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KAPITEL 3
ОглавлениеBeschwingt lief Kate die Steintreppe des Museum of Modern Art hinab. Sie fühlte sich inspiriert und voller kreativer Energie. Fast jeden Sonntag besuchte sie eines der unzähligen Kunstmuseen von New York. Irgendwann, so hoffte sie, würde sich auch eines ihrer Kunstwerke in einer dieser ehrwürdigen Hallen wiederfinden. Vorausgesetzt natürlich, sie vollendete endlich eines. Sie schlenderte die Straße in Richtung U-Bahn-Station entlang. In ihrem Kopf schwirrten Visionen von Bildern, die nur darauf warteten, von ihr verwirklicht zu werden. Plötzlich riss sie lautes Hundegeknurre aus ihren Tagträumen. Vor einem Müllcontainer zwischen zwei Häusern, hatten sich einige Straßenköter versammelt, die einen Mann, der auf dem Container balancierte, bedrohlich anknurrten. Obwohl sie das Gesicht des Mannes nicht richtig erkennen konnte, da es im Schatten des angrenzenden Hauses lag, zeigte seine Haltung unverkennbar große Angst.
Kate sah sich um und hob dann ein paar Steine vom Gehweg. »He, macht, dass ihr da wegkommt!« Sie warf die Steine gegen die Wand des metallenen Containers und das laute klirrende Geräusch sowie einzelne Treffer auf ruppigem Fell, ließen die Meute auseinanderpreschen. Kate lief auf den Container zu und der Mann sprang herunter. »Sind Sie okay?« »Ja, danke. Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben. Ich weiß gar nicht, was die Biester von mir wollten«, antwortete eine tiefe, männliche Stimme, deren melodischer, sanfter Klang, Kates Sinne sofort aufhorchen ließ. Der Unbekannte trat aus dem Halbdunkeln und lächelte.
Kate stockte der Atem. Noch nie hatte sie einen so schönen Mann gesehen. Er überragte sie um einen halben Kopf. Sein braunes, leicht gewelltes Haar hing ihm lässig ins Gesicht. Unter schwarzen, langen Wimpern glänzten sie blaue Augen freundlich an. Sein strahlendes Lächeln entblößte eine Reihe makelloser weißer Zähne. Er sagte etwas. Zumindest sah Kate seine Lippen sich bewegen, doch der Sinn seiner Worte wollte nicht bis zu ihr vordringen. Dann beugte er sich zu ihr, sein Gesichtsausdruck wurde ernst. »Ich habe das Gefühl, dass es Ihnen im Gegensatz zu mir nicht allzu gut geht. Alles in Ordnung?« Kate stieß hörbar die Luft aus ihren Lungen. »Äh, ja, doch.« Eine ihr alt bekannte Wärme stieg in ihre Wangen und ihre Finger nestelten nervös an dem Schulterriemen ihrer Handtasche. »Sind Sie gebissen worden?«, stieß sie hervor, die eigene Stimme in ihren Ohren ein wenig zu schrill. »Nein, das nicht. Aber ich muss zugeben, dass ich Angst vor Hunden habe und das spüren sie wohl.« Verlegenheit spiegelte sich auf seinem Gesicht. »Nun ja, es ist Ihnen zum Glück nichts passiert.«
Sag doch etwas, stehe hier nicht so rum. So eine Chance bekommst du nie wieder. Gib ihm deine Telefonnummer oder nein noch besser, frag nach seiner, ach...
»Darf ich Sie denn als Dankeschön zu einem Kaffee einladen?« Fragend hob er eine Augenbraue und neigte den Kopf leicht zur Seite. »Oh, gerne.« »Freut mich, dass Sie meine Einladung annehmen. Wäre es Ihnen recht, wenn Sie das Lokal vorschlagen würden? Ich kenne mich in New York nicht so gut aus.«
»Sie sind nicht von hier?«
»Ich dachte, das hätten Sie schon an meinem Akzent gehört«, lachte er.
»Ja, ich konnte ihn nur nicht einordnen. Aber jetzt wo Sie es sagen. Sind Sie vielleicht Engländer?« Wieder ertönte das melodische, erfrischende Lachen. «Genau, Sie haben es erraten. Ich komme aus England. Übrigens, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Sam Saveal.« Er reichte ihr die Hand, Kate ergriff sie und ein warmes Prickeln breitete sich über ihrem Arm aus. »Ich bin Kate. Kate Wilson.« Sie hätte seine Hand am liebsten nicht mehr losgelassen. Er strich sich durch die Haare. »Also, wohin nun, Mrs. Wilson?«
»Ach ja, ähm, ich kenne ein nettes Café, nicht weit von hier. Wir können bequem zu Fuß dort hingehen.«
Das Café war voller Gäste. Kate wurde von der Bedienung mit einem missmutigen Blick gestreift, während sie einen freien Tisch am Fenster ansteuerte. Sam Saveal kreuzte das Blickfeld der Kellnerin und auf ihrem Gesicht erschien ein breites Lächeln. »Was darf ich Ihnen bringen?«, fragte sie freudestrahlend und ließ den jungen Mann nicht aus den Augen. »Zwei Kaffee, bitte«, sagte Kate bestimmt und mit einem gereizten »Ja, gerne«, verließ die Kellnerin den Tisch.
»Oh, entschuldigen Sie, Sam, ähm Mr. Saveal, ich war etwas zu voreilig mit der Bestellung. Schließlich ist die Einladung ihre Idee gewesen.«
»Kein Problem, ich trinke gerne Kaffee. Angesichts der Umstände unseres Kennenlernens finde ich, könnten wir uns doch beim Vornamen nennen. Schließlich haben Sie mich aus einer sehr misslichen Lage befreit und hier in den USA ist es doch so üblich. Bist du einverstanden, Kate?« Ihr Name hatte sich noch nie so gut angehört, wie jetzt. »Natürlich, Sam.«
»Ich würde gerne mehr von meiner Retterin erfahren. Wohnst du direkt in New York? Was machst du denn so den ganzen Tag?«
»Ich wohne in Brooklyn, in einem Zwei-Zimmer-Apartment. Nach New York bin ich vor vier Jahren gezogen. Hatte hier ein Kunststudium angefangen.«
»Aha, das klingt interessant. Und warum gerade die Kunst?«
»Ich habe schon als Kind gemerkt, dass ich liebend gern male. In meinem Kopf schwirren so viele Bilder und die wollen einfach nur raus. So dachte ich mir, wäre doch nicht schlecht, wenn ich das Malen und Zeichnen wie ein Handwerk erlernen könnte, um endlich meine Vorstellungen klar und deutlich auf die Leinwand zu bringen. Und wenn ich noch von der Bildenden Kunst leben könnte, das wäre das Größte für mich. Aber dann...« Sie verstummte und schluckte.
»Was dann? Was ist das große »Aber«?«
»Eines Tages bin ich in das Metropolitan Museum of Art gegangen und als ich diese Meisterwerke von wirklich großen Künstlern gesehen habe, da wusste ich, mir wird nie so etwas Großartiges gelingen. Ich werde es nie schaffen, meinen Broterwerb allein mit Ausstellungen meiner Gemälde zu bestreiten. Meine Eltern hatten recht. Ich bin eine Träumerin.«
Sams Blick war warm und voller Mitgefühl. »Das ist ja schade. Ich bewundere Menschen, die über ein besonderes Talent verfügen. Sie sind in der Lage mit ihrer Kreativität neue Welten zu erschaffen. Das ist etwas, was mir völlig fremd ist.«
»Ach was, jeder Mensch hat doch eine Begabung. Ich bin sicher, du auch.«
»Ja, vielleicht hast du recht. Man könnte sagen, dass meine Stärke in dem Beobachten von Menschen und dem Erkennen von Zusammenhängen liegt. Ja, ich denke, so könnte man es am besten umschreiben.«
»So? Und was machst du nun genau? Beruflich meine ich.« fragte Kate neugierig.
Sam drehte sich halb auf dem Stuhl um und winkte der Bedienung, die ihn die ganze Zeit von der Theke aus beobachtet hatte. »Könnten wir noch zwei Kaffee bekommen?«
»Aber natürlich, sofort.«, antwortete die Kellnerin. »Möchten Sie vielleicht noch einen Donut dazu?« Sam schüttelte den Kopf. »Schade! Wir haben die besten Donuts weit und breit und ich persönlich kann nicht von ihnen genug bekommen.« Während sie mit den zwei Tassen Kaffee auf die beiden zu stolzierte, ließ sie ihre Hüften so aufreizend hin und her schwingen, dass es Kate übel wurde.
»Und deine Familie?« Sam nahm einen vorsichtigen Schluck von dem heißen Gebräu und warf Kate einen fragenden Blick zu. »Vermisst du die denn nicht, so allein in dieser Wahnsinnsstadt?« Kate nippte ebenfalls an ihrer Tasse und verbrannte sich den Gaumen. »Doch, schon. Es kommt auch manchmal vor, dass ich Heimweh habe. Allerdings gibt es hier so viele Möglichkeiten, sich zu zerstreuen, dass ich mich regelmäßig aus meinem Tief herausziehe.« Vorsichtig betastete sie mit der Zunge ihren Gaumen und zuckte zusammen, als sie die kleine Brandblase berührte. Das ist doch mal wieder typisch, so etwas kann nur mir passieren.
Sam lächelte sie an und der stechende Schmerz war wie weggeblasen. »Und dir, wie gefällt es dir als Engländer in dieser Stadt, die niemals schläft?« Er lachte und fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes Haar. »Es haut mich um. So viele Menschen, die alle geschäftig hin und her laufen und man fragt sich unwillkürlich, ob sie wirklich alle ein Ziel haben. Dann diese Unmengen von Wolkenkratzern, bei denen man glaubt, sie wollten in den Himmel wachsen, gerade so, wie der legendäre Turm zu Babel. New York wirkt auf mich wie ein riesiger Ameisenhaufen.« Kate nickte. »Ja die Beschreibung passt. Manchmal versuch ich mir die Schicksale der einzelnen Menschen vorzustellen. Hinter jeder Tür verbirgt sich ein Geheimnis und man weiß nichts davon. Eines Tages werde ich auch die richtige Tür finden, hinter der mein Schicksal auf mich wartet. Ich glaub fest daran. Denn irgendwie kann das doch nicht alles sein: Arbeiten, Essen, Schlafen. Irgendwo muss doch das »Richtige Leben« auf mich warten.«
Kate erzählte ihm von ihrem letzten Abenteuer in der Karaoke Bar und beide lachten. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »So, jetzt hast du dich aber genug über meine verbaute Gesangskarriere amüsiert«, sie zwinkerte ihrem charmanten Gegenüber zu und eine leichte Röte breitete sich über ihre Wangen aus. »Ich würde zu gerne mal deine Gesangskünste hören.« Sam schloss kurz die Augen, dann öffnete er sie abrupt und der intensive, meerblaue Blick traf Kate mitten ins Herz. »Eines meiner Lieblingslieder ist »Beangeled«. Ich glaube kaum, dass Du es kennst, aber ich denke, es wird dir gefallen.« Er räusperte sich kurz:
»Angel, can you feel the morning…love is here to stay, just a kiss away. Angel… can you see the sunlight…Love is just a kiss away...«
Kate fühlte sich von seiner sanften Stimme und der schwingenden Melodie des Liedes komplett eingehüllt. Sie war wie losgelöst von der Welt, zwei Herzschläge lang schienen nur sie und der wunderschöne Mann zu existieren.
»Ähm«, die raue Stimme der Kellnerin holte sie brutal in die Realität zurück. »Wir machen gleich Feierabend. Könnten Sie bitte Ihre Rechnung begleichen?« Dabei ruhten ihre Augen sehnsüchtig auf Sam.
Dann war es soweit. Sie standen draußen, die Tür des Cafés wurde von innen verschlossen und Kate wusste, dass sie sich gleich trennen würden.
Sag doch endlich etwas, eine solche Chance bekommst du nie wieder im Leben.
Verlegen trat sie von einem Bein auf das andere und spielte an dem Verschluss ihrer Handtasche. »Es war schön, sich mit dir zu unterhalten, Kate.« Mit offenem Blick lächelte Sam sie an. »Es würde mich freuen, wenn wir uns noch besser kennenlernen würden. Darf ich dich in den nächsten Tagen anrufen?« Erleichtert atmete Kate aus und lachte. »Na klar, es war wirklich nett heute. Hier ist meine Karte.« »Danke. Im Austausch bekommst du auch eine Visitenkarte von mir.« Seine kurze Berührung war wie ein elektrischer Schlag und ließ Kates Herz schneller schlagen.
Sein Name war mit goldenen Lettern in teures Papier graviert, darunter stand: Freier Journalist. Seltsam, sie hatten gar nicht über seinen Beruf gesprochen. Fast die ganze Zeit hatte Kate nur von sich geredet und er hatte interessiert zugehört. »Okay, danke, Sam. Also dann, ruf mich an, wenn du magst.« »Bestimmt und komm gut nach Hause.«
Zuhause angekommen, bekam die Visitenkarte sofort einen Ehrenplatz an ihrer Pinnwand. Kate legte die neue CD von Pink ein und tanzte wie wild durch ihre kleine Wohnung. Bangla und Desh verkrümelten sich hinter dem Sofa und ließen ihren offenbar verrückt gewordenen Menschen nicht mehr aus den Augen.
Sie musste ein wenig runterkommen, sonst würde sie diese Nacht kein Auge zumachen. Außer Atem ließ sich Kate auf die Couch fallen, schnappte sich ihren Laptop, der griffbereit in der Sofaecke auf sie wartete und öffnete ihre Emails. Außer den üblichen Werbemails für Dinge, die sie eh nicht brauchte und wollte, war nichts Wichtiges dabei. Nachdem sie noch bei Facebook reingeschaut hatte, klickte sie die Video Online News an. Mal sehen, was sich heute alles so ereignet hat.
»Gestern Nacht ist auf Long Island ein grausames Verbrechen verübt worden. Das Opfer, ein berüchtigter Boss aus dem Rotlicht-Milieu, namens Rob Crossing, dessen Tätigkeitsbereich vorwiegend in der Prostitution und Pornoindustrie lag, sowie seine Leibwächter und ein bis dahin noch nicht identifizierter Mann, wurden tot in der Crossing Villa aufgefunden. Nachbarn haben gestern die Polizei gerufen, als schreckenserregende Schreie aus dem Haus zu hören waren. Die Polizei vermutet einen Racheakt des organisierten Verbrechens, da die Tat eine unglaubliche Brutalität aufweist.« Kate stoppte das Video. Sie scrollte die Webseite runter bis zu dem öffentlichen Diskussionsforum für Nutzer des Video Online Dienstes. Flüchtig überflog sie die vorwiegend entsetzen Kommentare, als ihre Aufmerksamkeit bei dem Wort »Ritualmord« hängenblieb. Sie klickte den Beitrag an. Ein Internet-User, der unbedingt anonym bleiben wollte, behauptete, tiefer gehende Details über das Verbrechen zu kennen.
Der Tod der ausschließlich männlichen Opfer wäre allesamt durch Genickbruch herbeigeführt worden. Der Kopf des Mafiabosses sei um 180° Grad verdreht gewesen, was wiederum ein Indiz für einen Ritualmord sein könnte. Bei der Obduktion der Leiche hatte man in ihrem Magen den Speicherchip eines Laptops gefunden, auf dem die Polizei unter anderem kinderpornografisches Material sichergestellt hatte. Die oder der Täter hätten keine nennenswerten Spuren am Tatort hinterlassen.
Kate wurde es übel und sie schüttelte angewidert den Kopf. Entschlossen klappte sie den Laptop zu. So einen schönen Tag wollte sie sich nicht verderben lassen. Sam! Ob er sie wirklich anrufen würde? Hoffentlich! Aber was konnte so ein toller Typ schon an ihr finden? Alleine sein Name, Sam Saveal, klang wie eine Verheißung.
Diese Nacht brachte Kate einen traumlosen Schlaf, aus dem sie am nächsten Morgen erfrischt aufwachte.