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b) Evokation der Steuerstrafsache durch die Staatsanwaltschaft

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Nach § 386 Abs. 4 S. 2 AO kann die StA ein Steuerstrafverfahren, das die FinB als selbstständige Ermittlungsbehörde führt, jederzeit an sich ziehen.[8] In diesem Fall steht die Evokation im pflichtgemäßen Ermessen der StA. Das umfassende Evokationsrecht bildet das Pendant zur Abgabebefugnis und ist nicht durch Verwaltungsvorschriften einschränkbar.[9] Nach h.M. kann die StA auch noch von ihrem Recht gem. § 386 Abs. 4 S. 2 AO Gebrauch machen, wenn die FinB einen Strafbefehlsantrag gestellt hat und in diesem Zusammenhang Unstimmigkeiten mit dem Gericht bspw. wegen der Begründetheit des Antrages bestehen.[10] Solange also die FinB gem. §§ 386 Abs. 2, 399, 400, 406 AO als selbstständige Ermittlungsbehörde handelt, kann die StA die Steuerstrafsache evozieren. Eine zeitliche Begrenzung des Evokationsrechts auf das Ermittlungsverfahren ist angesichts der umfangreichen prozessualen Rechte der StA nicht anzunehmen. Eine Evokation kommt insbesondere in Betracht, wenn die Steuerstraftat mit einer anderen Straftat des Beschuldigten gem. § 3 StPO zusammenhängt, sie von besonderer Bedeutung ist und/oder einen besonderen Umfang erreicht, oder gegen den Beschuldigten bereits in einer anderen Sache ermittelt wird und eine gemeinsame Anklage der Taten für zweckmäßig erachtet wird.

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Die Evokation als solche kann ausdrücklich z.B. durch Anforderung der Ermittlungsakte und Eintragung der Sache als Js-Sache mittels einer Verfügung, dass die Sache evoziert werde, oder durch konkludentes Verhalten geschehen. Danach kann die StA entweder die Ermittlungen selbst einleiten oder in einem laufenden Ermittlungsverfahren selbst eine Ermittlungsmaßnahme z.B. eine staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmung durchführen. Weder der Beschuldigte noch die FinB können sich gegen die Ausübung des Evokationsrechts mittels eines förmlichen Rechtsbehelfs zur Wehr setzen.[11] Dies ergibt sich bereits aus der „umfassenden“ Ermittlungskompetenz der StA, welche durch die Ausnahmeregelung des § 386 Abs. 2 AO (selbstständige Ermittlungskompetenz der FinB) seine Bestätigung findet.

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Die Ausübung des Evokationsrechts setzt voraus, dass die StA von der Steuerstrafsache Kenntnis erlangt (vgl. hierzu Nr. 140 Abs. 1 AStBV). Eine gesetzliche oder generelle Verpflichtung der Unterrichtung der StA besteht nicht.[12] Erfahrungsgemäß beanspruchen die Ermittlungen umfangreicher Steuerstrafverfahren angesichts ihrer Komplexität oftmals einen langen Zeitraum. In der Praxis sollte im Sinne einer effektiven Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität eine enge Zusammenarbeit zwischen der FinB und der StA angestrengt bzw. angestrebt werden. Tatsächlich hängt die Art und Weise der Zusammenarbeit vom Engagement der jeweils zuständigen Beamten ab. Auch mit Blick auf die Vollstreckungslösung des Großen Strafsenats des BGH 17.1.2008 – GSSt 1/07, sollte eine möglichst frühzeitige Unterrichtung der StA erfolgen, um Verfahrensabläufe rechtzeitig einsteuern und optimieren zu können.[13]

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Die FinB hat die Zusammenarbeit mit der StA ihrerseits ausdrücklich in Nr. 140 Abs. 1 AStBV geregelt. Danach soll die Zusammenarbeit durch regelmäßige Kontaktgespräche gefördert werden. Gegenstand dieser Gespräche sollen sowohl die an die StA abzugebenden oder von dieser zu übernehmenden Strafsachen als auch Erwägungen einer einheitlichen Strafzumessungspraxis sein (vgl. auch RiStBV Nr. 267 Abs. 2). Die Bearbeitung einer Steuerstrafsache im Benehmen mit der StA ist in jedem Fall angezeigt, wenn eine Übernahme durch die StA trotz einer bei ihr anhängigen Zusammenhangstat nicht erfolgt (Nr. 140 Abs. 3, Nr. 22 Abs. 1 Nr. 4 AStBV). Die FinB ist angesichts des ausdrücklich geregelten Evokationsrechts der StA nach § 386 Abs. 4 S. 2 AO und der Möglichkeit der Abgabe der Steuerstrafsache nach § 386 Abs. 4 S. 1 AO nicht durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) an der Unterrichtung oder Übersendung der Akten an die StA gehindert, soweit es sich um ausschließliche Steuerstraftaten i.S.d. § 369 AO oder gleichgestellte Straftaten handelt und die bereits geschilderten Abgabegründe gegeben sind.[14] Sowohl die Abgabe als auch die Evokation dienen gerade der Verfolgung der Steuerstraftat nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO.

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Erlangt die FinB Erkenntnisse über nichtsteuerliche Straftaten, die nicht tateinheitlich mit dem Steuerdelikt verwirklicht wurden, ist eine Mitteilung oder Offenbarung an die StA nur in den Grenzen des § 30 Abs. 4 und 5 AO sowie des § 393 AO möglich.

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Hat die StA die Steuerstrafsache übernommen, verliert die FinB bzw. BuStra ihre selbstständige Ermittlungskompetenz i.S.d. § 386 Abs. 2 AO. Sie behält jedoch ihre polizeilichen Rechte nach § 402 Abs. 1 AO sowie ihre Beteiligungsrechte nach § 403 und § 407 AO (vgl. Rn. 11 f., 46 ff., 48, 49 ff., 55 ff.). Der Beschuldigte erhält nach Übernahme des Steuerstrafverfahrens durch die StA eine Mitteilung über die fakultative Zuständigkeitsänderung, sofern ihm die Einleitung des Strafverfahrens bereits bekanntgegeben worden ist. Welche Folgen sich für die FinB nach Abgabe der Steuerstrafsache an die StA ergeben, wird unter Rn. 46 ff. dargestellt.

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