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Kapitel 10
ОглавлениеDen Vormittag hatte Kühn nun erfolgreich hinter sich gebracht. Zuerst die Geschichte mit den zwei Drogis, später dann noch die Fahrt in eine Villa in der in der vergangenen Nacht eingebrochen worden war. Nun saß Kühn wieder an seinem Schreibtisch und tippte an dem Bericht über den Einbruch. Es sah alles danach aus als ob da Profis am Werk gewesen wären. Terrassentür sauber aufgebrochen, keine verwertbaren Fingerabdrücke oder andere Spuren. Die Besitzer der Villa waren im Urlaub und wussten bisher noch nichts von ihrem Glück. Die Nachbarn hatten einen Zweitschlüssel damit sie nach dem rechten sehen und die Blumen gießen konnten. Heute Morgen fiel ihnen die Sache dann auf und sie riefen die Polizei. Sah alles danach aus als wäre dies ein Fall für XY-ungelöst dachte Kühn, drückte auf speichern und fuhr den Rechner herunter. Ihm war heute nicht nach Büro. Es war viel zu schwül und es gab trotz Neubau keine Klimaanlage in diesem Puff. Wo steckte eigentlich Timo heute ? Heute morgen hieß es noch er wäre beim Arzt und käme deshalb etwas später, aber das war um 6. Jetzt war es fast halb zwei.
Timo Weingut war sozusagen der Partner von Kai. Sie arbeiteten jetzt schon seit 8 Jahren zusammen und das klappte ganz gut. Timo war 35, sportlich und stammte eigentlich aus dem Odenwald. Aber die Liebe hatte ihn dann irgendwann am Wickel und seine Frau Antje stammte hier aus der Limburger Ecke und machte im Autohaus der Eltern die komplette Buchhaltung. Antje wollte auf keinen Fall weg von Limburg und Timo war es ziemlich egal gewesen. Seit seine Eltern vor 14 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren hielt ihn nichts und niemand mehr im Odenwald. Und hier war es ja auch ganz schön betonte er immer. Kleines Domstädtchen, malerisch an der Lahn gelegen, genau zwischen Westerwald und Taunus, was wollte man mehr. Na ja, dachte Kai, um so zu denken muss man wohl zugezogen sein. Für Kühn war Limburg längst ein Scheiß-Kaff. Wenn er das Pensionsalter unbeschadet erreichen sollte dann würde er sich aus dem Staub machen.
Brasilien, oder vielleicht die Kanaren, er wusste es nicht genau. Aber das waren ja noch ein paar Jahre hin. Kühn wählte die Nummer der Telefonzentrale.
„Telefonzentrale Polizei Limburg“ quäkte es aus dem Hörer. „Ja hier Kühn, aus dem 2. Stock. Sagen sie mal, hat der Kollege Weingut sich schon gemeldet. Der wollte heute zum Arzt, aber eigentlich müsste er längst in der Dienststelle sein.“ Kühn hörte das Rascheln von Papier.
„Weingut, Weingut, ach ja, Timo Weingut, hat hier um 10:15 Uhr angerufen und sich für heute krank gemeldet. Der ist erst morgen wieder da. Jetzt fällt es mir wieder ein, er sagte irgend etwas von Magen-Darm.“
„Toll“ grunzte Kühn, „wieso erfahre ich das erst jetzt und auf diesem Umweg das mein Kollege krank ist, da hättet ihr mir doch auch mal Bescheid sagen können.“
„Herr Kühn, wir haben durchaus auch noch anderes zu tun, haben sie eine Ahnung was hier bei uns los ist ? Wahrscheinlich nicht, sonst würden sie nicht so daher reden.“
Die Telefonistin klang ziemlich sauer.
„Und jetzt machen sie bitte die Leitung frei, andere wollen auch noch mal sprechen.“
Nach diesem Satz unterbrach die Dame die Leitung. Kühn nahm sich vor sie irgend wann einmal zum Essen beim Türken unten an der Ecke einzuladen. Er schenkte sich noch einen Kaffee ein und setzte sich wieder auf seinen Drehstuhl der dies mit einem lauten ächzen quittierte. „Wieso war Timo krank, gestern war er doch noch total fit gewesen.“ fragte er sich. Kühn stand auf und machte sich auf den Weg. „Werde dem Knaben mal auf den Zahn fühlen“ dachte er.
Zwanzig Minuten später parkte Kühn seinen Passat Kombi vor der Haustür von Timos Wohnung. Die Rollläden an den Fenstern waren noch heruntergelassen, das war das erste was Kühn auffiel als er aus dem Wagen stieg. Er erklomm die drei Stufen hinauf zur Haustür und klingelte bei „Weingut“. Es dauerte etwas bis die Gegensprechanlage reagierte. „Ja, hallo wer ist da?“ hörte Kühn die Stimme Timos welche ihm seltsam müde vorkam. „Ich bin es Timo, Kai. Mach doch mal auf oder soll ich hier vor der Tür Wurzeln schlagen.“ Das vertraute Summen des Türöffners erklang, und Kühn drückte die Haustür auf und ging die Treppe hinauf zum ersten Stock. Oben angelangt stellte er fest das die Wohnungstür der Weinguts nur angelehnt war, er schob sie langsam auf und betrat den im Dämmerlicht liegenden Flur. „Timo!“, Kühn machte einen Schritt nach vorne. „Timo, wo steckst du denn?“ Aus dem Schlafzimmer drangen Geräusche, dann die Stimme Timos: „Mensch Kai, mir geht es beschissen. Ich liege hier im Bett. Mach die Wohnungstür zu und komm ins Schlafzimmer, oder noch besser, mach die Wohnungstür zu, geh in die Küche und koche einen Kamillentee und komm dann mit dem Tee ins Schlafzimmer“. Kühn dachte keinen Moment daran Tee zu kochen sondern betrat das Schlafzimmer und entdeckte Timo der auf einem zerwühlten Doppelbett lag. Durch die Ritzen des Rolladens strahlte Sonnenlicht in schmalen Schichten in denen Staubkörner wirbelten in den Raum. Kühn ging zum Fenster und zog den Rollladen hoch. Sofort ertönten wilde Protestschreie von Timo.
„Aufgewacht, die Sonne lacht“ sagte Kühn und lachte trocken. „Es ist gleich drei Uhr und du liegst hier herum wie ein nasser Waschlappen“. Er drehte sich um und schaute zum Bett hinüber. Timo hatte sich die Bettdecke über den Kopf gezogen. „Mach sofort die beschissene Jalousie wieder runter oder ich gucke dich mit dem Arsch nicht mehr an“.
„Jetzt komm mal wieder runter Timo, du benimmst Dich wie ein kleines Kind. Komm, steh auf und wir gehen in die Küche und trinken einen Kaffee. Und dann erzählst Du mir erst mal was überhaupt los ist.“
Timo zog die Decke ein Stück zurück und schaute Kühn mit einem bösen Blick an. „Was bist Du bloß für ein Arsch Kühn. Kommst hier herein geplatzt und ziehst die Rollläden hoch und willst auch noch das ich Dir jetzt einen Kaffee koche. Du kannst mir echt bald den Buckel runter rutschen. Ich bin krank. Ich habe die ganze Nacht abwechselnd gekotzt und geschissen und ich will einfach nur hier liegen und warten bis es mir wieder besser geht.“ Timo schlug die Decke zurück und setzte sich auf den Bettrand.
„Jetzt auf komm auf“ sagte Kühn, „ein Kaffee ist jetzt genau das richtige. Wird uns beiden gut tun, kannst Du mir ruhig glauben.“ Timo schüttelte den Kopf. „Du bist echt mein real existierender Alptraum“ sagte er und stand auf und schlurfte ohne ein weiteres Wort in Richtung Küche. Kühn nahm die Verfolgung auf.
Zehn Minuten später saßen die beiden an dem kleinen Küchentisch. Der Kaffee den Timo gekocht hatte war so dünn das Kühn das untere Ende des Kaffeelöffels am Tassenboden erkennen konnte.
„Ganz schöner Muckefuck den du da gekocht hast“ sagte er. Kühn rührte sich noch etwas Zucker in den Kaffee. Wegen der leichten Diabetes die er sich vor ein paar Jahren eingefangen hatte, hätte er eigentlich auf den Zucker verzichten müssen. Aber ohne die zusätzliche Süße war der Kaffee schlicht ungenießbar. „Was ist jetzt eigentlich los mit Dir? Gestern warst Du doch noch topfit und heute hängst Du hier voll in den Seilen“. Kühn nahm einen kleinen Schluck von seinem Zuckerwasser und verzog leicht das Gesicht. Timo schaute ihn an, der Gesichtsausdruck den er dabei machte erinnerte Kühn an den von Jesus am Kreuz, kurz nach dem man ihm den Speer ins Herz gestoßen hatte. „Kühn, du versprichst mir das alles was ich Dir jetzt erzähle hier in diesem Raum bleibt. Du wirst mit niemandem darüber sprechen, schon gar nicht auf der Dienststelle. Haben wir uns verstanden?“
„Habe ich Dich jemals enttäuscht Timo?“ erwiderte Kühn und nahm noch einen Schluck von seinem Heißgetränk.
„Na ja, ich hoffe ich kann Dir vertrauen“. Timo fingerte sich eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie sich an. „Also eigentlich ist es eine ganz einfache Sache. Gestern Abend waren ein paar Kumpels hier zu Besuch und wir haben uns uns ein paar Videos reingezogen. Wir waren zu viert und ich hatte zwei 5 Liter Fässchen Bier spendiert. 10 Liter für 4 Mann kann man ja mal wegputzen dachte ich mir. Fing auch alles ganz easy an. Steffen hatte eine Flasche Jägermeister dabei, den vertrage ich eigentlich überhaupt nicht aber nach den ersten Bieren war das mir so ziemlich egal. In der nächsten Stunde haben wir dann die ganze Flasche gekillt und immer schön mit Bier nach gespült. Nach dem zweiten Film musste ich das erste mal aufs Klo kotzen. Wir haben dann trotzdem das zweite Fässchen noch irgendwie leer gemacht und am Ende kann ich mich an nichts erinnern. Als ich um halb zwei aufs Klo gerannt bin und alle Schleusen gleichzeitig geöffnet habe war ich alleine in der Wohnung. Antje hat heute Nacht zum Glück bei ihrer besten Freundin Sabine übernachtet. Sie hatte keinen Bock auf unseren Männerabend und die beiden waren wohl im Kino oder so. Na ja, und heute morgen bin ich dann zum Arzt und habe mich für heute krank schreiben lassen“.
Kühn lehnte sich zurück. „Verrückte Story“ sagte er. „In meiner Generation gilt ja noch der Grundsatz das der, der abends saufen kann auch morgens arbeiten kann. Aber bei euch Bubis zählt so was ja offenbar nicht mehr. Darauf brauch ich jetzt aber noch einen Kaffee, aber diesmal einen richtigen“. Timo blickte böse rüber zu Kühn, sagte aber nichts sondern erhob sich, und befüllte die Kaffeemaschine. „Morgen bist Du aber wieder am Start oder?“ fragte Kühn. „Ja Kühn, morgen bin ich wieder bei Dir oder glaubst Du ich würde jetzt ganz schlapp machen. Dir kann ja so was nicht passieren Mr. Eisenleber.“
Kühn grinste. „Eisenleber klingt irgendwie gut“ sagte er. „Hauptsache Du bist morgen wieder in Amt und Würden. Es ist jede Menge Papierkram liegengeblieben heute. Ein Einbruch, ein paar kleine Schlägereien. Habe mich heute um alles gekümmert aber den Bürokram habe ich nicht mehr geschafft.“
„Ist schon klar Kühn, die Schreibarbeiten überlässt Du ja immer gerne Deinem Juniorpartner:“
Nachdem Kühn noch zwei Tassen Kaffee getrunken und noch ein wenig auf Timo herum gehackt hatte verabschiedete er sich. Hätten die beiden geahnt was in den nächsten Tagen alles auf sie einprasseln würde dann hätten sie vielleicht doch noch ein Kännchen Kaffee gekocht und den Tag gemütlicher ausklingen lassen.