Читать книгу Schulsozialarbeit in der Schweiz (E-Book) - Ueli Hostettler - Страница 4
1 Einleitung 1.1 Zur Annäherung von Schule und Sozialer Arbeit
ОглавлениеDer soziale Wandel und die Herauslösung von Kindern, Jugendlichen und Eltern aus traditionellen Bindungs- und Versorgungsstrukturen bringen für alle Beteiligten neue Herausforderungen. Die Schulen sind dabei besonders gefordert, wenn mit den gesellschaftlichen Entwicklungen soziale Probleme einhergehen, die den Unterricht und den Schulbetrieb beeinträchtigen. Zunehmend haben daher Gemeinden und Kantone in der Schweiz in den letzten Jahren zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern sowie zur Entlastung der Schulen und Lehrpersonen Schulsozialarbeit eingeführt. Nach Drilling ist die Schulsozialarbeit ein «eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe, das mit der Schule in formalisierter und institutionalisierter Form kooperiert. Schulsozialarbeit setzt sich zum Ziel, Kinder und Jugendliche im Prozess des Erwachsenwerdens zu begleiten und sie bei einer befriedigenden Lebensbewältigung zu unterstützen» (Drilling, 2004, S. 95).
Mit der Zunahme von Schulen mit Schulsozialarbeit stellt sich generell die Frage nach der Ausgestaltung von Formen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen inner- und ausserschulischen Kooperationspartnerinnen und -partnern. Die Kantone haben in den letzten Jahren die Integration der Kinder und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen in die Regelklassen vorangetrieben; in den Schulhäusern haben sich neben der Schulsozialarbeit weitere spezialisierte Unterstützungsangebote (z.B. Logopädie, Heilpädagogik, Psychomotorik) etabliert. Die Schule hat sich also auch im Inneren weiter differenziert, was neue Anforderungen an die Arbeitsteilung und Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im schulischen Alltag stellt (Zürcher, Hostettler, Balmer, 2015). Darüber hinaus arbeiten Schulen zunehmend enger mit schulexternen Stellen wie der Erziehungsberatung und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe zusammen. Die Schulsozialarbeit hat dabei einen wichtigen Auftrag in der Triage und Vermittlung von Beratungs- und Unterstützungsressourcen (für den Kanton Bern z.B. Iseli, Grossenbacher, 2013).
Der grösste Teil der Forschung zur Schulsozialarbeit im deutschsprachigen Raum bezieht sich auf praxisorientierte Projekte im Bereich der Evaluationsforschung. Solche Studien befassen sich thematisch vielfach mit Konzepten und Leistungen von Einrichtungen der Schulsozialarbeit und basieren bezüglich der Wirkung der Schulsozialarbeit vor allem auf Einschätzungen betroffener Personengruppen. Auch Formen der Kooperation in der Schule und im Kontext der Jugendhilfe sind bisher mehrheitlich in konkreten Einzelfällen untersucht worden. Dieser Sachverhalt mindert das Verallgemeinerungs- und Explikationspotenzial der Forschung gerade auch mit Blick auf Fragen der interdisziplinären Kooperation der schulischen Akteurinnen und Akteure und der Formen der Nutzung aufseiten der Schülerinnen und Schüler.
Mit dem Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse in diesem Buch berichtet werden, soll zur Schliessung dieser Lücken beigetragen werden. Die nun vorliegende Wissensgrundlage erlaubt eine Gesamtsicht zum Stand der Schulsozialarbeit im deutschsprachigen Raum der Schweiz und liefert empirisch fundierte Antworten auf folgende Forschungsfragen:
Wie ist die Schulsozialarbeit in der Deutschschweiz organisiert und ausgestattet?
Welche Formen von Kooperation zwischen Schulsozialarbeitenden, Schulleitungen und Lehrpersonen sind tatsächlich zu beobachten?
Welches sind die Erfolgsfaktoren der interdisziplinären Kooperation?
Wer sind die Nutzerinnen und Nutzer der Schulsozialarbeit und wie nutzen sie deren Angebote?
Um diese Fragen beantworten zu können, wurden zwischen August 2016 und Dezember 2017 über 1000 Schulsozialarbeitende der gesamten Deutschschweiz kontaktiert und um ihre Teilnahme an der Studie gebeten. In einem zweiten Schritt wurden auch die Schulleitenden und Lehrpersonen zur Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit befragt. Für die Beantwortung der Fragen zur Nutzung und zu den Nutzerinnen und Nutzern von Schulsozialarbeit konnten weiter über 4000 Schülerinnen und Schüler aus 32 Schulen für eine schriftliche Befragung gewonnen werden. Die so generierten quantitativen Daten wurden anschliessend mit statistischen Methoden ausgewertet.
Im weiteren Verlauf des Buchs werden die Resultate der Forschung in drei Kapiteln schrittweise dargestellt und situiert. Um die Situierung zu unterstützen, befasst sich die Einleitung als Nächstes mit dem Forschungsstand und beschreibt anschliessend detaillierter unser Vorgehen bei der Forschung, die so gewonnenen Stichproben und die Datenanalyse.