Читать книгу Schulsozialarbeit in der Schweiz (E-Book) - Ueli Hostettler - Страница 14
2.1.3 Organisation der Schulsozialarbeit in der Deutschschweiz
ОглавлениеAufgrund der heterogenen Ausgangslagen und des unterschiedlichen Bedarfs wird die Schulsozialarbeit seit den Anfangsjahren vor allem auf kommunaler Ebene eingeführt (Baier, 2011a; Ziegele, 2014). Die Gestaltungs- und Entscheidungskompetenz liegt mehrheitlich bei den Gemeinden; Kantone werden erst aktiv, wenn mehrere Gemeinden eines Kantons Schulsozialarbeit einführen und beim Kanton um Unterstützung ersuchen (Baier, 2011a). Dass die Autonomie und Gestaltungsfreiheit bei den Gemeinden liegen, hat den Vorteil, dass sich die Schulsozialarbeit den regionalen Eigenheiten besser anpassen und ihre Angebote dem lokalen Bedarf entsprechend ausrichten kann. Auf der anderen Seite erschwert die resultierende Vielfalt gleichzeitig eine national einheitliche Ausrichtung und Profilbildung der Schulsozialarbeit (Baier, 2011a; Ziegele, 2014).
Ein Aspekt dieser Vielfalt sind die verschiedenen Trägermodelle. Auf kantonaler, regionaler oder kommunaler Ebene ist die Schulsozialarbeit entweder einer öffentlichen Sozialverwaltung oder einer Schulverwaltung oder auch direkt einer Schule angegliedert. An einigen Standorten gibt es Formen der doppelten Anbindung, bei der die Schulsozialarbeit fachlich an die Sozialverwaltung angebunden ist und personell von der Schule oder der Schulverwaltung geführt wird (Gschwind, 2014; Wulfers, 1996). Ausserdem kann die Schulsozialarbeit einem nichtstaatlichen Träger aus dem Sozialbereich unterstellt werden (z.B. Vereine, freie Zweckverbände, Sozialfirmen) (Iseli, Stohler, 2012). Im Vergleich etwa zur Situation in Deutschland sind solche Trägerformen in der Schweiz aber sehr selten.
Die unterschiedlichen Versorgungsmodelle sind ein weiterer Aspekt der organisatorischen Vielfalt von Schulsozialarbeit. Die Schulsozialarbeit kann je nach regionalen und strukturellen Verhältnissen in integrierter oder ambulanter Form in den Schulen arbeiten (Iseli, Grossenbacher, 2013). Bei einem integrierten Versorgungsmodell ist die Schulsozialarbeit räumlich in eine Schule integriert. Die Schulsozialarbeitenden sind regelmässig und mit einem grösseren Stellenpensum vor Ort präsent, was einen niederschwelligen Zugang für Nutzerinnen und Nutzer der Schulsozialarbeit begünstigt. Bei einem ambulanten Versorgungsmodell werden meist mehrere kleine Schulstandorte von einer zentralen Stelle aus mit Dienstleistungen versorgt. Es gibt regelmässige Sprechstunden und Kontakte vor Ort; Präsenzzeiten und Leistungsangebot sind in der Regel aber zeitlich und umfangmässig eingeschränkter als bei einem integrierten Versorgungsmodell. Beide Versorgungsmodelle – integrierte wie ambulante – setzen allerdings angemessene räumliche Bedingungen für eine effektive Schulsozialarbeit voraus. Dazu gehört, dass die Schulsozialarbeitenden über ein eigenes Büro und/oder störungsfreie, nicht einsehbare Räumlichkeiten an den Schulen verfügen. Diese Räumlichkeiten sollten in der Schule zentral gelegen sein, damit ein direkter und möglichst niederschwelliger Zugang für Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen und Eltern gewährleistet werden kann (Iseli, Grossenbacher, 2013; Speck, 2009).
Weitere Voraussetzungen, die in der Literatur für den Erfolg der Schulsozialarbeit hervorgehoben werden, sind professionelle Neutralität und fachliche Unabhängigkeit von der Schule. Sie erlauben der Schulsozialarbeit, ein eigenständiges Profil herauszubilden (Speck, 2009; Wulfers, 1996). Gleichzeitig ist aber eine gute Integration der Schulsozialarbeit ins System Schule unerlässlich. Eine solche zeichnet sich durch die sorgfältige Einführung der Schulsozialarbeit ins Kollegium, die Sicherstellung des Informationsflusses zwischen allen Beteiligten, das Vorhandensein von Gefässen für den Austausch und von klaren Abläufen und Verantwortlichkeiten aus. Insofern bewegt sich die Schulsozialarbeit immer in einem gewissen Spannungsfeld. Auf der einen Seite braucht sie Unabhängigkeit, andererseits auch Nähe zur Schule und Akzeptanz beziehungsweise Unterstützung bei Schulleitungen und Lehrpersonen (Iseli, Grossenbacher, 2013). Um vor diesem Hintergrund Unsicherheiten und Konflikte zu vermeiden, empfiehlt die Fachliteratur, die Kooperation zwischen Schulsozialarbeit und Schule verbindlich zu regeln. Dazu gehören beispielsweise gegenseitige schriftliche Vereinbarungen über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten, Verfahrensabläufe bei Konflikten und im Umgang mit sozialen Problemen sowie zur Einbindung der Schulsozialarbeit in die Schulentwicklung. Empfohlen werden regelmässige Planungs- und Reflexionsgefässe, die Schulsozialarbeit, Schulleitung und Lehrpersonen zusammenbringen (AvenirSocial, 2006a; Iseli, Grossenbacher, 2013; Speck, 2009). Solche Vereinbarungen und Strukturen sind nicht zuletzt auch deshalb wichtig, weil neben der Schulsozialarbeit noch andere Unterstützungsangebote im Kontext der Schule bestehen, wie etwa die Heilpädagogik oder Erziehungsberatung, die – zumindest auf den ersten Blick – ähnlich positioniert sind wie die Schulsozialarbeit (Wagner, Kletzl, 2013).
Angesichts der hohen Anforderungen an die Schulsozialarbeit sowie der Tatsache, dass es verschiedene Zielgruppen und Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner gibt, kommt den fachlichen Kompetenzen der Schulsozialarbeitenden eine hohe Bedeutung zu. Die beruflichen Anforderungen setzen eine abgeschlossene Ausbildung in Sozialer Arbeit auf Tertiärstufe voraus und zusätzlich den Besuch gezielter Weiterbildungen. Zudem verfügen die Schulsozialarbeitenden idealerweise bereits über Berufserfahrung in einem anderen Bereich der Sozialen Arbeit und im Umgang mit Kindern und Jugendlichen (AvenirSocial, Schulsozialarbeitsverband [SSAV], 2010b, o.J.).
In der Schweiz sind Angebote der Schulsozialarbeit mittlerweile in beinahe allen Schulformen und Stufen der obligatorischen Schulzeit vorhanden. In einigen Regionen ist es durchaus üblich, dass die Kinder vom Kindergarten oder den ersten beiden Jahren der Eingangsstufe bis zum Abschluss der obligatorischen Schulzeit durch Angebote der Schulsozialarbeit begleitet sind. Zunehmend etabliert sich die Schulsozialarbeit auch an Gymnasien und Berufsschulen. Die Angebote und Leistungen orientieren sich dabei an den verschiedenen Zielgruppen und am lokalen Bedarf. Es ist deshalb wenig erstaunlich, dass die einzelnen institutionalisierten Angebote von Schulsozialarbeit in ihrer Praxis unterschiedliche Profile herausgebildet haben. Sie setzen sich einmal aus unterschiedlichen Leistungsbereichen wie Prävention und Früherkennung, Beratung und Unterstützung, Information und Kooperation, Triage und Vernetzung zusammen, die zudem je unterschiedlich gewichtet werden. Der Grad der Mitwirkung der Schulsozialarbeit bei der Schulentwicklung unterscheidet sich ebenfalls.
Auf nationaler Ebene gibt es in der Schweiz zwei berufsständische Vertretungen der Schulsozialarbeit. Der Berufsverband AvenirSocial umfasst alle Handlungsfelder der Sozialen Arbeit. Für die Schulsozialarbeit haben sich auf nationaler Ebene bei AvenirSocial sowie in einzelnen Kantonssektionen Fachgruppen zur Schulsozialarbeit gebildet. Sie organisieren Veranstaltungen und setzen sich für die Profilierung des jungen Handlungsfeldes der Sozialen Arbeit ein. Parallel zu AvenirSocial ist der Schulsozialarbeitsverband (SSAV) entstanden, der als regionales Netzwerk im Raum Luzern gegründet wurde und sich heute ebenfalls zu einem nationalen Netzwerk für Schulsozialarbeitende weiterentwickelt hat. In den vergangenen Jahren haben beide Berufsverbände mit dem Ziel der Profilierung der Schulsozialarbeit insgesamt in mehreren Fragen und Projekten zusammengearbeitet. So wurden beispielsweise nationale Qualitätsrichtlinien für die Schulsozialarbeit von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe beider Berufsverbände überarbeitet und angepasst (AvenirSocial, Schulsozialarbeitsverband [SSAV], 2010a).