Читать книгу Die Heirath im Omnibus - Уилки Коллинз, Elizabeth Cleghorn - Страница 4
Erster Band
Viertes Kapitel
ОглавлениеIn den Familien, deren Grundbesitz ein bedeutender genannt werden kann, ist die Person, welche sich am wenigsten mit dem Gedeihen der Angelegenheiten zu beschäftigen pflegt, die ihre Häuslichkeit am wenigsten liebt, die den alten Freunden des Hauses die wenigste Sympathie bezeigt, die sich am geneigtesten zeigt, ihre Pflichten zu vernachlässigen oder sich ihrer eignen Verantwortlichkeit zu entledigen, oft dieselbe, welcher später Alles erblich zufallen soll – nämlich der älteste Sohn.
Mein Bruder Ralph rechtfertigte diese Bemerkung. Wir wurden mit einander erzogen. Nachdem unsere Studien beendet waren, sah ich ihn nur noch in seltenen Zwischenzeiten. Einige Jahre, nachdem er die Universität verlassen, bewohnte er fast fortwährend den Continent, und als er endlich auf die Dauer nach England zurückkam, geschah es nicht, um unter unserem Dache zu wohnen. In der Stadt wie auf dem Lande, machte er uns Besuche, ohne sich in unser Leben zu mischen.
Ich entsinne mich seiner, so wie er auf der Universität war. Stärker, größer und schöner als ich, und sich in dem kleinen Kreise unserer näheren Bekannten einer Popularität erfreuend, welche die meinige bedeutend überstieg, immer der Erste, wenn es galt, ein keckes Unternehmen zu beginnen, und der Letzte, der es wieder aufgab, bald der Erste, bald der Letzte in der Klasse, war er ganz jener lebenslustige, leichtsinnige, flatterhafte Jüngling, dem alte Leute auf ihrer Morgenpromenade nicht begegnen können, ohne zu lachen und ohne mechanisch den Kopf herumzudrehen.
Zu jener Zeit hatte er sich auf der Universität unter den Gondelruderern und Cricketspielern eine große Berühmtheit erworben. Man pries seine Gewandtheit im Pistolenschießen und fürchtete ihn als Fechter.
Was seine Studentengesellschaften betraf, so kamen keine der seinen gleich. Die jungen Damen der Stadt verliebten sich dutzendweise in ihn. Die jüngeren Studenten, welche Anspruch auf Eleganz machten, ahmten den Schnitt seines Rockes und den Knoten seiner Cravatte nach. Selbst die strengen Familienhäupter besprachen seine tollen Streiche mit nachsichtigem Lächeln.
Schön, heiter und offen, verbreitete dieser Erbe von guter Familie einen besiegenden Zauber überall um sich her.
Obschon ich auf der Universität wie auf der Schule das beliebte Stichblatt seiner Scherze und Witze war, so zankte ich mich doch niemals mit ihm. Ich gestattete ihm fortwährend, sich nach Belieben über meine Toilette, über meine Art und Weise, oder meine Geschmacksrichtungen zu moquiren und mir mit seiner lärmenden, geräuschvollen Heiterkeit lästig zu fallen, als ob es eins seiner Erstgeburtsrechte wäre. sich auf meine Kosten lustig zu machen.
Bis zu dieser Zeit verursachte er meinem Vater keine ernstere Unruhe als die, welche durch seine tollen Streiche und durch das furchtbare Anwachsen seiner Schulden erweckt ward.
Als er aber wieder nach Hause zurückkam und die Rechnungen der Gläubiger ausgeglichen waren, als man glaubte, es sei nun Zeit, dieses Jugendfeuer abzukühlen, es auf die ruhigere Temperatur des häuslichen Lebens zurückzuführen und diese Ueberfülle von Saft zu mindern, indem man versuchte, ihn zu etwas Nützlichem zu führen – da begannen die Prüfungen für meinen Vater ebenso wie seine schweren Fehlgriffe.
Es war unmöglich, Ralph zu bewegen, seine Stellung richtig zu begreifen und die Zukunft von dem Gesichtspunkte aus zu betrachten, auf welchen man sich für ihn stellte. Des Streites überdrüssig, verzichtete unser Vater auf jeden Versuch, ihn über die Wichtigkeit der Einkünfte oder die Verwaltung der Güter zu belehren, die ihm einmal zufallen sollten.
Endlich ward ein kräftiger Versuch unternommen, um ihm Ehrgeiz einzuflößen, und ihn zu veranlassen, an dem Thore des Parlaments anzupochen. Schon diese Idee reizte ihn zum Lachen.
Hierauf bot man ihm ein Gardeoffizierspatent. Er wies es zurück, unter dem Vorwande daß er sich in keinen rothen Rock einkerkern lassen, und daß er sich keinem Zwange unterwerfen und sich den militärischen Zumuthungen eben so wenig fügen Wolle als denen der Mode.
Mein Vater nahm ihn ganze Stunden lang beiseite, um mit ihm von seinen Pflichten, von seiner Zukunft, von der Anwendung seiner Fähigkeiten und von dem Beispiele seiner Ahnen zu sprechen; aber er sprach vergebens. Ralph gähnte und trommelte gleichgültig mit den Fingern auf den Familienacten, so oft dieselben vor ihm aufgeschlagen wurden.
Auf dem Lande beschäftigte er sich mit Nichts als mit der Jagd und dem Fischfange, und es wäre vergebliche Mühe gewesen, ihn bewegen zu wollen, in die Kirche oder zu einem großen Grafschaftsfeste zu gehen.
In der Stadt besuchte er die Theater und verkehrte hinter den Coulissen, tractirte die Schauspieler und Schauspielerinnen in Richmond, ließ in Vaurhall Luftballons steigen und sich unter die Polizeipatrouillen aufnehmen, um das Thun und Treiben der nächtlichen Diebe und Gauner kennen zu lernen. Er war Mitglied eines Whistclubs, eines Souperclubs, eines Gesangclubs, eines Picknickclubs, eines Liebhabertheaters und führte mit Einem Worte ein so flottes Leben, daß mein Vater, in beinahe allen seinen Prinzipien, wie in allen seinen Zukunftsplänen verletzt und getäuscht, so ziemlich ganz aufhörte, mit ihm zu sprechen, und ihn so selten als möglich sah.
Bei einigen Gelegenheiten gelang es der Vermittlung meiner Schwester, sie auf sehr kurze Zeit wieder mit einander auszusöhnen Ihr so sanfter, so liebenswürdiger Einfluß war mächtig genug, um wohlthätige Wirkungen zu äußern, ging aber doch nicht so weit, daß er das Naturell meines Bruders zu ändern vermocht hätte. Trotz aller ihrer unausgesetzten Rathschläge, Bitten und Ermahnungen, verlor er doch die väterliche Gunst, wenige Tage, nachdem er sie wieder gewonnen, auf’s Neue.
Zuletzt trat eine sehr ernste Verwickelung ein. Sie war das Resultat eines abgeschmackten Liebesabenteuers Ralph’s mit der Tochter eines unserer Pächter.
Mein Vater faßte bei dieser Gelegenheit seinen Entschluß mit seiner gewohnten Entschiedenheit. Er beschloß, zu einem verzweifelten Mittel Zuflucht zu nehmen und seinem widerspenstigen Sohne zu gestatten, fern von ihm seinen Leidenschaften freien Lauf zu lassen, bis er selbst seiner Ausschweifungen überdrüssig würde und ein wenig ruhiger zurückkäme, um seinen Platz am häuslichen Heerde wieder einzunehmen.
Demzufolge verschaffte er meinem Bruder eine Anstellung als Attache bei einer auswärtigen Gesandtschaft und betrieb seine Abreise von England aufs Aeußerste.
Zum ersten Male war Ralph fügsam. Er verstand Nichts von der Diplomatie, und es war ihm auch gar nicht daran gelegen, Etwas davon zu verstehen, aber der Gedanke, das Leben auf dem Continente zu kosten, hatte etwas Verlockendes für ihn; der Pächterstochter war er überdrüssig, und deshalb nahm er so freundlich als möglich Abschied.
Mein Vater vermochte, als er ihn abreisen sah, kaum seine Unruhe und seine Befürchtungen zu verbergen; dennoch aber that er, als sei er überzeugt, daß Ralph trotz seines Tollkopfes und seiner frivolen Liebhabereien nicht fähig sei, vorsätzlich seiner Familie Schande zu machen, nicht einmal in seinen Anwandlungen von Leichtsinn und Ungestüm.
Von dieser Zeit an hörten wir wenig von unserm Bruder. Seine seltenen und kurzen Briefe schlossen gewöhnlich mit Bitten um Geld.
Die etwas ausführlicheren Aufschlüsse, die wir in Bezug auf ihn erhielten, gingen uns auf dem Wege der Oeffentlichkeit zu. Er war im Begriffe, sich einen europäischen Ruf zu gründen, bei dessen Erwähnung mein Vater aber schon die Stirn runzelte.
Ralph ward nämlich in der ausländischen Gesellschaft förmlich berühmt. Er hatte ein Duell gehabt; er hatte einen neuen ungarischen Tanz in den Salons aufgebracht; es war ihm gelungen, sich einen so kleinen Groom zu verschaffen, daß man noch keinen solchen auf einem Wagen hinten aus hatte stehen sehen; er hatte beinahe vor den Augen seiner Nebenbuhler die beliebteste Operntänzerin entführt; ein großer französischer Koch hatte ein Gericht erfunden, welches er mit Ralph’s Namen getauft; man gab zu verstehen, daß er jener »unbekannte Freund« sei, welchem eine polnische Gräfin und berühmte Schriftstellerin ihre »Briefe gegen den Zwang des Ehebundes« gewidmet hatte; eine in Metaphysik machende, wenigstens sechzig Jahre alte deutsche Dame hatte eine – natürlich platonische – Liebe zu ihm gefaßt, und trotz ihrer vorgerückten Jahre angefangen, erotische Romane zu schreiben.
Dies waren einige von den Gerüchten, welche in Bezug auf seinen Sohn, seinen Erben, zu den Ohren meines Vaters drangen.
Nach langer Abwesenheit machte er uns einen Besuch.
Ich erinnere mich noch der Bestürzung und des Erstaunens, von dem alle unsere Leute bei seinem Anblicke ergriffen wurden.
Er war in seinen Manieren und in seinem Aeußern uns völlig fremd geworden. Er trug einen stattlichen Schnurrbart, eine Menge Miniaturportraits in kleinen goldenen Medaillons an seiner Uhrkette, und das Bruststück seines Hemdes war ein wahres Wunderwerk von Spitzen und Battist.
Er brachte seine ausgewählten Liqueurflacons und Essenzen mit, ebenso wie seinen französischen Diener, einen frechen, naseweisen, unverschämten Burschen, und seine ganz aus französischen Novellen bestehende Reisebibliothek in einem Kästchen, welches er mit seinem goldenen Schlüsse! öffnete.
Des Morgens genoß er Nichts als Chokolade. Er hatte lange Conferenzen mit dem Koche und brachte in dem Dienste unseres Tisches eine förmliche Revolution hervor.
Sämmtliche Pariser Journale wurden ihm durch eine Londoner Agentur zugesendet Er warf alle Einrichtungen seines Schlafzimmers über den Haufen, und sein Kammerdiener hatte von allen unsern Leuten allein das Recht, es zu betreten. Die Familienportraits, welche an der Wand hingen, ließ er umdrehen und auf die Rückseite die Bildnisse französischer Schauspielerinnen und italienischer Sängerinnen kleben.
Auf seinen Befehl entfernte man einen allerliebsten kleinen Schrank von Ebenholz, der sich seit dreihundert Jahren in unserem Hause befunden, und setzte an die Stelle desselben eine Art kleinen cyprischen Tempel mit krystallenen Thoren, in welchem er Haarlocken, auf parfürmirtes Rosapapier geschriebene Briefchen und andere Liebespfänder und sentimentale Reliquien verschloß.
Sein Einfluß machte sich in unserm Hause überall fühlbar. Er schien eine ähnliche Metamorphose herbeizuführen, wie die, welche aus ihm anstatt eines sorglosen, lärmenden jungen Engländers ein Musterbild fremdländischen Stutzerthums gemacht hatte. Es war, als wenn die überreizende und mit warmen Dünsten der Boulevards von Paris gesättigte Atmosphäre frecher Weise in das alte englische Familienhaus eingedrungen wäre und die heimische reine und ruhige Luft mit Gewalt in die abgelegensten Winkel zurückgedrängt und inficirt hätte.
Diese Aenderung der Gewohnheiten und Manieren meines Bruders schien meinen Vater noch mehr zu erbittern als sie ihm mißfiel. Ralph entsprach jetzt weniger als jemals der Idee, die mein Vater sich von einem ältesten Sohne gemacht.
Was unsere Freunde und Landnachbarn betraf, so war seit Ralphs Rückkehr noch keine Woche vergangen, als sie ihn auch schon herzlich verabscheuten und fürchteten. Er hörte ihre Conversationen mit spöttischer Geduld an, besaß eine ironisch ehrerbietige Art und Weise, ihre guten, alten, eingewurzelten Ansichten und Meinungen zu Nichte zu machen und ihre unschuldigsten Schnitzer hervorzuheben, was sie, trotz aller Schonung heimlich erbitterte. Noch schlimmer ward die Sache, als mein Vater, der nun keinen Ausweg mehr wußte, versuchte, ihn zum Heirathen zu bewegen, um vielleicht aus diesem Wege seine Besserung herbeizuführen, weßhalb er die Hälfte der jungen heirathsfähigen Damen unserer Bekanntschaft zu uns einlud.
Daheim hatte Ralph niemals großen Gefallen an einer ausgewählten Gesellschaft von Damen verrathen. Außer dem Hause hatte er sich so ausschließlich als er konnte mit, gelind gesagt, zweideutigen Frauen umgeben, abgesehen von denen, welche der tiefsten Sprosse der socialen Stufenleiter angehörten.
Die jungen englischen Schönheiten mit ihrer vornehmen Geburt, ihrer raffinirten Eleganz, ihrer vollendeten Erziehung und Bildung, hatten keinen Reiz für ihn.
Er erfaßte augenblicklich die Fäden des häuslichen Complotts, dem er zum Opfer fallen sollte.
Oft kam er in der Nacht in mein Schlafzimmer, stieß verächtlich meine Kleider und Toilettengegenstände, die sehr einfach waren, mit dem Fuße hinweg, spottete nach seiner frühern Gewohnheit über meine friedlichen Manieren und mein monotones Leben und ließ dabei alle Arten von Epigrammen und Sarkasmen in Bezug auf die jungen Damen unterlaufen, die wir in unserm Hause empfingen.
Nach seinem Urtheile waren ihre Manieren abscheulich, steif und maschinenartig; ihre Unschuld war weiter Nichts als eine ihnen anerzogene Heuchelei; die Frische der Gesichtsfarbe, eben so wie die Regelmäßigkeit der Züge, war an und für sich allerdings etwas sehr Gutes; wenn aber ein junges Mädchen nicht zu gehen weiß, wie es sein soll, wenn ihre Hand kalt ist, wenn sie schöne Augen hat, ohne einen herausfordernden Gebrauch davon zu machen zu wissen, wenn das galante Kauderwelsch der Opernlogen sie verletzt oder erröthen macht, dann kann man diese Frische des Teints und diese Regelmäßigkeit der Züge wieder in die Kinderstube zurückschicken, woher sie gekommen sind. Was ihn betraf, so sehnte er sich nach der Conversation seiner geistreichen polnischen Gräfin und hätte gern wieder mit seinen geliebten Grisetten soupirt.
Die Nutzlosigkeit des letzten Versuchs meines Vaters in Bezug auf Ralph, ward sehr bald offenkundig. Die besorgten und erfahrenen Mütter begannen zu argwohnen, daß die Art und Weise, auf welche mein Bruder sich gegen junge Damen benahm, gefährlich, und daß seine Manier zu walzen unanständig sei. Zwei oder drei noch ängstlichere Väter beeilten sich, verletzt durch die Ungenirtheit seines Benehmens und die Lockerheit seiner Grundsätze, ihre Töchter seiner verderblichen Nähe zu entziehen, indem sie die Besuche abkürzten.
Die andern hatten gar nicht nöthig, erst zu diesem äußersten Entschlusses zu kommen. Mein Vater entdeckte nämlich auf einmal, daß Ralph einer jungen Frau, die auf einige Zeit zum Besuche bei uns war, Aufmerksamkeiten erzeigte, die viel zu auffällig und bedeutsam waren.
Noch an demselben Tage, wo er diese Entdeckung machte, hatte er mit meinem Bruder eine lange Unterredung unter vier Augen. Was dabei zwischen ihnen gesprochen ward, weiß ich nicht, aber es mußte etwas sehr Ernstes gewesen sein. Ralph trat sehr bleich und sehr schweigsam wieder aus dem Kabinett meines Vaters heraus und gab Befehl sofort seine Koffer zu packen. Am nächsten Morgen reiste er mit seinem französischen Diener und seinen französischen Siebensachen wieder nach dem Continete ab.
Abermals verging einige Zeit und Ralph machte uns einen zweiten, ebenfalls kurzen Besuch. Er war ganz derselbe geblieben. Mein Vater empfand diese neue Täuschung schmerzlich. Sein Temperament ward zurückhaltenden mürrischer und empfindlicher als es jemals gewesen. Ich erwähne diese in seinem Charakter geschehene Veränderung absichtlich, weil sie schon kurze Zeit nachher eine verderbliche Wirkung auf mich äußern sollte.
Bei diesem zweiten Besuche brach die Uneinigkeit zwischen Vater und Sohn ebenso wieder aus wie bei dem ersten, und Ralph verließ England so ziemlich wieder unter denselben Umständen, wie er schon ein Mal abgereist war.
Kurze Zeit nach dieser Trennung erfuhren wir, daß er seine Lebensweise geändert hatte. Er hatte, um sich wie man zu sagen pflegt, zu »rangiren,« ein Verhältniß mit einer Dame angeknüpft, welche älter war als er und, als er sie kennen lernte, getrennt von ihrem Gatten lebte.
Der Ehrgeiz dieser Dame bestand darin, sowohl die Minerva als auch die Venus meines Bruders, sein Mentor und seine Geliebte zu gleicher seits zu sein, und bald bewies sie, daß es ihr nicht an den nöthigen Eigenschaften fehlte, um dieses Unternehmen durchzuführen.
Ralph überraschte Alle, die ihn kannten, dadurch, daß er anfing, ökonomischen Geschmacksrichtungen zu huldigen. Es dauerte nicht lange; so gab er seinen Posten bei der Gesandtschaft auf, um die Verführung von sich fern zu halten.
Später kehrte er nach England zurück.
Er widmet sich dem Studium der, Kunst des Violinspiels und sammelt Tabaksdosen. Gegenwärtig lebt er ruhig in einer Vorstadt London’s, immer noch unter der Aufsicht der entschlossenen Frau, welche zuerst sich die sehr christliche Aufgabe gestellt hat, seine Besserung zu beginnen.
Es kommt mir wenig darauf an, zu wissen, ob er jemals ein Landedelmann mit noblen und erhabenen Grundsätzen werden wird, so wie mein Vater ihn zu sehen gewünscht. Vielleicht werde ich niemals wieder meinen Fuß auf den Boden setzen, den er erben soll. Die Zimmer jenes Hauses, in welchem er einst als Herr gebieten wird, werden mir niemals wieder ein Obdach gewähren.
Doch es sei nun genug über meinen ältesten Bruder.
Man gestatte mir, jetzt eine noch empfindlichere Saite meines Herzens zu berühren. Ich will von meiner theuersten Neigung sprechen, der letztem deren ich mich entsinnen kann und die mir in meiner Einsamkeit und Verbannung kostbarer ist als alle Schätze.
Meine Schwester! Wohl mag ich zögern, ehe ich Deinen geliebten Namen in einer Erzählung figuriren lasse, wie die ist, welche ich hier begonnen. Einige Blätter weiter werden die schwarzen Schatten des Verbrechens und des Schmerzes mich gefangen nehmen; hier aber strahlen die Erinnerungen, die ich an Dich bewahrt, vor meinen Augen wie ein reines, doppelt reines Licht, weil es im Gegensatze zu der verhängnißvollen Finsterniß steht, die darauf folgen wird!
Möchte Deine sanfte Hand die erste sein, welche diese Blätter umwendet, wenn die meinige kalt sein wird!
Bis jetzt, Clara, hat jedes Mal,«wo ich in meiner Erzählung die leiseste Erwähnung meiner Schwester zu machen gehabt habe, meine Feder gezittert und sich geweigert, Deinen Namen zu schreiben.
An dieser Stelle, wo alle meine Erinnerungen sich in Masse in meinem Gedächtnisse drängen, treten mir die Thränen in die Augen, ich habe nicht die Kraft, sie zurückzuhalten, und zum ersten Male, seitdem ich meine Aufgabe begonnen habe, werden Muth und Ruhe mir untreu.
Vergebens möchte ich meiner Gemüthsbewegung widerstehen. Meine Hand zittert und meine Augen verdunkeln sich immer mehr. Es ist genug für heute.
Ich will ausgehen und auf den Hügeln, von welchen man die Aussicht auf den Ocean hat, Kraft und Entschlossenheit für morgen sammeln.