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4. Kapitel Verfahren bei SteuerdeliktenVII. Besonderheiten bei Steuerstrafverfahren › 1. Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren

1. Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren

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Neben der Doppelfunktion der Steufa (vgl. Rn. 4, 7 f.), dem Durchsichtsrecht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen nach § 404 S. 2 AO (vgl. Rn. 64), der Verteidigerstellung des Steuerberaters (vgl. Rn. 36), dem Wegfall des Erstbefragungsrechts (vgl. Rn. 10), der unmittelbaren Anforderung von Bankauskünften durch die Steufa (vgl. Rn. 13) sowie der Ermittlungsmöglichkeit der FinB im gesamten Bundesgebiet (vgl. Rn. 12) ist eine weitere Besonderheit im Steuerstrafverfahren, dass das Besteuerungsverfahren und das Strafverfahren parallel nebeneinander weiterlaufen (vgl. Nr. 16 AStBV). In beiden Verfahren hat der Beschuldigte unterschiedliche Rechte und Pflichten (§ 393 Abs. 1 S. 1 AO). Im Besteuerungsverfahren ist der Beschuldigte nach Einleitung des Strafverfahrens gem. § 90 AO weiterhin zur Mitwirkung verpflichtet. Dies steht dem im Strafverfahren geltenden Nemo-tenetur-Prinzip, wonach sich niemand selbst belasten muss, entgegen. Nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO ist der Beschuldigte trotz des laufenden Ermittlungsverfahrens weiterhin zur Mitwirkung verpflichtet, jedoch können keine Zwangsmittel gem. §§ 328 ff. AO (Zwangsgeld, Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang) eingesetzt werden, wenn die Mitwirkung zu einer Selbstbelastung führen würde. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Beschuldigte zwar tatsächlich ein Mitwirkungs- oder Auskunftsverweigerungsrecht hat, aber die ggf. nachteilige steuerrechtliche Folge der Schätzung gem. § 162 AO hinnehmen muss.[1]

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Nachdem dem Steuerpflichtigen die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben wurde, wird eine wegen des Verdachts eines Steuerdelikts unterbrochene BP fortgesetzt, die nicht selten wegen des oben unter Rn. 62 beschriebenen Dilemmas mit einer im Besteuerungsverfahren ungünstigen Hinzuschätzung gem. § 162 AO endet.[2] In einem Steuerstrafverfahren ist eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss sind.[3] Eine Schätzung darf jedoch in keinem Fall Sanktionscharakter aufweisen. Eine Hinzuschätzung mit Sanktionscharakter ist wegen der dem Beschuldigten zustehenden Mitwirkungsverweigerung unzulässig.[4] Schätzungen müssen sachgerecht und angemessen sein, d.h. sie müssen den wahrscheinlichsten Besteuerungstatbestand widerspiegeln. Eine pauschale Schätzung, auch unter Heranziehung der Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen,[5] kann erst dann Anwendung finden, wenn sich eine konkrete Ermittlung oder Schätzung der tatsächlichen Umsätze von vorneherein oder nach entsprechenden (darzulegenden) Berechnungsversuchen als nicht möglich und fehlerbehaftet erweist.[6] Nach Anforderung der Rspr. müssen aber auch bei dieser Schätzungsmethode die festgestellten Umstände des Einzelfalles mit in den Blick genommen werden. Ein Tatgericht muss sich bei der Beweiswürdigung zum Rohgewinnaufschlagsatz einerseits nicht zugunsten des Angeklagten an den unteren Werten der Richtsatzsammlung orientieren, wenn es Anhaltspunkte für eine positivere Ertragslage zu erkennen vermag.[7]Andererseits darf das Tatgericht bei verbleibenden Zweifeln nicht einfach einen als wahrscheinlich angesehenen Wert aus der Richtsatzsammlung zugrunde legen, sondern muss einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang feststellen.[8]

In keinem Fall dürfen Sicherheitszuschläge strafrechtlich vorgeworfen werden, obgleich sie steuerrechtlich zulässig sind. Mit Blick auf die Anforderungen der Rspr. an verurteilende Entscheidungen müssen Schätzungen der BP im Steuerstrafverfahren besonders überprüft und oftmals mit Abschlägen überarbeitet werden (vgl. Nr. 127 Abs. 2 S. 4 AStBV). Denn letztendlich muss es dem Gericht ermöglicht werden, neben der Steuerpflicht und den sonstigen Tatbestandsmerkmalen des Steuerdelikts, sowohl die Summe der vorsätzlich verkürzten Steuern so genau wie möglich festzustellen als auch den Berechnungsweg in einem Urteil revisionssicher darlegen zu können.[9] Dies ist auch für den Fall, dass der Angeklagte den Vorwurf einer Steuerhinterziehung dem Grunde und der Höhe nach vollständig einräumt.[10]

Trotz der Parallelität des Besteuerungs- und Strafverfahren stehen beide in einer gewissen Abhängigkeit zueinander. I.d.R. wird die FinB das Steuerstrafverfahren erst abschließen, wenn das Besteuerungs- bzw. Veranlagungsfinanzamt aufgrund des vorliegenden Betriebsprüfungs- oder Steuerberichts Änderungsbescheide erlassen und bekannt gegeben hat. Ab diesem Zeitpunkt wendet sich erfahrungsgemäß der Blick des Veranlagungsfinanzamtes nach einem Einspruch gegen die Änderungsbescheide i.d.R. wieder dem Strafverfahren zu, sofern es nicht um die Festsetzung der Steuer dem Grunde nach geht. Im Strafverfahren wird eine rechtskräftige Entscheidung – von Ausnahmen abgesehen – erfahrungsgemäß früher zu erzielen sein als im finanzgerichtlichen Verfahren.

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