Читать книгу Überleben - Tsitsi Dangarembga - Страница 13

4. Kapitel

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Zu der Witwe zu ziehen, ist ein großer Fehler. Als du ankommst, riecht dein Zimmer widerlicher als zuvor.

Mrs. Manyanga treibt sich in der Nähe herum. Sie sagt zu deiner gerümpften Nase: »Ja, Miss Sigauke, Ihr Gott liebt Sie. Sie sind jetzt zu Hause. Nur, liebt er mich, eine arme Witwe, nicht noch mehr, wenn er jemand so segnet?«

Aus einem Loch im Dach hat es auf die Matratze getropft, und jetzt bedeckt Schimmel den Stoff und die Zimmerdecke wie Flaum. Hat deine Vermieterin es nicht gesehen?

»Alles ist jetzt hübsch und frisch«, sagt sie. Die Witwe streckt den Arm hinter die Kleiderstange und zieht ein paar Spinnweben herunter.

»Es war nur ein kleines Loch wie das da oben im Dach. Der Wind hat die Schindeln ein bisschen verschoben, aber sobald ich mich entschlossen hatte und wusste, dass jemand in dem Zimmer schlafen würde, sehen Sie, es ist repariert«, sagt sie und wischt sich die Hände.

»Wissen Sie, Miss Sigauke«, fährt sie fort, »ich suche noch immer nach einem Mädchen. Ein anständiges, das ich bitten kann, dies und das für mich in meinem Häuschen zu machen. Aber nur drüben in meinem Häuschen. Nur dort soll mir jemand helfen. Dieses Zimmer habe ich gelüftet. Alle Fenster waren offen seit dem Tag, als Sie auf der Schwelle gestanden haben. Und jeden Abend bin ich selber gekommen und habe sie geschlossen, denn Sie wissen ja, wenn man etwas Gutes hat, wollen die Leute es immer nur stehlen.«

Deine Vermieterin setzt dich stolz davon in Kenntnis, dass sie die Satinvorhänge abgenommen und eigenhändig gewaschen hat.

»Sehen Sie, Gott ist gut. Ich bin Witwe, und meine Söhne sind auch weg. Aber ich empfange so viel Macht. Nicht für mich selbst, sondern für jemand anders. Gott lässt noch immer seine Stärke in mich strömen!«

Als sie in ihr Häuschen geht, kannst du nicht entscheiden, ob du froh bist oder nicht, allein zu sein.

»Mwakanaka, Mambo Jesu«, hörst du sie singen, als sie durch den Garten geht.

Du verstaust deine Sachen in schmutzigen Schubladen und schwörst dir, dass du, wenn du wieder ausziehst, den Weg der Witwe nicht so entlanggehen wirst, wie du gekommen bist – mit nichts.

Du sitzt die meiste Zeit auf deinem Bett, denkst über deine neue Fehlentscheidung nach und sinnierst, wie sehr du den Ort bereits hasst. Dann wieder überlegst du, wie du das wachsende Gefühl, dass es ein schlimmes Ende nehmen wird, unterdrücken kannst. Du bemühst dich, eine plausible Ausrede zu erfinden, warum du nicht zu der Arbeit gehst, die du angeblich hast, für den Fall, dass die Witwe dich danach fragt.

Deine Mitbewohner heben deine Moral nicht. Sie haben alle Arbeit. Es ist besser, sie nicht kennenzulernen. Damit meinst du, dass sie nicht wirklich bekannt mit dir werden sollen. Du findest Wege, Kontakt mit ihnen zu vermeiden, vor allem mit dem Mann in dem Zimmer neben deinem, der die Freundinnen öfter wechselt als seine Hose. Die stille Frau steht als Erstes auf, normalerweise bevor die Hähne krähen, damit sie heißes Wasser hat. Sie braucht lange, um sich zu waschen. Ihr folgt die dicke Frau. Der Mann in dem großen Zimmer steht als Letzter auf, weil er ein eigenes Bad hat. Ihre Vorkehrungen wecken dich; wenn sie gehen, um ihre Kombis zu erwischen, kannst du nicht wieder einschlafen, weil du an ihre Büros, ihre Arbeitsverträge und ihre monatlichen Gehälter denkst.

Du wagst dich hin und wieder in den Garten hinaus, um frische Luft zu schnappen, oder setzt dich auf die buckligen Wurzeln des Jacarandabaums neben dem Tor. Wenn du am Tor sitzt, gibst du dir Mühe. Ausnahmsweise ist hier deine Herkunft vom Land von Vorteil.

»Hallo, wie war Ihr Tag? Wie geht es, ist alles in Ordnung, woher Sie kommen?«, grüßt du Passanten.

Weil du so selten sprichst, erschrickst du über den Klang deiner Stimme und lächelst nicht. Ebenso wenig die Leute. Manchmal antworten sie nicht einmal.

Einmal in der Woche gehst du einkaufen in einen winzigen Supermarkt, der so deprimiert wirkt, wie du bist. Sobald du das Grundstück verlässt, zwingst du ein Federn in deinen Schritt, um wie eine Frau zu wirken, in deren Tasche viele Dollarscheine liegen. Im Laden raubt dir das Heucheln die Luft, als würdest du ein zu enges Korsett tragen. Wenn du deine Einkäufe erledigt hast, willst du nicht wieder hinausgehen, denn deine Tasche wölbt sich vor preisgünstigen Plastikflaschen, kleinen Päckchen und winzigen Schachteln. Öl zum Kochen, Glyzerin für deine Haut, Kerzen für Stromausfälle, Streichhölzer – alles posaunt deine Armut heraus.

Du bewahrst deine Vorräte in einer Ecke des Küchenschranks auf, abseits der Dinge der anderen Bewohner. Du hortest deine Lebensmittel, wie du deine Ersparnisse von der Werbeagentur auf dem Konto der Wohnungsbaugesellschaft hortest, dein Motto lautet »weniger ist mehr«: Weniger essen bedeutet weniger Ausgaben, Saldo positiv. Mehr Geld auf dem monatlichen Kontoauszug heißt mehr Zeit, dein Leben auf die Reihe zu bringen. Das Frühstück ist ein matschiger Maisbrei, den du kaum hinunterbringst, weil der Herd der Witwe nichts richtig köchelt oder kocht. Am Nachmittag dickst du den gleichen Brei für deine sadza ein. Als Zutat benutzt du Gemüse, jeden Tag ein paar Blätter aus dem Garten der Witwe.

Den Rest der Zeit sitzt du an deinem Fenster, starrst an dem einst babyrosa, jetzt vergilbten Stoff vorbei auf den fleckigen Rasen deiner Vermieterin. Wenn das unerträglich langweilig wird, drehst du dich ein Stückchen, um die Betonplatte anzuschauen, die Mr. und Mrs. Manyanga für das Studentinnenwohnheim gelegt haben. Manchmal siehst du jenseits des Betons die dunkle Gestalt der Witwe in ihrem Wohnzimmer hin und her wabern.

Du machst dir Sorgen, dass du anfangen wirst, daran zu denken, allem ein Ende zu setzen, da du nichts hast, für das du lebst: kein Zuhause, keine Arbeit, keine stützenden Familienbande. Bei diesem Gedanken versinkst du in einem Morast aus Schuldgefühlen. Du hast versagt und nichts aus dir gemacht, aber deine Mutter erträgt noch wesentlich elendere Umstände als du, begraben in deinem bettelarmen Dorf. Wie ist es trotz deiner Ausbildung möglich, dass du bedürftiger bist als deine Mutter? Dass du schlimmer endest als eine Frau, die vom Leben so gebeutelt wurde, dass sie versucht hat, sich auf ihre zweite Tochter zu stützen – eine Tochter, die selbst Unterstützung braucht, nachdem sie im Krieg ein Bein verloren hat und jetzt zwei Freiheitskampfkinder versorgen muss, deine Nichten, die du nur einmal als Babys gesehen hast. Dein Onkel, der sich einschaltete, um dich vor dem Schicksal deiner Mutter zu bewahren, indem er dich in die Schule schickte, sitzt jetzt im Rollstuhl, ein Opfer der Unabhängigkeit dank der verirrten Kugel eines Einundzwanzig-Schuss-Saluts, die sich während der ersten Feierlichkeiten tief in das empfindliche Gewebe neben der Wirbelsäule grub. Du zwingst dich, nicht an deinen Vater zu denken, allein schon die Vorstellung daran stürzt dich in Verzweiflung. Die einzige Person, die dir und deiner Familie in dieser misslichen Lage helfen könnte, ist deine Cousine Nyasha. Doch sie ist nach Übersee ausgewandert. Du hast zum letzten Mal von ihr gehört, als sie dir die Schuhe schickte, Gott sei Dank zu einer Zeit, als die Post Pakete noch zustellte und nicht stahl. Du weißt nicht mehr, wer an der Reihe ist, wen zu kontaktieren, oder auch nur, ob du dich bei ihr mit einem Brief bedankt hast.

Seit den Jahren an der Universität hast du Freunde verloren, weil du nicht mit ihrem Lebensstil mithalten konntest und nicht ausgelacht werden wolltest. Jahre später, nach deinem abrupten Abgang aus der Werbeagentur, hast du den Kontakt zu deinen Kollegen aufgegeben. In den ersten Tagen bei Mai Manyanga quälst du dich mit dem Gedanken, dass du nur dir selbst die Schuld für den Verlust der Stellung als Werbetexterin geben kannst. Du hättest die weißen Männer ertragen sollen, die ihren Namen unter deine Slogans und Reimpaare setzten. Du verbringst viel Zeit damit zu bedauern, dir dein eigenes Grab geschaufelt zu haben, nur weil du auf einem Prinzip beharrt hast. Dein Alter verhindert, einen anderen Job in der Branche zu finden, die Kreativabteilungen sind heutzutage von jungen Leuten mit Irokesenschnitt und Piercings in den Augenbrauen, in der Zunge und im Nabel besetzt.

Ablenkung von deinen düsteren Gedanken stellt sich an einem Sonntag ein paar Wochen nach deinem Einzug ein, als ein verbeulter blauer Toyota über den Kies der Witwe knirscht.

Der Wagen kommt in einer Abgaswolke vor dem Mehrfach-Carport genau an der Stelle zum Stehen, wo er jedes andere Fahrzeug am Parken hindert.

Du blickst auf von der Zeitschrift, die du aus der Werbeagentur mitgenommen und schon hundertmal gelesen hast, und siehst, wie ein sehniges Bein aus der Fahrertür gleitet. Ein langer muskulöser Arm schiebt sich heraus und fummelt am Griff der Hintertür herum, bis sie sich öffnet.

Ein halbes Dutzend Kinder springt heraus.

»Mbuya!«, schreien sie.

Sie tun ihr Bestes, um den Gemüsegarten der Witwe nicht zu zertrampeln. Doch Furchen werden eingeebnet, als sie springen. Ranken reißen.

»He, passt auf! Wartet, bis jemand sieht, was ihr da gemacht habt«, schreit der Vater und steigt rasch aus dem Wagen. »Ihr kriegt die Tracht Prügel eures Lebens. Wenn eure Großmutter nicht will, werde ich es tun.«

Die Kinder kichern und kreischen und laufen schnell davon, um mit den Fäusten gegen die Tür der Witwe zu hämmern. »Mbuya!«, rufen sie erneut, als die Tür geöffnet wird und die Witwe sie hineinwinkt.

Dieser Besuch ist ein Geschenk und bietet dir einen in Erwägung zu ziehenden Mann. Er ist das Sprungbrett zu dem Leben, nach dem du dich sehnst, fort von diesem Nirgendwo und den Tagen, die leer hinter dir aufklaffen. Du denkst nicht an Liebe, sondern wie besessen nur daran, was der Herr für dich tun kann, wie der Sohn der Witwe dich gegen den absoluten Niedergang absichern wird.

Du saugst den Speichel aus dem Mund wie jemand, der in eine Zitrone beißt, als eine Frau auf der Beifahrerseite aussteigt. »Ich bleibe nicht im Wagen sitzen«, sagt die Frau. »Das werde ich auf keinen Fall tun.«

Die Gliedmaßen des Mannes sind zu lang. Sie rollen wie ein Förderband, als wären seine Bänder und Knorpel um ein Vielfaches zu groß für seine Knochen. Er setzt riesige Füße auf dem Kies ab, als er ein paar Schritte macht, bevor er sich die Hände an seinem zerknitterten Hemd abwischt. Er lehnt sich ans Auto und zündet sich beleidigt eine Zigarette an.

»Heute werde ich sie kennenlernen«, insistiert die Frau. »Du kannst sagen, was du willst, ich werde es tun.«

Du holst aus deinen Tiefen die Verachtung, die dich in den Wochen, seitdem du bei der Witwe bist, martert. Der Hohn des Mannes ist schneidend und befriedigend, während deiner aus dir hinausströmt und sich mit seinem vereinigt und sich über die Frau ergießt.

Einen Augenblick später ruft jemand vor dem Tor. Riegel klirren, und ein langer niedriger Volkswagen Passat schiebt sich auf das Haus zu.

Der Mann und die Frau werden aus ihrer Unzufriedenheit gerissen. Lächeln schlitzt ihre Gesichter auf, als sie sich dem Fahrzeug zuwenden.

»Larky!«, ruft der Mann mit den zu langen Gliedmaßen dem Neuankömmling zu. Er setzt sich in Bewegung und schnippt die Zigarette weg.

Die Frau verschränkt mürrisch die Arme und lehnt sich mit ihrem in Denim steckenden Hintern an den Toyota.

Larky rollt sein Fenster herunter und entblößt zur Begrüßung alle Zähne.

»Jaa, Praise!« Er grinst und macht eine Kopfbewegung zu dem blauen Cressida. »Das ist er also! Das ist der Gewinner, von dem du mir erzählt hast?«

Der andere Mann grinst ebenfalls. Doch Unbehagen zieht seine Lippen zu weit auseinander.

»Ein Neuer«, sagt Larky und steigt noch immer breit grinsend aus. »Schrott, Bruder! Warum verschwendest du dein Geld für dieses japanische Altmetall?«

Der Frau sacken die Schultern nach unten. Larky streckt die Hand aus. Die beiden Männer stoßen mit den Schultern aneinander.

»Mir geht’s gut, Bro«, sagt Larky und wendet sich dabei um, damit ihn auch jeder hört. »Ich habe noch einen gekauft, Nummer drei. Als Ersatzwagen, wenn die anderen zusammenbrechen. Die Mutter der Kinder fährt den Mercedes. Ich den BMW. Aber nicht an den Wochenenden. Nichts Japanisches mehr«, prahlt er. »Nur noch die Wahren. Deutsche.«

»Japanisch ist genauso gut«, sagt Praise. »Besser sogar. Sie verstehen, wie wir die Dinge angehen.«

»Wie geht es dir, Babamunini?«, schaltet sich die Frau ein.

»Aber du gehst in die richtige Richtung«, lenkt Praise ziemlich laut ein, um sie zu übertönen. »Hoffentlich werde ich deine Nummer drei zu sehen kriegen, wenn er so gut ist, wie du behauptest.«

»Komm! Komm und schau ihn dir an.« Larky lacht. »Warte nicht zu lang. Wir braten Fleisch. Du musst die Kinder mitbringen.«

Die Männer stoßen die geballten Fäuste aneinander und schieben die Doppelfaust lachend vor und zurück.

»Stark, mupfanha«, sagt Praise. Er entblößt wieder alle Zähne und dreht sich zu der Frau um.

»Babamunini! Babamunini, ich muss dir was erzählen«, setzt sie an.

Sie kratzt sich mit den Händen den Bizeps des jeweils anderen Arms und lässt die Schultern hängen, weil sie eine Frau ohne Hoffnung ist, die Sorte, die ihren Mann bei seinem jüngeren Bruder anschwärzt.

»Mbuya, hier, hier! Ich, ich!«, rufen die Kinder. Die Rufe werden lauter, als die Witwe die Tür öffnet, und sie stürmen auf die Treppe.

»Mwakanaka! Mwakanaka! Du bist gütig, Herr im Himmel!« Die Stimme der Witwe fädelt sich durch den Nachmittag.

»Mai, lass dich von dieser Herde nicht in Stücke trampeln. Wir kommen«, sagt Larky. Er macht einen Schritt nach vorn, und in seinen Wangen bilden sich dramatische Grübchen. Du schiebst den Vorhang vorsichtig beiseite.

»Was tut ihr da?«, sagt die Witwe. »Wie wäre es, wenn ihr herkommt und mich begrüßt, ihr, Praise und Larky? Die Kinder zumindest wissen, wie man sich benimmt und begrüßen ihre Großmutter.«

»Wir kommen, Mai. Gleich«, versprechen die Männer. »Sind wir nicht hier? Das heißt doch, dass wir dich sehen wollen.«

»Also, Kinder, ratet mal, was ich habe?«, sagt die Witwe.

Sie hält etwas hoch. Es ist klein, ein Päckchen.

»Würstchen!«, kreischt ein Kind.

»Rote Würstchen!«, ruft ein anderes.

»Wer von euch will ein Würstchen?«, trällert die Witwe volltönend, als wäre sie bei einer Lobpreisung.

»Ini! Ich, ich«, antworten die Enkelkinder.

Der Lärm verstummt, während die Kinder sich darauf konzentrieren, abzubeißen und zu kauen.

»Wie geht es allen? Wie geht es Maiguru?« Larky erweist seinem Bruder Respekt. In der Stille fährt er fort: »Was ist mit dem Kleinen? Hast du Ignore gesagt, dass wir ihn sehen wollen?«

»Gut, und bei dir, wie geht es euch?« Praise kratzt sich am Kopf. »Unser Kleiner? Ja, wo ist er? Hast du ihn nicht angerufen?«

Larky zieht sich neonfarbene Bermudashorts über den Boxerbauch.

»Warum ich? Du solltest den kleinen Ignore fragen, warum er nicht da ist. Warum fragst du mich, als wärst du nicht der Älteste, der alles organisieren soll?«, sagt er, Schärfe in der Stimme.

Praise zieht eine weitere Mentholzigarette aus der Schachtel. Er bläst Rauch aus, als er das zerfallende Anwesen betrachtet.

»Egal, was tut Ignore, das ihn aufgehalten hat?«, sagt Larky.

Praise kratzt sich wieder am Kopf, bevor er seinem Bruder eine Zigarette anbietet. Larky nimmt eine. Blaue Spiralen steigen auf.

»Benehmt ihr euch jetzt?«, schreit Praise die Kinder an. »Benehmt euch. Hab ich’s euch nicht gesagt?«

Die Männer stellen sich nebeneinander, winken und setzen für die Gruppe auf der Treppe eine väterliche Miene auf.

Die Frau in der Jeans gleitet weg von Praises Toyota und schiebt sich zu den abgelenkten Männern, präzise wie ein Messer.

»Schau nur, Praise«, sagt sie, als sie so weit gegangen ist, dass die Witwe sie sehen kann. »Heute ist es zu viel, es ist mir egal. Auch wenn sie mich ignoriert. Ich weiß, du hast ihr irgendwas erzählt. Sie wird jetzt erfahren, dass sie noch eine muroora hat, noch eine Schwiegertochter. Heute Nachmittag werde ich deine Mutter kennenlernen.«

Witwe Manyanga kehrt der Gruppe neben dem Carport den Rücken zu, eine resolute Geste.

»Ich habe dir doch gesagt, nicht heute.« Praise wendet sich der Frau zu.

»Lügner!«, zischt die Frau.

Sie hebt einen Finger, schwingt ihn hin und her. Ihr Körper greift den Rhythmus auf, balanciert auf Stilettos.

»Du lügst mich an, und du weißt es, Praise Manyanga. Nur weiß ich nicht, warum du es tust. Warum lügst du mich so an, Praise? Als du nächstes Mal gesagt hast? Aber jetzt willst du mich vor deinem Bruder und vor deiner Mutter und auch vor deinen Kindern dumm dastehen lassen.

Nächstes Mal, nächstes Mal, nächstes Mal«, wiederholt sie in einem schrillen Crescendo. »Wirst du wieder lügen und es dann leugnen? Die ganze Zeit hast du mich angelogen. Und deswegen ignoriert mich deine Familie jetzt!«

»Mainini, ich freue mich, dass du da bist. Ich bin froh, meine biggas zu sehen, so ist es«, sagt Larky.

Er breitet die Arme aus für eine Umarmung.

»Komm schon, willst du das wirklich?«, sagt er. »So unglücklich sein? Wo mein älterer Bruder sich angestrengt und uns alle für diesen Besuch zusammengebracht hat?«

»Wie sein?«, sagt die Frau und senkt den Kopf wie ein angriffslustiger Stier, doch dann richtet sie sich abrupt wieder auf.

»Wie meinst du, dass ich nicht sein soll? Bin ich es, die nicht irgendwie sein soll?«

Sie zieht die Unterlippe nach unten, und als sie an ihre Grenze stößt, gestattet sie Larky, sie zu umarmen. Er schiebt sie in seinen Passat, und als sie in dem Fahrzeug sitzen, darf er ihr den Rücken tätscheln. Der Motor läuft. Du lächelst leise, weil du glaubst, dass diese Frau keine große Konkurrenz sein wird.

»Wer will, was ich habe?«, ruft Mai Manyanga den Kindern zu, ein weiteres Päckchen Wiener Würstchen in einer Hand, ein kurzes Messer in der anderen.

»Und Praise, was ist los? Hast du es Ignore nicht gesagt?«, fragt deine Vermieterin mit einer Kirchenchorstimme, die laut genug ist, um im Nachbargrundstück gehört zu werden.

»Frag Larky«, sagt Praise.

Die Witwe sticht mit dem Messer in das neue Wurstpäckchen und reißt es auf.

»Erzähl mir bloß nicht, dass du es meinem Sohn nicht gesagt hast«, sagt sie, nachdem sie ihre Enkel gefüttert hat.

»Keine Sorge, Mbuya Manyanga! Auch wir wollen alle die guten Sachen essen, die du vorbereitet hast«, sagt Praise und verschränkt die Arme. »Sobald der da ist, von dem du redest.«

Du hörst zu und träumst davon, Mitglied dieser Familie zu sein, sobald du aktiv geworden bist.

Letztlich fährt Larkys Volkswagen nicht mit der unglücklichen »Zweit«-Frau davon, die sich sein Bruder hält, weil ein gelb-brauner Wagen, flach wie ein Frosch, auf den Carport zukriecht. Dir wird klar, dass dieses Auto das Beste ist, denn der Lärm in der Einfahrt wird kaum geringer, als er anhält und die Stoßstange des Passats anstößt.

»He, mhani, Ignore, benimm dich wie ein Mensch«, sagt Larky, der den Kopf aus dem Fenster streckt.

»Nichts passiert! Ist was passiert, Larky? Praise?« Der dritte Mann zuckt die Achseln, steigt aus und lächelt. Die anderen beiden Männer schauen sehnsüchtig auf den Wagen.

Ignore nickt seiner Mutter zu, doch Praise hakt sich bei ihm unter und zieht ihn zu sich, bis sie sich an der Stirn berühren.

Die Kinder winken mit den Würstchen oder versuchen, von der Wurst eines anderen abzubeißen.

»Ich hole noch mehr«, sagt Witwe Manyanga. Als sie mit dem leeren Päckchen ins Haus geht, ruft sie: »Und kommt ihr immer noch nicht, um eure Mutter zu begrüßen, jetzt, wo Ignore da ist?«

»Ich komme«, ruft Ignore.

Die Kinder laufen der Witwe ins Häuschen nach. Larky steigt aus seinem Auto aus. Die Männer stehen beieinander und nicken.

Die Frau wird vom Passat in den Porsche manövriert. Ignore steigt wieder ein und kehrt nach ein paar Minuten – zu deiner großen Zufriedenheit – ohne sie zurück.

»Großer Bruder«, sagt Ignore, als er ein zweites Mal aus seinem Wagen steigt, »sag mir, aus welchem Abfalleimer du diese Frau gezogen hast.«

»Welcher große Bruder?«, schnauzt Praise ihn an. »Warum redest du von Abfalleimern?«

»Du musst da prüfen, wo die Fische sind.« Ignore zuckt die Achseln. »Dann kannst du jedes Wasser probieren. Aber prüfen heißt nicht essen. Biggas, was ist es? Prüfen oder essen?«

Praise kratzt sich am Kopf.

»Wie geht es ihr?«, fragt Ignore und blickt zum Häuschen der Witwe.

»Gut«, sagt Larky. »Erst hat sie ihre Enkel gefüttert. Und jetzt bist du da.«

Larky holt eine Schachtel hinten aus seinem Wagen. Praise hievt Kästen mit Coke, Fanta und Stoney Ginger Beer aus seinem. Die Manyanga-Söhne setzen sich auf die Betonplatte neben dem Gemüsegarten der Witwe. Sie heben Flaschen und trinken, und wenn der Pegel in den Flaschen sinkt, gießen sie Schnaps hinein.

Larky fragt Ignore nach einem Anwalt.

Ignore schenkt Schnaps aus und sagt: »Kamuriwo.«

Sie sprechen über den Anwalt. Deine Gedanken schweifen zu der zwei Jahre alten Zeitschrift aus der Werbeagentur ab, die auf deinem Schoß liegt.

»Immobilienmakler?«, sagt Larky. Du wägst deine gegenwärtige Gesellschaft, eine fettfleckige Zeitschrift, gegen diese Männer ab, die bereits einmal geerbt haben und es zukünftig noch einmal tun werden.

Draußen verändert Ignore die Haltung, gibt jedoch keine Antwort.

Larky steht auf, Drink in der Hand. Er betrachtet die Platte, den durchhängenden Zaun, den Fortschritt des Verfalls.

»Das ist das Problem«, sagt er. »Ich hab’s euch gesagt, als Baba gestorben ist. Ich habe gesagt, wir müssen das Haus managen, damit es nicht verrottet. Damit wir was davon haben.«

Als er über das Haus seiner Mutter spricht, wirkt er bekümmert. Er flicht Wörter wie Küche und Geldverschwendung in seine Rede ein. Kurz darauf fängt Ignore an zu lachen. Praise schüttelt verwundert den Kopf.

»Und der schwarze Granit, den sie im Swimmingpool haben wollten«, fährt Larky fort, die Stimme erhoben und erschüttert. »Ich habe zu ihnen gesagt: Mai, Baba, fangt mit Unterricht an. Schwimmunterricht. Nicht mit einem Pool! Aber unsere Eltern, haben sie zugehört? Wie oft habe ich ihn ausgebessert? Ich habe es satt, diesen Ort aufrechtzuerhalten, wenn sie selbst nichts für sich tun kann!«

»Nach dem Unfall habe ich meinen Teil mit den Autoreparaturen getan«, sagt Praise. »Larky, es ist nicht richtig, wenn du behauptest, dass du alles machst.«

»Das Anwesen«, sagt Ignore immer noch amüsiert. Er spricht davon, Leute zu kennen und das Unterschreiben von Papieren zu beschleunigen.

»Wenn sie jetzt nicht unterschreibt, was dann?«, fragt Praise. Er kratzt sich am Hinterkopf.

»Dieser Sohn hier.« Larky nickt Ignore zu. »Wie er gesagt hat, seine Verbindungen werden es bewerkstelligen.«

»Käufer?« Praise richtet sich auf und streckt sich.

»Wenn wir den Käufer haben«, sagt Ignore, »was wirst du dann mit ihr machen, Praise?«

Die Kinder, die sich wieder auf der Veranda eingefunden haben, trinken ihre Getränke aus. Sie werfen die Dosen gegen einen Guavenbaum.

»Vielleicht sollten wir es uns noch einmal überlegen«, sagt Praise. »Sie hat das kleine Zimmer vermietet. Die Frau wollte kein Telefon, aber zumindest hat sie die Miete für drei Monate bezahlt.«

Dir stockt kurz der Atem, als dir klar wird, dass du die Frau bist, von der gesprochen wird. Du schwebst zwischen einem Gedanken und dem noch nicht geformten nächsten. Das Pochen in deiner Brust wird schneller, ein Schlag für Hoffnung und der nächste für weitere Enttäuschung. Du wünschst, es wäre alles gleich, nichts wichtig.

»Lasst uns die Telefone loswerden«, sagt Ignore. »Sie werden ein bisschen Geld bringen. Ich finde jemand, der sie nehmen wird.«

»Sie redet noch immer von dem Payphone-Geschäft«, wendet Praise mit einem frustrierten Zungenschnalzen ein. »Sie will eine Verwandte holen, die ihr bei der Sache hilft.«

»Verkaufen«, wiederholt Larky bestimmt. »Sonst sind wir alle irgendwann ruiniert.«

Du atmest langsam ein und aus. Du hast entschieden, dass es für dich nicht von Bedeutung ist, wer das Haus kaufen wird. Die Frau in der Jeans ist erledigt, die Manyanga-Söhne sind verfügbar und erstrebenswert für dein neu ausgebrütetes Projekt, der Abwärtsspirale deines Lebens ein Ende zu setzen. Ihre Ehefrauen sind nicht in Sicht, was bedeutet, dass die Männer ihre Frauen entweder nicht schätzen oder dass die Frauen wenig Zeit für ihre Männer haben. Es wird leicht werden, gegen so eine Frau anzutreten. Endlich ist das Leben gut zu dir. Es hat dich in der richtigen Familie abgesetzt. Du entscheidest dich für Larky als dein erstes Objekt, weil er der Mächtigste ist.

Nicht ahnend, was du für sie auf Lager hast, beenden die Männer ihre Diskussion. Die Kinder grüßen sie rufend, als die Männer von der Betonplatte zum Häuschen ihrer Mutter gehen.

Du schleichst ins Bad, von wo die Sicht auf das Häuschen der Witwe besser ist. Doch die Haustür wird geschlossen, als du hinausspähst, und danach siehst du nur Schatten mit unterschiedlichem Gang unregelmäßig an den Vorhängen vor den Fenstern vorbeigehen.

Während aus Tagen Wochen werden, wartest du auf eine Gelegenheit, den Sohn deiner Vermieterin zu umgarnen. Als sich diese nicht bietet, liegst du auf der durchgelegenen Matratze in dem rosa Rüschenzimmer, denkst über deine Optionen nach und entwickelst ein klügeres System, um deine Erfolgschancen zu maximieren, indem du angefangen mit dem Ältesten jeden Erben durchgehst. Du träumst von dem Haus, in dem du leben wirst, in dem es weder rosa Rüschen noch gelbe Küchen geben wird. Du richtest dein Herz und deine Gedanken auf den Swimmingpool aus schwarzem Granit, um sicherzugehen, dass er auf dich warten wird. Schließlich wirst du die Lüge wahrmachen, die du deinen Kollegen aufgetischt hast, als du die Werbeagentur verlassen und behauptet hast, jemand hätte »Du bist es!« geflüstert und würde dich heiraten.

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