Читать книгу Überleben - Tsitsi Dangarembga - Страница 11
2. Kapitel
ОглавлениеDer Mann wendet sich vom Fenster ab, um mit dir zu sprechen.
»Oh, Vater, ich wollte dich nicht stören.«
Du hast die ledernen Lady Dis anbehalten, als du vom Haus der Witwe Riley wegmarschiert bist. Du bist schnell gegangen, ohne zu wissen, warum Geschwindigkeit wesentlich war. Der Asphalt war heiß. Deine Füße sind geschwollen und voller Blasen. Im Kombi, der dich zum Wohnheim zurückfährt, ziehst du die Lady Dis aus. Du suchst nach deinen Turnschuhen. Du stößt den Mann neben dir mehrmals an, einmal peinlich nah an seiner Leistengegend.
»Du musst warten«, sagt er. »Es ist besser, still zu sitzen, egal, was los ist. Wie alle anderen.«
»Diese Schuhe«, sagst du, während du schräg dasitzt. »Sie sind europäisch. Nicht wie unsere hier. Sie dehnen sich nicht so. Ich hätte was Einheimisches anziehen sollen, als ich aus meinem Haus gegangen bin.«
Es ist die Antwort, die er verdient. Er lehnt Kopf und Schulter ans Fenster. Er ist kein Mann mehr, denkst du: Er ist schon kaputt.
»Wo du herkommst, gehört das dir?«, fragt der Mann. In seiner Stimme bebt ein neues Interesse, das er zu verbergen sucht.
»Ja«, lügst du.
»Die Grundstücke dort«, sagt er. »Wenn man an einem Ende steht, kann man das andere Ende nicht sehen. Nicht jeder kann so was finden.«
Du lächelst zustimmend.
»Hast du eine Gärtnerei?«, fragt er.
»Ja«, antwortest du und nickst bestimmt.
»Das ist gut.« Der Mann seufzt. »Seit die Regierung den Leuten Land gibt, wo wir geglaubt haben, dass nur Europäer sein dürfen.«
»Es hat meiner Tante gehört«, sagst du. »Sie hat es von ihrem Arbeitgeber bekommen. Er ist nach Australien gegangen.«
Der Mann legt die Hände in den Schoß und sieht sie an. »Was baust du an?«, fragt er.
»Dahlien«, sagst du stolz. »Ich bin die Einzige, die das kann. Sie konnte den Laden nicht managen, meine Tante, die Sache braucht Köpfchen und man muss den Leuten sagen, was sie tun sollen«, fügst du hinzu. »Da hat unsere Familie gesagt, Tambudzai, du hast studiert, du übernimmst das Grundstück, bevor sie einen Schlaganfall oder so was hat, bevor sie hingeht, wo niemand ihr folgen kann.«
»Ah, Gartenbau«, sagt dein Begleiter. Seine Stimme klingt wehmütig vor Bewunderung, die er jetzt behaglich zur Schau stellt. »Eines Tages werde ich das auch machen«, verspricht er in einem kleinen Aufwallen von Energie. »Obst für mich. Die Leute müssen immer was im Magen haben, und wenn du ihnen den Magen füllst, füllst du auch deinen.«
»Gelbe«, fügst du ein. »Und Rosen. Die sogenannten Teerosen.«
»Oh-ho!« Dein Begleiter nickt. »Ich habe mal in einer Gärtnerei gearbeitet. Dort gab es Teerosen. Ich habe sie eingesprüht.«
»Blau«, sagst du. »Meine Rosen sind blau.«
»Blau«, wiederholt der Mann. Seine Energie verpufft wieder. Er sackt gegen das Fenster. »Solche Rosen! Habe ich nie gesehen.«
»Schweden«, sagst du. Du bist erleichtert, dass du eine Tatsache in den Unsinn einflechten kannst, den du auftischst. Du hast in der Werbeagentur einen ruhmreichen Augenblick erlebt, als du eine Kampagne für eine schwedische Firma entwickelt hast, die landwirtschaftliche Maschinen herstellt. »Ich habe eine Menge Kunden in Schweden. Für Gelb und Blau. Das sind die Farben des Landes. Ich schicke sie mit dem Flugzeug hin«, endest du und stellst dir vor, es würde eines Tages wahr werden.
»Ich könnte als Gärtner arbeiten«, sagt der Mann. »Hast du noch einen Platz für jemanden?«
»Ah, ich werde an dich denken«, sagst du. »Aber dieser Tage sind es schon zu viele.«
»Wenn nur dieser El Niño nicht wäre.« Der Mann seufzt. »Das Wasser und der Wind lassen uns nichts mehr zum Leben, den meisten von uns.«
Dein Begleiter bittet um einen Stift. Er kritzelt die Telefonnummer seines Nachbarn auf einen alten Kassenzettel, den er aus der Tasche zieht. Du nimmst den Zettel.
»Pano! Armadale!«, sagt er.
»Hier! Armadale«, leitet der Schaffner an den Fahrer weiter.
Der Mann steigt mit hochgezogenen Schultern aus und geht davon.
Du lässt den Zettel unter den Sitz fallen. Leute steigen ein. Du rutschst auf den Sitz des Möchtegerngärtners und lehnst dich ans Fenster. Der Kombi hält an der Ecke des Wohnheims. Er darf dich weiterfahren.
Der Marktplatz ist die Endstation des Kombis. Auf dem Boden zwischen den Ständen liegen Bananenschalen und fettige Pommesschachteln. Plastiktüten blähen sich wie die Bäuche von Säufern. Orangenschalen kringeln sich auf dem gerissenen Asphalt.
Ein Straßenjunge saugt an einer Tüte wie an der Brustwarze einer Mutter. Ein zweiter Junge greift nach der Tüte. Der erste sinkt auf den Boden und bleibt auf dem bröckelnden Pflaster liegen. Der Ärmel seiner Jacke ist ein ausgefranster Lumpen. Er flattert in der Gosse. Unter dem Stoff bilden benutzte Kondome und Zigarettenkippen kleine Dämme in dickflüssigen Pfützen aus holzkohleschwarzem Wasser.
Eine Reihe Kombis steht geparkt. Deiner schwingt sich zu einem triumphierenden Halt. Die Fenster scheiden Süßkartoffelschalen und Verpackungen von Süßigkeiten aus. Männer und Frauen maulen zornig und zerstreuen sich. Als die Fahrgäste zum Ausgang drängen, bemerkt eine Frau: »Haben sie uns nicht kommen sehen? Warum sind sie stehen geblieben? Warum sind sie nicht aus dem Weg gegangen?«
Die, die anstehen, um auszusteigen, neigen sich vor. Die Leute, die in der Schlange warten, um einzusteigen, beginnen zu streiten.
Der Schaffner fragt, wohin du willst. Du zuckst die Achseln, und er erinnert dich: »Helensville.«
Du kicherst lautlos. Da du gebildet bist, weißt du, dass der Außenbezirk Helensvale heißt. Helen’s Valley.
»Helensville«, sagt der Schaffner, ohne sich die Ungeduld anmerken zu lassen, die er empfinden muss. »Wir fahren dahin zurück.«
Er springt hinaus, um die Fahrgäste anzuschreien: »Eltern! Wer immer mitfahren will, ich sage euch, steigt ein. Nur wer mitfährt, fährt.«
Du rutschst auf den Sitz neben der offenen Tür des Fahrzeugs. Überlegst es dir anders und rutschst zurück auf den Platz am Fenster. Du überlegst es dir noch einmal anders und setzt dich in die Mitte; halb hier, halb dort, wo es keine Notwendigkeit gibt, etwas zu entscheiden oder zu handeln.
Ein paar Fahrgäste steigen ein.
»Der fährt zu den Geschäften und zum Polizeirevier«, ruft der Schaffner.
Eine Frau dreht sich um und zischt einen Mann an, dass er sich nicht an sie drücken soll. Der Mann lacht.
Ein weiterer Kombi kommt an, spuckt Rauch. Alle prusten, und als sich der Dunst verzogen hat, gafft ihr alle zu einer jungen Frau, die sich zwischen den Ständen mit Obst und Gemüse einen Weg zu den Kombis bahnt.
Trotz des Unrats und der Risse im Asphalt bewegt sie sich elegant auf himmelhohen High Heels. Jeden Teil ihres Körpers, der nach vorn oder hinten geschoben werden kann, schiebt sie nach vorn oder hinten – Lippen, Hüften, Brüste, Po –, mit allergrößter Wirkung. Ihre Hände laufen in spitzen schwarzen und goldenen Nägeln aus. Sie hat mehrere Einkaufstüten in der Hand, die »NEON« und andere Namen von Boutiquen in riesigen zackigen Buchstaben schreien. Sie schwingt die Tüten so lässig wie ihren Körper.
Du gaffst wie alle anderen, Wiedererkennen dämmert. Die junge Frau stolziert zu einem Kombi. Fasha-fasha geht sie, einfach so, alle ihre Teile bewegen sich mit der Selbstsicherheit einer Frau, die weiß, dass sie schön ist. Die Menge rührt sich, gruppiert sich neu. Männer innerhalb und außerhalb der Kombis atmen laut aus. Fenster beschlagen. Du rührst dich auch. Der Atem bleibt dir in der Kehle stecken, als du die Frau endlich identifizierst. Es ist deine Mitbewohnerin Gertrude.
Sie fasst nach dem eisernen Gestell eines Sitzes in einem Kombi, um sich hineinzuziehen. Geübt schwingt sie die Taschen hinter den Po, um ungewollte Anblicke zu verhindern. Als ihr Griff abgleitet, packt sie das billige Material, mit dem der Sitz bezogen ist. Es reißt und spuckt Schaumgummi aus, als sie nach hinten taumelt.
»Knie! Knie!«, ruft eine heisere Stimme deiner Mitbewohnerin zu. »Halt die Knie geschlossen.«
Wieherndes Gelächter.
»Da ist ein kleiner Fisch. Er wird gleich sein Maulloch zeigen, so wie er es macht, wenn er auf dem Trockenen ist«, ruft ein Mann.
Gertrude tut so, als würde sie nicht ihr Kleid hinunterziehen, als sie auf dem Boden landet. Doch unter ihren Einkaufstaschen zerrt sie auf Teufel komm raus daran. In der anderen Hand hält sie eine Faustvoll Polsterfüllung, als würde sie ihr Sicherheit geben.
Die Menge wogt und zappelt, summt und brummt vor Vergnügen. Diese Heiterkeit verströmt Energie. Sie treibt dich vom Sitz und hinaus ins Gedränge. Die Menge lacht schallend. Du auch. Und während du lachst, wächst und wächst du, bis du glaubst, dass du größer bist, als du bist, und das ist großartig.
Die Frau reibt sich den Arm und verlagert vor Unbehagen das Gewicht von einem Bein aufs andere.
»He, Fahrer«, ruft ein Mann. »Benutz deine Augen und schau, was sie deinem Fahrzeug antut.«
Der Mann klopft an die Windschutzscheibe und schlägt sich mit übertriebener Empörung die Hände seitlich an den Kopf. Du lachst mit all den anderen über diese Vorführung.
»Weitergehen, mhani, weitergehen. Die sind ein Problem«, schreit eine junge Frau in Rot und Grün, dem Gewand einer apostolischen Sekte. »Ein Problem«, wiederholt die junge Frau und drängt sich an allen vorbei zu einem Kombi.
»Ein Problem! Ein Problem!«
Die Menge greift die Idee auf und spuckt sie tief aus dem Bauch heraus aus. Es ist wie die Erleichterung, die Erbrechen verschafft, wenn herausläuft, was sich aufgestaut hat. Die Menge schiebt sich in ihrer unerwarteten neuen Freiheit vorwärts.
»Macht jemand die Oberschenkel für sie auf«, sagt ein Mann. »Macht es für sie, wenn sie es nicht tut.«
Die Menge greift den neuen Refrain auf. Du schleuderst ihn Gertrude zu und hinaus auf den Markt: »Aufmachen! Aufmachen!«
Ein Straßenkind hebt einen Maiskolben aus dem Abfall in der Gosse auf. Der Kolben schneidet durch die Luft wie eine Sichel. Befriedigung breitet sich in allen Bäuchen aus, als das Geschoss an Gertrudes Kopf vorbeifliegt und Strähnen ihrer einhundert Prozent brasilianischen Haarverlängerungen mitnimmt.
Gertrude stürzt nach vorn und findet Halt an der Kombi-Stufe. Ohne einen Gedanken an die Länge ihres Rocks schiebt sie sich vorwärts.
Alle lachen, und der Kombi-Fahrer grinst: »Was ist los mit dir? Seit wann dürfen Nackte in ein Fahrzeug steigen?«
Eine Gruppe Arbeiter in der Nähe lehnt lässig an einem Baugerüst und rückt die Helme zurecht, schaut zu. Sie lachen ohne Bedrohung und ohne Freude, ohne Hass, ohne Verlangen. Das Kichern sagt, dass tief aus ihnen alles entspringen kann.
Die eine Stimme, die aus vielen besteht, stößt ein Heulen der Vorfreude aus.
Der Lärm stachelt den Wunsch des Fahrers an, mehr sehen zu wollen.
»Weg da, weg da! Mein Wagen will fahren«, ruft er der Frau aus deinem Wohnheim zu. »Mit anständigen Leuten! Wie kann er das jetzt, wo er gepackt voll ist mit nackten Frauen?«
Spannung spritzt aus dir und aus der Menge. Dein Lachen hängt über deinem Kopf. Dort oben, wo es niemandem mehr gehört, knallt und knistert es wie ein Gewitter.
»Ja!«, prahlt der Fahrer. Er mustert Gertrude. »Wer hat dir gesagt, dass mein Kombi ein Schlafzimmer ist?«
Die Leute brüllen jetzt etwas über die Löcher in ihrem Frauenkörper. Sie stellen eine Liste zusammen, welche Gegenstände dort eingeführt wurden oder werden sollen, spekulieren über die Dimensionen dieser Hohlräume bei den weiblichen Verwandten ihrer Geisel. Eine schrille Stimme erklärt, dass deine Mitbewohnerin Blut vergeudet, weil sie Schande über den Freiheitskampf bringt, in dem die Kinder der Leute kämpften und fielen.
Der Straßenjunge beugt sich wieder in die Gosse. Sonnenlicht blitzt auf der Flasche auf, die er wirft.
»Für wen hält sie sich? Geben wir’s ihr«, grölt der unterernährte Junge.
Die Flugbahn der Flasche übt eine magnetische Kraft aus. Die Kraft hebt dich hoch. Du triumphierst. Du erreichst den Scheitelpunkt des Geschosses wie den Gipfel eines Berges. Die Menge auf dem Marktplatz steigt stöhnend auf mit dir an diesen hohen Ort. Es ist ein Wunder, das alle zusammengebracht hat.
Deine Mitbewohnerin schaut rasch nach rechts und links. Sie will verzweifelt entkommen.
Die Arbeiter schlendern zu Gertrude. Die Männer, die hinter Frauen stehen, massieren verstohlen ihren Hosenladen, als die Bauarbeiter vorbeigehen. Hunger rührt sich, wabert wie Nebel über allem. Du hältst deine Tasche vor die Brust, um die Lady Dis nicht zu verlieren.
Du wogst mit der Menge zu deiner Mitbewohnerin. Sie tritt mit ihren schönen Beinen um sich und müht sich, in den Kombi zu steigen. Der Schaffner breitet Arme und Beine zu den vier Ecken der Tür aus, um es zu verhindern. Der Fahrer beißt nervös die Kiefer zusammen und entspannt sie wieder. Wenn randaliert werden soll, dann außerhalb seines Fahrzeugs.
»Helft mir!«, schreit Gertrude. »Ich bitte euch, bitte, hilft mir jemand!«
»Wir helfen dir doch, he«, grölt eine Frau.
Ein Bauarbeiter geht zu Gertrude. Er streckt den Arm und reißt ihr den Rock von den Hüften. Die verzweifelte junge Frau taumelt, schwebt einen ewigen Augenblick im offenen Mund des Kombis. Alle seufzen irritiert, als sie die Arme um den Schaffner schlingt.
Der Mann windet sich. Er will sie abschütteln, traut sich jedoch nicht, den Griff um den Türrahmen zu lockern für den Fall, dass die Menge vorwärtsstürmt.
Hände heben Gertrude vom Trittbrett des Kombi. Sie werfen sie zu Boden, wo sie geschockt zusammensackt. Die Menge holt zur Vorbereitung tief Luft. Der Anblick deiner schönen Mitbewohnerin erfüllt dich mit einer Leere, die wehtut. Du weichst nicht zurück, wie ein Gedanke in deinem Kopf es wünscht. Stattdessen gehorchst du dem anderen Gedanken, drängst nach vorn. Du willst die Form des Schmerzes sehen, seine Arterien und Venen nachfahren, das Muster der Kapillaren aus dem Körper reißen. Die Menschenmenge bewegt sich vorwärts. Du nimmst einen Stein. Du hältst ihn in der Hand. Dein Arm hebt sich in Zeitlupe.
Wieder stöhnt die Menge. Jetzt ist es ein Stöhnen der Enttäuschung. Ein Mann steht neben Gertrude und wirft eine ausgefranste Jeansjacke über ihren Hintern. Es ist der Fahrer eines anderen Kombis. Die Sonne blitzt auf seinen Zähnen und auf seiner Sonnenbrille auf. Er wendet sich mit verständnisvoller Miene der Menge zu. Gertrude blickt zu ihm auf. Ihre Augen sind groß und viel zu weiß. Sie scheint es zu fühlen, und schaut weg.
»Tambu«, flüstert sie und greift dich heraus.
Ihr Mund ist eine Grube. Sie zieht dich hinein. Du willst nicht, dass sie dich begräbt. Du senkst den Blick, gehst aber nicht weg, weil du einerseits von der Menge festgehalten wirst. Und wenn du in die Einsamkeit zurückkehrst, wirst du andererseits in dich selbst zurückfallen, wo es keinen Ort gibt, an dem du dich verstecken kannst.
»Hilf mir«, fleht Gertrude.
Noch immer lächelnd flüstert der junge Fahrer Gertrude etwas zu. Er zieht sein T-Shirt aus und benutzt es als Vorhang. Gertrude hebt die Teile ihres Rocks aus dem Schmutz und bindet sie sich um den Körper. Sie zieht die Jacke an und schließt sie über der Brust.
Die Menge ist wieder wütend, diesmal wegen der Sanftheit des Geschehens. Der Straßenjunge wirft eine Cola-Dose. Sie trifft den jungen Mann am Rücken und rollt davon, doch der junge Mann scheint es nicht zu spüren. Er streckt Gertrude die Hand hin.
»Junger Mann, kannst du keine Anständige finden? So wohlgeraten, wie du bist, ja, du kannst eine finden«, kreischt eine Frau wie ein unheilbringender Geist.
»Oder lass deine Huren zu Hause«, sagt ein Bauarbeiter.
»Und sorg dafür, dass sie die Leute nicht aufhält, die nichts sehen wollen, die nur hinfahren wollen, wo sie hinwollen«, murrt ein Mann.
»Ja, ich werde es ihr sagen. Ich werde dafür sorgen, dass sie alles hört.« Der junge Mann lächelt, hält die Hand deiner Mitbewohnerin in seiner.
»Sisi, du hast sie doch gehört, oder?«, sagt er zu ihr.
Als Gertrude zitternd dasteht, den Kopf gesenkt, und nicht antwortet, ruft ein Bauarbeiter mit vor Abscheu lauter Stimme: »Jetzt, wo du anständig bist, warum steigst du nicht ein?«
Gram geht in Gertrudes Gesicht auf. Ein anderer Straßenjunge wirft eine Plastikflasche in einer halbherzigen Geste auf den Kombi, als Gertrude hineinwankt.
»Iwe! Weißt du, wessen Kombi das ist? Wenn ich dich erwische!«, brüllt der Fahrer den Jungen an.
Der Junge rennt davon, seine Zähne schimmern, er hält die Ösen, die von seinen zerrissenen Shorts hängen, von seinen Knien fort. Der Stein rollt aus deiner Hand.