Читать книгу The Japanese H-Manga Academy (of Rumoi) - Tuja Tiira - Страница 7
Kapitel 2
ОглавлениеEin kühler Windhauch strich über die Straße. Leichter Nebel bildete sich über über dem Gras am Waldrand. Die sinkende Sonne stand dicht über den Wipfeln der Bäume.
Es dauerte eine Weile, bis ich eine matschige Stelle, die zwischen zwei Bäumen hindurchführte, als Pfad erkannte. Sonst war nichts zu sehen. Dies war der einzige Weg, also entschied ich mich, ihn auszuprobieren. Nach wenigen Metern waren meine Turnschuhe durchnässt. Zum Glück hatte ich mich für die Fahrt für praktische Kleidung entschieden, Hosen und Pullover. Der Wald wurde immer dichter, die Straße war durch den Nebel zwischen den Bäumen bald nicht mehr zu sehen.
"Das Herz, begraben
unter dunklen Tannen,
schreit vor Schmerzen."
Eine fast monotone Frauenstimme, als käme sie aus den Abgründen der Zeit selbst. Irgendetwas berührte meine Schulter. Hinter mir stand eine Frau mit mittellangen schwarzen Haaren, etwa so groß wie ich und dunkel gekleidet, ein schwarzer Trenchcoat über den dunklen Hosen, schwarze, feste Schuhe, nur die Bluse war weiß. Sie schien wie ich Anfang 20 zu sein.
"Hallo, ich bin Kita Nishizawa, du musst Yukiko Müller sein - die Neue."
"Hallo."
Mehr brachte meine Kehle nicht hervor. Nishizawa schaute mich an, als wäre ich ein interessantes biologisches Fundstück, das sie gerade im Wald entdeckt hatte.
"Ich soll dir den Weg zeigen."
Immer tiefer ging es in den Wald hinein, der Pfad war nun kaum noch zu erkennen.
"Kein Sehnen mehr,
am Ende des Weges
nur ein Abgrund."
Nishizawa trug auch dieses Haiku vollständig ausdruckslos vor, dann schwieg sie. Die Stille wurde im Dunkel des Waldes immer drückender. Ich räusperte mich.
"Du bist schon die Zweite, die ich heute getroffen habe, die Haiku zitiert. Ist das hier üblich?"
"Das war kein Zitat. Und auch du bist doch deshalb hier."
"Was meinst du damit?"
"Die H-Manga Akademie, du hast dich doch eingeschrieben, die Haiku-Manga Akademie." Als sie meine Überraschung bemerkte, unterbrach sie sich kurz. Ihr Blick wurde kalt, er schien unter meine Kleidung zu dringen. "Oder was dachtest du, wofür das H in H-Manga Akademie steht?"
"Ich, ich dachte .... mein Verleger hat die Akademie ausgesucht."
Sie zuckte nur mit den Schultern.
"Wir sind da."
Auf einer Lichtung, die halb zugewachsen war, stand ein verfallenes großes Gebäude mit Anbauten. Nishizawa deutete auf einen Anbau an der Vorderseite des Gebäudes.
"Der Unterricht findet im Anbau links statt, dort, wo die Fenster ersetzt wurden. Das Wohnheim ist in einem Anbau hinter dem Gebäude."
Tatsächlich schienen bei genauerem Hinsehen einige Teile des Anbaus ausgebessert worden zu sein. Hinter dem Gebäude im Wald am Fuß des Hügels nahm ich noch weitere von Gestrüpp überwucherte Bauten wahr.
"Aber das ist eine Ruine."
"Die Akademie ist ein durch Strukturmittel der japanischen Zentralregierung gefördertes Projekt zur Wiederbelebung der Wirtschaft in Rumoi. 'The Japanese H-Manga Academy (of Rumoi)' ist die Ausbildungsstätte in Japan mit dem größten Ausbauvolumen, das heißt dem größten ausbaufähigen Volumen. Der gesamte Komplex umfasst hier mehr als 20.000 Quadratmeter Fläche. Die Studierenden kommen aus Europa und unterschiedlichen Regionen Japans, inklusive Tokio. Das steht alles auf der Webseite."
"Wie viele Studierende hat die Akademie?
"Sieben."
"Und wie viele kommen aus Europa?"
"Du, und dann haben wir noch einen Studenten, der aus Tokio kommt."
"Wie viele Lehrende gibt es?"
"Eine, das ganze Projekt wurde von der Regionalregierung nur durchgeführt, um die Strukturmittel zu bekommen."
"Wieso studierst du hier?"
"Ich habe ein Stipendium bekommen. Außer dir und Akiko Miyamoto haben alle ein Stipendium. Und für Aki spielt Geld glaube ich, keine große Rolle. Aber komm jetzt, ich zeige dir dein Zimmer."
Im Schatten an einem Holztisch vor dem Gebäude saß auf einer Bank eine Frau um die 40. Ihr Kopf war auf den Tisch gesunken, ihre kastanienbraunen Haare waren in Unordnung, einen Augenblick fragte ich mich, ob die Haare gefärbt waren, konnte das aber nicht erkennen. Ihr streng geschnittenes Kleid wirkte leicht derangiert. Vor der Frau stand eine noch etwa zu einem Viertel volle Flasche Sake, hochprozentiger Alkohol,3 und ein Glas. Nishizawa sah meinen fragenden Blick.
"Das ist unsere Lehrerin Fumiko Furuhashi. Lass sie einfach dort sitzen. Sie wird erst morgen wieder ansprechbar sein. Sie ist als Zeichnerin technisch wirklich gut, hat aber nie wirklich den Durchbruch als Mangaka4 geschafft."
Der Anbau aus Holz hinter dem Haus wirkte im Abendlicht fast wie aus einer romantischen Novelle. Die Fenster spiegelten das Licht der untergehenden Sonne, die Wände wurden von Grün überwuchert. Doch gerade hatte ich ein wichtigeres Problem.
"Entschuldigung, wo sind die Toiletten?"
"Das Plumpsklo ist hinten am Waldrand, du musst immer etwas Kalk nachstreuen, wenn du es benutzt hast. Frisches Wasser bekommst du neben dem Anbau an der Pumpe. Was ist eigentlich mit dem Apfel? Willst du Wilhelm Tell spielen?"
Nishizawa interessierte sich scheinbar für europäische Literatur. Den Apfel hatte ich die ganze Zeit in der Hand gehalten und doch völlig vergessen.
"Ein Mitreisende im Bus hat ihn mir gegeben. Sie hat ebenfalls Haiku gedichtet. Ihr Name war Itsuko Yasumi."
"Oh, Itsu studiert auch hier, sie wohnt aber im Ort bei ihren Eltern. Du wirst sie morgen wiedersehen."
Ich steckte den Apfel weg und nutzte das erste Mal in meinem Leben ein Plumpsklo. Der Riegel an der Tür klemmte etwas. Draußen waren die Vögel zu hören. Nun begriff ich, wieso Itsuko davon ausgegangen war, dass wir uns wiedersehen würden, und wieso sie mir wie selbstverständlich Haiku vorgetragen hatte. Ich hatte ihr ja erzählt, dass ich hier studieren wollte. Das Konzept von Haiku-Manga, die in der Regel ein Haiku in einen Manga mit wenigen Bilder umsetzten, war mir aus meinen Recherchen zu japanischen Manga bekannt, mein Arbeitgeber hatte sich dafür aber nie interessiert. Ich war mir sicher, dass er das 'H' in der gleichen Weise, wie ich, interpretiert hatte.
Als ich zurückkam war Nishizawa bereits hinein-gegangen. Sie stand in einem Raum unten rechts, der wohl als Küche diente.
"Ich gieße Tee auf, willst du auch einen Becher?"
"Danke."
Der Tee war heiß.
"Dein Zimmer ist oben."
Das Zimmer war einfach eingerichtet, ein Bett, eine kleine Kommode, ein Schreibtisch, zwei Stühle, ein Schrank und ein kleiner Tisch. Ich legte mich kurz auf das Bett. Was sollte ich tun? Machte es Sinn, hierzu bleiben?
Als ich wieder aufstand, war es bereits fast dunkel. In der Küche saß noch immer nur Nishizawa und aß.
"Wenn du auch etwas essen möchtest, im Schrank ist eine große Auswahl an Instant-Nudeln unterschiedlicher Geschmacksrichtungen und dort ist ein Wasserkocher. Die Nudeln sind im Preis der Unterbringung inbegriffen."
Das 'hochwertige abwechslungsreiche Essen' erinnerte ich mich.
"Nein, zuerst würde ich gerne telefonieren, ich habe aber nirgends Empfang. Gibt es hier ein Festnetz?"
"Nein, aber oben auf dem alten Turm des Hauptgebäudes hast du einwandfreien Empfang. Die Türen stehen alle offen."
Im Hauptgebäude war es so dunkel, dass ich zuerst gar nichts sah. Die Lichtfunktion meines Smartphones funktionierte aus irgendeinem Grund bereits seit Wochen nicht mehr. Zum Glück gewöhnten sich meine Augen schnell an Dunkelheit. Nach kurzer Zeit konnte ich alles Wesentliche erkennen. Hier war alles so baufällig, dass ich nur hoffen konnte, dass die Treppe nicht unter mir zusammenfallen würde. Trotz der Dunkelheit fand ich den Zugang zum Turm im ersten Stock, ohne mich zu verirren. Nur die Geräusche, die aus dem Dunkel der Zimmerfluchten tönten, krochen mir kalt den Rücken hinunter. In den dunklen Fluren hallten meine Schritte wider und von irgendwoher mischte sich unter diesen Ton unregelmäßig ein zweites, ähnliches Geräusch, als wäre ich nicht allein. Auf einmal erklang aus dem Nichts eine Stimme, hohl klingend in dem hohen Raum.
"Der Tod geht dort
im wallenden Gewand,
grüß ihn von mir."
Ein schwarzer Schatten näherte sich mir. Nirgendwohin konnte ich ausweichen, kein Ausweg blieb. Mein Herzschlag schien alles zu übertönen.
"Ich war mir nicht sicher, ob du den Aufgang zum Turm finden würdest, deshalb bin ich dir gefolgt. Aber du musst ja nur noch die Treppe hoch. Ich gehe dann wieder zurück."
Erst jetzt erkannte ich das Gesicht von Kita Nishizawa. Gleich darauf war ich wieder im Dunkeln, allein mit den Geräuschen des Windes. War es der Wind? Nishizawas Gesicht war ausdruckslos gewesen, hatte sie das absichtlich gemacht?
Ich beeilte mich, die Treppe hinaufzusteigen. Endlich hatte ich das Turmzimmer erreicht, diesmal bekam ich sofort ein Signal.