem Bauern umzugehen, als es sich etwa Valentin oder Franz erlauben konnten. Wenn ihr danach war, dann machte Maria Engler den Mund auf und ließ ihren Worten freien Lauf, denn sie redete, wie sie dachte.

Michaela hatte die letzten Messer und Gabeln abgetrocknet. Sie hängte das Geschirrtuch an den Küchenherd und band ihre Arbeitsschürze ab.

»Ich kümmere mich jetzt um die Abendmilch«, sagte sie.

Maria nickte und sah ihr mit stolzem Blick hinterher.

Markus war ein Glückspilz, daß er solch eine Frau bekam, dachte sie.

*

In seiner alten Kate, am Rande von St. Johann, empfing der Brandhuber-Loisl Maria Erbling.

Die Frau war die Witwe des Postbeamten Johannes Erbling und die gefürchteste Klatschtante des ganzen Dorfes. Wenn man sicher sein wollte, daß sich etwas schnell herumsprach, brauchte man es nur Maria unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen, und konnte sicher sein, daß spätestens am nächsten Tag ganz St. Johann Bescheid wußte.

»Ich brauch’ wieder ›mal‹ was von der Rheumasalbe«, sagte die Witwe, während sie sich in der halbdunklen Hütte umsah.

So oft sie schon hiergewesen war – nie hatte es anders ausgesehen als heute auch. Ein großer, schummriger Raum, ein Tisch, zwei Stühle und etliche Holzregale mit Töpfen, Flaschen und Tiegeln, in denen sich die obskuren Heilmittel, Pasten, Salben und Kräutertees befanden, die der alte ›Wunderheiler‹ nach Rezepten herstellte, die aus einem uralten Buch stammten, das der Brandhuber wie sein Augenlicht hütete.

Der Dorfarzt von St. Johann, Dr. Toni Wiesinger, kämpfte vergeblich gegen die Dummheit der Leute an, die lieber diesem Scharlatan, wie der Arzt den Brandhuber-Loisl nannte, ihr Geld in den Rachen warfen, als zu ihrem Doktor zu gehen. Dabei war Toni der Letzte, der eine sanfte Medizin auf Naturheilbasis ablehnte. Im Gegenteil, wo immer es ging setzte er chemisch hergestellte Medikamente ab und verabreichte homöopathische Mittel. Die Erfolge, die er damit erzielte, gaben ihm recht. Leider sprachen sich diese Erfolge nicht immer bei seinen Patienten herum. Zwar hatte der junge Arzt in Pfarrer Trenker einen Mitstreiter, der oft genug von der Kanzel herab gegen den Brandhuber und dessen Wunderkuren predigte, doch immer wieder fanden sich welche, die dem Alten mehr vertrauten als dem studierten Fachmann.

Loisl schlurfte in den hinteren Teil der Hütte und kam nach einer Weile mit einer Dose zurück, die er der Witwe Erbling in die Hand drückte.

»Macht vierzig Mark«, sagte er dabei.

Die Frau sah ihn erstaunt an.

»Vierzig?« fragte sie ungläubig. »Das letzt Mal hab’ ich noch dreißig bezahlt.«

»Was soll ich machen?« zuckte der Alte die Schulter. »Es wird eben alles teurer, und für dich ist’s ja schon ein Sonderpreis.«

Maria kramte in ihrer Handtasche nach der Geldbörse.

Schließlich fand sie sie und nahm die Scheine heraus. Alois Brandhuber steckte das Geld achtlos in die Hosentasche, dann deutete er mit dem Kinn auf einen der Stühle.

»Setz’ dich. Ich hab’ da was zu bereden mit dir.«

Die Frau setzte sich nur widerwillig. Es behagte ihr überhaupt nicht, sich auf diesen schmuddeligen Stuhl zu setzen, und am liebsten wäre sie gleich wieder gegangen. Es hatte sowieso schon genug Mühe gekostet, aufzupassen, daß sie niemand sah, als sie auf dem Weg hierher war. Allerdings wollte sie es sich auch nicht mit dem Brandhuber verderben. Seine Rheumasalbe half ihr wirklich. Darauf konnte und wollte sie nicht verzichten.

»Was gibt’s denn?« fragte sie. »Ich hab’ gar keine Zeit, net.«

Was sie dann allerdings zu hören bekam, ließ Maria Erbling schnell vergessen, daß sie es eben noch eilig gehabt hatte.

Alois Brandhuber berichtete mit schnellen Worten von seinen Beobachtungen im Wald.

»Kannst’ dir darauf einen Reim machen?« wollte er abschließend wissen.

Die Witwe stand auf. Sie machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Noch net«, antwortete sie. »Aber, ich find’s heraus. Die Theresa ist doch die Patin von der Katja Hardlacher. Vielleicht weiß sie ja etwas, und wenn net, dann muß sie ihr Patenkind fragen. Wenn jemand etwas weiß, dann sie. Schließlich ist die Katja die Sekretärin vom Bürgermeister.«

Sie verabschiedete sich eilig und machte sich auf den Weg, ihrer Freundin einen Besuch abzustatten.

Theresa Keunhofer wohnte in einer kleinen Gasse, gleich neben dem Hotel zum Löwen.

Sie war Mitte fünfzig und immer noch unverheiratet, obwohl sie die Hoffnung nicht aufgab, eines Tages den Mann fürs Leben zu finden. Allerdings standen ihre Chancen nicht besonders gut. Auch wenn sie keine Gelegenheit ausließ, sei es auf der Kirmes oder dem Tanzabend im Löwen, sich umzuschauen – so recht anbeißen wollte niemand…

Dafür tröstete sie sich damit, zusammen mit Maria Erbling den neuesten Tratsch und Klatsch zu verbreiten. Wenn also jemand in Erfahrung bringen konnte, was da beim alten Jagdschloß Hubertusbrunn vor sich ging, dann eben Theresa Keunhofer.

*

Sebastian Trenker saß im Pfarrbüro und arbeitete etliches auf, das in den letzten Tagen liegen geblieben war. Besonders die Eintragungen ins Kirchenbuch mußten gemacht werden. Taufen, Hochzeiten, aber auch Beerdigungen wurden darin dokumentiert und für die Nachwelt festgehalten.

Der Geistliche lehnte sich einen Moment in seinem Sessel zurück. Dabei fiel sein Blick auf ein Ölbild, das seit kurzem an der Wand gegenüber hing. Es zeigte das herrliche Panorama der beiden Gipfel, Himmelsspitz und Wintermaid, die der bekannte Kunstmaler Robert Demant auf Leinwand festgehalten hatte. Das Bild war ein Geschenk des Malers an den Seelsorger von St. Johann.

Ach, wie wäre es herrlich, wieder einmal so richtig in den Bergen herumzusteigen und zu klettern, dachte Sebastian.

Er war ein leidenschaftlicher Wanderer und Kletterer – sein Spitzname ›Bergpfarrer‹, kam nicht von ungefähr. Wenn er droben unterwegs war, blühte er so richtig auf, und wenn ihm jemand begegnete, der ihn nicht kannte, würde er ihn unmöglich für einen Geistlichen gehalten haben. Denn Sebastian Trenker schaute überhaupt nicht so aus, wie es der landläufigen Vorstellung der Leute von einem Pfarrer entsprach. Im Gegenteil – da hätte man ihn schon eher für einen Sportler oder Filmstar halten können, und nicht selten taten dies die Menschen auch.

Ja, es wäre schön – aber ein paar Tage würde er sich wohl noch gedulden müssen. Erst kam die Arbeit, und dann das Vergnügen. Neben seinen seelsorgerischen Besuchen in verschiedenen Altenheimen und Waisenhäusern, kam als eine weitere Verpflichtung sein Engagement in der Jugendarbeit hinzu. Nicht nur, daß Sebastian junge Menschen unterrichtete, er unternahm mit ihnen auch Ferienfahrten, oder betreute sie während besonderer Veranstaltungen. Nicht immer hatten Jugendliche das Glück, einen Mann an ihrer Seite zu wissen, der sich so für ihre Belange einsetzte, wie es Pfarrer Trenker tat. Schon lange kämpfte Sebastian für ein Jugendzentrum, das er gerne in St. Johann oder in der Nähe einrichten würde. Doch leider fehlten nicht nur die finanziellen Mittel – es stand auch gar kein geeignetes Objekt für solch ein Zentrum zur Verfügung. Ideen hatte der Geistliche genug, schon ein altes Bauernhaus konnte ausreichend sein, wenn es wieder hergerichtet wurde.

Aber woher nehmen…?

Sebastian wollte sich gerade wieder seinen Eintragungen in das Kirchenbuch zuwenden, als es an der Tür klopfte. Es war Max, der eintrat.

Und er hatte eine Neuigkeit, die wie eine Bombe einschlug!

*

»Komm’, laß uns ein Stückerl gehen«, schlug Markus Anstetter vor.

Wie schon gestern, so hatte er auch heute wieder mit Hand angelegt und geholfen, die Milchkannen nach vorne an die Straße zu bringen. Jetzt legte er seinen Arm um Michaela und zog sie mit sich.

Das Madel schaute ein wenig scheu zum Bauernhaus zurück, aber dort war niemand zu sehen. Die Mutter war wohl noch in der Küche beschäftigt, die beiden Knechte hatten sich in ihre Kammern zurückgezogen, und Josef Anstetter saß, wie immer um diese Zeit, in der Wohnstube und las die Zeitung, wozu er nie vor dem Abend kam. Markus bemerkte den Blick seiner ›Verlobten‹.»Was schaust’ denn?« fragte er lachend. »Meinst’, daß uns niemand sehen darf?«

Michaela wurde ein wenig verlegen.

»Ich möcht’ net, daß uns jemand so sieht, bevor es offiziell ist«, antwortete sie und entzog sich gleichzeitig seinem Griff.

»Geh’, Madel, solche einen Unsinn will ich net wieder hören«, ermahnte er sie. »Von mir aus kann jeder wissen, wie es um uns steht. Auch wenn wir’s noch keinem gesagt haben – du bist meine Braut, und ich mach’ da kein Geheimnis draus.«

Sie hatten sich ein Stück weit vom Hof entfernt und schlugen die Richtung zum Höllenbruch ein, wo sie früher so oft gespielt hatten.

»Es ist doch nur wegen deinem Vater«, wandte Michaela ein. »Ich glaub’, er wird’s net dulden, das mit dir und mir.«

»Aber, wie kommst’ denn darauf?«

Markus zog sie wieder an sich und gab ihr einen sanften Kuß.

»Ich hab’ seine Blicke gesehen, als der Pfarrer da war.«

Sie blieb stehen und schaute ihn an.

»Markus, ich hab’ Angst, daß dein Vater uns wieder auseinander bringen wird…«

»Also Madel, die Sorge ist unbegründet. Mein Vater kennt dich seit mehr als zwanzig Jahren. Er weiß, was du kannst und wer du bist. Warum sollte er dagegen sein, daß wir heiraten? Eine bessere Schwiegertochter kann er sich doch gar nicht wünschen!«

Michaela seufzte. So ähnlich hatte es ihre Mutter auch schon gesagt. Wenn sie ihr und Markus doch nur glauben könnte!

Der junge Bauer drückte sie ganz fest an sich.

»Glaub’ mir, egal was mein Vater auch immer sagt, ich liebe dich und ich werd’ dich heiraten. So wahr ich Markus Anstetter heiß’!«

Michaela lächelte still, als sie dies hörte.

Sie wanderten Arm in Arm zum Höllenbruch hinauf und schwelgten dabei in Erinnerungen.

»Eines Tag’s, da werden wir mit uns’ren Kindern hier heraufkommen und ihnen erzählen, was wir in ihrem Alter alles so angestellt haben«, meinte Markus.«

»Besser net«, wehrte Michaela ab. »Die sollen net solche Dummheiten machen, wie wir damals.«

Sie sah ihn liebevoll an.

»Aber, ich freu’ mich jetzt darauf, mit ›euch‹ herzukommen.«

*

»Bist’ dir wirklich sicher?« fragte Pfarrer Trenker ungläubig. Sein Bruder schaute ihn beinahe gekränkt an.

»Wenn ich’s dir doch sag’«, erwiderte er.

Sebastian erhob sich und stellte sich ans Fenster. Nachdenklich sah er hinaus. Die Nachricht, die Max ihm eben gebracht hatte, war wirklich eine Sensation!

»Also noch einmal von vorne«, begann der Polizist zu erzählen. »Irgendwie hat der Bruckner-Markus herausgefunden, daß das alte Jagdschloß Hubertusbrunn an das Land fällt, wenn sich bis zum dreißigsten des nächsten Monats niemand meldet und darauf Anspruch erhebt. Durch einen Zufall hat der Brandhuber-Loisl unseren Herrn Bürgermeister mit zwei anderen, vornehm gekleideten Herren, droben beim Schloß gesehen und diese Beobachtung unserer Tratschtante, der Maria Erbling, mitgeteilt.«

Sebastian drehte sich um und nickte stumm. Maria Erbling war auf dem schnellsten Wege zu ihrer Freundin, Theresa Keunhofer, gerannt, der es tatsächlich gelungen war, aus ihrem Patenkind herauszubekommen, was da am Jagdschloß vor sich ging.

»Soso, ein Spielcasino also«, meinte der Geistliche, nachdem er diese Neuigkeit erst einmal verdaut hatte.

Er machte ein grimmiges Gesicht.

»Wandelt unser Bürgermeister wieder einmal auf hochtrabenden Pfaden, was? Wahrscheinlich möchte der Bruckner-Markus wieder einmal das Tourismusgeschäft ankurbeln.«

Er setzte sich wieder.

»Keine schlechte Idee, wie ich zugeben muß. Solch ein Casino bringt natürlich eine Menge Geld in die Staatskasse. Allerdings wüßt’ ich etwas besseres mit Hubertusbrunn anzufangen. Vorausgesetzt, es gibt niemanden, der Anspruch darauf erhebt.«

»Da werden wir uns aber was einfallen lassen müssen«, sagte Max. »Offenbar wartet der Bruckner net so lang’. Die beiden Männer, mit denen der Brandhuber unseren Bürgermeister gesehen hat, sind, laut der Katja Hardlacher, potentielle Investoren.«

Pfarrer Trenker schlug das Kirchenbuch zu, in dem er geschrieben hatte. Es gab einen recht lauten Knall.

»Abwarten«, gab er zurück. »Noch ist net aller Tage Abend, wie es so schön heißt!«

Er schaute auf die Uhr, im selben Augenblick stand Max auch schon auf.

»Es gibt Abendbrot«, freute sich der Polizeibeamte.

*

Josef Anstetter saß in seinem kleinen Büro, das sich hinter dem Wohnzimmer befand und brütete über der Buchhaltung. Jede noch so kleinste Ausgabe oder Einnahme war sorgfältig eingetragen worden. Jetzt ordnete der Bauer die entsprechenden Belege. Es war eine mühselige Arbeit. Josef schimpfte regelmäßig leise vor sich hin, wenn er den Monatsabschluß machen mußte.

Rechts auf seinem Schreibtisch stand ein Bierkrug. Der Bauer nahm einen tiefen Schluck daraus und wischte sich über die Lippen. Drei Kreuze würde er machen, wenn der Bub erst einmal alles übernommen hatte, denn dann mußte der sich mit dieser ganzen Schreiberei abmühen.

Der alte Anstetter kratzte sich nachdenklich am Ohr. Es wurde höchste Zeit, daß er mal ein ernstes Wort mit dem Sohn sprach. Markus mußte so schnell wie möglich heiraten. Ein Termin beim Notar, um ihm den Hof zu überschreiben, war dann schnell gemacht. Allerdings, argwöhnte der Alte, schien der Bub seine eigenen Vorstellungen von seiner Braut zu haben – Josef hatte sehr wohl die Blicke bemerkt, die Markus und Michaela sich zuwarfen, wenn sie sich unbeobachtet glaubten.

Doch da war das letzte Wort noch net drüber gesprochen! Josef Anstetter hatte absolut nichts gegen Michaela Engler. Das war ein fleißiges und kluges Madel, ohne Zweifel. Außerdem sah’s auch noch fesch aus. Aber trotzdem, für seinen Sohn kam sie nicht in Betracht.

Die Tochter einer Magd, als Bäuerin auf dem Anstetterhof? Niemals!

Der Alte erhob sich und ging zur Küche. Am besten redete er gleich jetzt mit dem Bub. Wer wußte schon, worin die beiden sich sonst noch verstiegen.

Markus kam eben zur Tür herein. Hinter ihm sah Josef Anstetter, wie Michaela die Treppe hinaufstieg. Das Madel bewohnte die obere Wohnung zusammen mit seiner Mutter.

»Komm’ ins Büro«, sagte der Altbauer zu seinem Sohn. »Ich hab’ was mit dir zu bereden.«

Markus nickte und folgte seinem Vater. Er sah den Buchhaltungsordner auf dem Schreibtisch liegen und nahm ihn zur Hand.

»Eine Menge Arbeit, was?« meinte er. »Aber jetzt bin ich ja da. Ich kann dir das doch abnehmen. Du hast ja nie gerne die Buchführung gemacht.«

»Deswegen will ich ja mit dir sprechen, Bub. Du sollst mir soviel wie möglich abnehmen, aber du sollst auch noch Zeit für dich haben.«

Der Jungbauer sah den Alten erstaunt an.

»Zeit für mich? Wie meinst’ denn das, Vater?«

Josef Anstetter hatte eine Enzianflasche und zwei Gläser hervorgekramt. Er schenkte für sie beide ein und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

»Setz’ dich doch«, forderte er seinen Sohn auf. »Es red’ sich leichter, wenn man sitzt.«

Markus schüttelte unmerklich den Kopf. So kannte er seinen Vater gar nicht.

»Warum so feierlich?« wollte er wissen.

Josef Anstetter prostete ihm zu.

»Weil wir beide noch gar keine rechte Zeit hatten, deine Rückkehr gebührend zu feiern«, antwortete er und kippte den Schnaps hinunter. »Und was ich damit meine, daß du Zeit für dich haben sollst – ich wollt’ damit sagen, daß du ja Gelegenheit brauchst, auf Brautschau zu gehen. Vom Himmel wird dir wohl keine fallen.«

Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman

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